VVS-Wanderung im Siebengebirgswald Unterwegs im Wildnisgebiet

MARGARETHENHÖHE · Vom Wanderparkplatz unterhalb des Oelbergs aus bis hinein in die Wildnis ist es nur ein Katzensprung - ein paar Schritte entlang des Wanderweges und schon steht man quasi mittendrin. Von Baumriesen mit mächtigen Kronen, von moosüberzogenen Stämmen und üppig wucherndem Unterholz oder wie man sich die Wildnis auch immer vorstellt allerdings keine Spur.

Förster Florian Haufler schreitet bei der Wanderung vorneweg.

Förster Florian Haufler schreitet bei der Wanderung vorneweg.

Foto: Homann

Vielmehr sieht es in dem jungen Laubwald eigentlich recht ordentlich aus. "Für viele ist das hier tatsächlich nur ein normaler Wald", erläutert Förster Florian Haufler den Teilnehmern der Wildnis-Wanderung, zu der der Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) gestern Mittag eingeladen hatte. "Aber es handelt sich trotzdem schon um das Wildnisgebiet." Tatsächlich wird das Waldstück seit 2010 nicht mehr bewirtschaftet oder auf sonstige Art und Weise vom Menschen beeinflusst. Und dies gilt nicht nur für dieses Areal: Insgesamt 523 Hektar Wald und damit fast der gesamte Kernbereich des Siebengebirges zwischen Oelberg, Petersberg und Löwenburg wurden damals als erstes Wildnisgebiet in NRW ausgewiesen.

Doch Wildnis entsteht nicht von heute auf morgen. "Bedenkt man, dass zum Beispiel eine Buche eine Lebensdauer von rund 300 Jahren hat, sind diese fünf Jahre für den Wald eine ziemlich kleine Zeitspanne", erklärt Haufler. "Die Entwicklung läuft erst an." Dennoch könne man an vielen Stellen jetzt schon sehen, dass das natürliche "Entstehen und Vergehen des Lebens" beginnt. "Survival of the fittest", das Überleben des Stärkeren, nennen das die Fachleute, denn: "Wildnis heißt nicht, jedes Individuum zu schätzen, sondern den natürlichen Ausscheidungskampf zuzulassen", so Haufler.

Zu den Verlierern werden in diesem Prozess Baumarten zählen, die zuvor zum Nachteil anderer durch den Menschen gefördert wurden. "Hier am Oelberg ist dies zum Beispiel die Eiche." Der sehr lichtbedürftige Baum ist der Buche unterlegen, die auch im Schatten gedeihen kann. Haufler zeigt auf zwei Eichen, die von den Buchen um sie herum regelrecht in die Zange genommen werden: "Sobald die Buchen hoch in die Kronen der Eiche wachsen, wird ihr nach und nach die Puste ausgehen." Der einsetzende Verfall sei dann aber wiederum eine Chance für andere Lebewesen: den Specht zum Beispiel. Und auch als Totholz werden diese Eichen zahlreichen Pilz-, Käfer- und Insektenarten einen wertvollen Lebensraum bieten.

Auch die vielen kleinen Fichtensämlinge, die eine Teilnehmerin in dem laubbedeckten Boden entdeckt hat, haben an dieser Stelle keine Chance, groß zu werden - sie sind hier allerdings ohnehin standortfremd. Nadelbäume wie die Fichte nämlich gehören von Natur aus nicht zu den Wäldern im Siebengebirge - sie wurden erst im Zuge der forstlichen Bewirtschaftung angepflanzt und sind daher im Wildnisgebiet mit wenigen Ausnahmen nicht gewollt.

Gewollt ist indes, dass die Menschen der Wildnis im Siebengebirge ganz nahe kommen können. "Wir möchten, dass Wildnis hier für die Bürger erlebbar ist. Das Wildnisgebiet soll kein Bannwald werden", betont Haufler. Er ist selber gespannt, wie sich der Wald in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. "Auch für uns ist das ein Stück weit eine Wundertüte. Wir wissen ganz einfach nicht genau, wie Wildnis hier aussieht." Tatsächlich ist der Wald im Siebengebirge zu 99 Prozent stets vom Menschen beeinflusst worden. Sicher ist allerdings, dass Buchen den verwilderten Wald dominieren werden. "Auf höheren Standorten werden wir auch Eichen finden." Auch große Mengen an Totholz, stehend und liegend, wird es mit Sicherheit geben. Für viele Tierarten ist es von großer Bedeutung.

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