Salon-Ensemble Petersberg Virtuos in Wohnzimmer und Rotunde

KÖNIGSWINTER · Beim "Czardas" steigt sie schon mal aus den Schuhen. Dann bilden die Pumps von Maria Kapuscinska ihr eigenes Stilleben auf der Bühne. Manchmal stampft die Violinistin aber auch mit den hohen Absätzen im Takt auf: Egal, ob die temperamentvolle "Teufelsgeigerin" in der Rotunde des Steigenberger Grandhotels Petersberg vor mehreren Hundert Zuschauern steht oder im Wohnzimmer von Edgar Zens in Oberpleis.

 Hochkonzentriert: Seit vielen Jahren bereits tritt das Salon-Ensemble am Neujahrstag auf dem Petersberg auf.

Hochkonzentriert: Seit vielen Jahren bereits tritt das Salon-Ensemble am Neujahrstag auf dem Petersberg auf.

Foto: Frank Homann

Dort probt das Salon-Ensemble Petersberg regelmäßig. Das neue Programm wird erarbeitet. Und außerdem: "Musizieren macht einfach Spaß. Das ist pure Entspannung", sagt Alexander Dauth (59). Der Klinikapotheker am Linzer Krankenhaus spielt seit seinem neunten Lebensjahr Violine. Später war der Oberdollendorfer im Studentenorchester in Bonn. Und nach einer Auszeit kam er vor 22 Jahren zur Sinfonia Königswinter, deren Vorsitzender er ist. Hier traf er auf Maria Kapuscinska (60), mit der er die Salon-Ensemble-Idee kreierte.

"Ich habe schon mit fünf Jahren Geigenunterricht gehabt. Im Radio habe ich immer wieder das Mantovani-Orchester gehört", erinnert sich die aus Danzig stammende Virtuosin. Sie studierte in Posen bei Igor Oistrach, dem russischen Geigen-Maestro. "Das war eine schwere Zeit, in der Disziplin gefordert wurde. Aber davon kann ich heute noch zehren", erzählt die Künstlerin, die 1981 nach Deutschland kam. "Ich habe von Beginn an mit meiner Geige mein Brot verdient."

Sie arbeitet als Fachleiterin für Streicher an einer Musikschule. Das Salon-Ensemble Petersberg ist Hobby für Maria. Seinen Namen hat es von seinem Auftrittsort Nummer eins - dem Petersberg. Mittlerweile ist das Konzert des Ensembles an jedem ersten Tag des Jahres auf 331 Meter Höhe schon so etwas wie das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Leicht und beschwingt. Nur: Die Petersberger "Mannschaft" ist viel kleiner. Edgar Zens (65), studierter Musikpädagoge, der am Flügel sitzt, erklärt: "Der Reiz des Ensembles ist, dass wenige Instrumente ein ganzes Orchester ersetzen."

Dauth: "Die beiden Violinen sind tonführend, die Soloklarinette repräsentiert alle Bläser und das Klavier alle Akkordinstrumente." Maria Kapuscinska (60) betont: "Wir verstehen uns blind. Aber wir zoffen uns auch mal, denn jeder hier hat seine Vorstellungen." Ein wichtiger Unterschied zum großen Orchester: Einen Dirigenten haben die "Salonisten" nicht. Zens: "Aber Maria ist unser Spiritus Rector." Wer die mit Leichtigkeit und spielerischer Eleganz vorgetragene Musik vielleicht vom Können her unter einer schweren Bach- oder Beethoven-Komposition ansiedelt, liegt falsch.

Diese Musikstücke bewerkstelligen die Ensemble-Mitglieder auch - in anderen Kombinationen. Aber gerade das Leichte hat seine Tücken. Beim Neujahrskonzert etwa wird nicht nur Champagner serviert, das Ensemble studiert auch den Champagner-Galopp ein - von Hans Christian Lumbye, dem "Strauß des Nordens". Galopp also nun auch in Zens' Wohnzimmer. Nur auf den Konfettiregen aus der Kanone am Schluss verzichten die Akteure - noch. Aber das Motto des Neujahrskonzertes 2016 passt: "Feuerwerk der Klänge!" Der Walzer Nummer zwei von Schostakowitsch soll diesmal durch ein Saxofon zusätzlichen Reiz erhalten. Dafür sorgt Michael Wolf (55). Er war Soloklarinettist beim Musikkorps der Bundeswehr.

Manfred Ozimek (73) gehörte zur Philharmonie Tschenstochau, ehe er mit 40 in den Westen zog. Seit vier Jahren macht der Kontrabassist beim Salon-Ensemble mit. Er schätzt das Repertoire der Truppe und freut sich über die Auftritte. Denn: Das Ensemble tritt natürlich nicht nur am Neujahrstag in Aktion. Auch die "Schwarzwaldmühle" steht auf dem Probenplan. Hierbei ist Thomas Bungart (52) in seinem Element. Der Musiklehrer, der auch Rock und Jazz spielt, ist als Schlagzeuger für die Effekte zuständig. Das Quaken eines Frosches entlockt er einer Kokosnuss, mit Nüssen simuliert er das Wassergeräusch an der Mühle, das Klopfen des Spechtes ahmt er mit zwei Rosenholzstöckchen nach. Und auch ein Vogelschwarm fliegt plötzlich durch den Probenraum.

"Hier muss ich exakt spielen und sehr leise. Aber diese Vielseitigkeit macht den Reiz aus." Bungart packt die Kastagnetten aus. Das Salon-Ensemble setzt zum spanischen Tanz an. Maria Kapuscinska hat Schmetterlinge im Bauch - und ist wieder mal barfuß...

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