Interview mit Pfarrer Markus Hoitz "Wir müssen Visionen entwickeln"

KÖNIGSWINTER · Markus Hoitz ist seit einem guten halben Jahr der Leitende Pfarrer für die Katholiken im Königswinterer Bergbereich. Über das, was für ihn Ostern bedeutetet, sprach mit ihm Hansjürgen Melzer.

 Markus Hoitz wuchs in Oberdollendorf auf.

Markus Hoitz wuchs in Oberdollendorf auf.

Foto: Homann

Im jüngsten Pfarrbrief nennen Sie das Osterfest als ein Beispiel für einen Ausbruch aus einem geschlossenen System. Sie vergleichen Kirchturmdenken mit dem Wärmetod in der Physik oder der Inzucht in Familien. Was verleitet Sie dazu?
Markus Hoitz: Wir haben in der Gemeinde mal über die Thermodynamik in der Physik diskutiert. Diese Wissenschaft hat mich schon immer interessiert. Ich stelle in unserer Gesellschaft fest, dass die geschlossenen Systeme zunehmen. Während in der Kirche mit Papst Franziskus eine Aufbruchstimmung festzustellen ist, gibt es Pegida und die Diskussion über Asylbewerber. Wir haben auch in Europa oder im Griechenland-Konflikt eine problematische Entwicklung. Statt sich zu öffnen, grenzen die Länder sich ab. Doch das führt nicht weiter, sondern läuft sich tot - wie in der Physik. Das Interessante ist, dass ich in den Naturwissenschaften etwas entdecke, was dem Osterfest entspringt. Gewisse physikalische Theorien passen in die Theologie.

Stellen Sie das auch in der Kirchengemeinde fest?
Hoitz: Das gibt es auch dort. Da ist der Gedanke: Der Wind der Gesellschaft weht uns entgegen. Da schließen wir uns noch enger zusammen und entwickeln eine Wagenburg-Mentalität. Auf der einen Seite gibt es eine große Sehnsucht nach einem Aufbruch. Auf der anderen Seite möchte man aber auch alles so bewahren, wie es früher gewesen ist.

Wie lautet Ihre Osterbotschaft?
Hoitz: Jesus musste bei den Jüngern die Tür ja regelrecht eintreten. Die waren genauso verschlossen. Ich wünsche mir von Ostern, dass wir einen Aufbruch als Kirche wagen. Dass wir angstfrei mit einer Umbruchsituation umgehen. Dass wir vor dem Morgen keine Angst, sondern Hoffnung haben. Ostern bedeutet ja auch: Es kann nicht schlimmer kommen als der Tod. Es kann nur vorwärts gehen, weil wir von Gott getragen sind. Gott ist derjenige, der aus dem geschlossenen System ausbricht, indem er Mensch wird. Er nimmt das geschlossene System nicht hin.

Was bedeutet das für die Gemeinde vor Ort?
Hoitz: Hätten wir nicht so viele Ruhestandsgeistliche, dann könnten wir nicht die neun Sonntagsmessen leisten. Wir haben nur zwei hauptamtliche Priester. Jeder darf nur drei Messen lesen. Das wären also maximal sechs. Dann dürfte aber noch kein Priester krank werden.

Stehen die Sonntagsmessen also zur Disposition?
Hoitz: Nein. Das steht konkret noch nicht an. Da muss sich noch niemand Sorgen machen. Das kann aber Zukunftsmusik sein. Ebenso kann es einmal sein, dass Kirchen geschlossen werden müssen. Wir müssen österliche Visionen entwickeln, nach vorne zu blicken. Bei uns könnten früher oder später französische Verhaltensweisen Einzug halten.

Was würde das bedeuten?
Hoitz: Das Gemeindemodell nach französischem Vorbild setzt auf starke Laien, die mit den Hauptamtlichen eine der Welt zugewandte Kirche gestalten sollen. In einem Quartier teilen sich zum Beispiel fünf Leute in der Gemeindeleitung die Verantwortung in verschiedenen Bereichen. Der Priester feiert die Gottesdienste oder spendet die Sakramente, kann aber Aufgaben abgeben, die ihm bisher als Verwaltungschef zufallen. Warum muss ich mich zum Beispiel um die Glaubensweitergabe an Kinder und Jugendliche kümmern? Das kann eigentlich jeder Getaufte und Gefirmte.

Zur Person

Markus Hoitz wurde 1960 in Bonn geboren. Er wuchs in Oberdollendorf auf. Nach dem Theologie-Studium in Bonn und Freiburg wurde er 1987 im Kölner Dom zum Priester geweiht. Seine Diplomarbeit schrieb er über die Aufhebung der Abtei Heisterbach. Seit 1987 ist er Mitglied im Kuratorium der Stiftung Abtei Heisterbach und seit 2007 deren Geschäftsführer. www.markus-hoitz.de

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