Fall Paulus Streit um Leichengeruch

KÖNIGSWINTER/BONN · Der Fall der 2008 im Keller einbetonierten Leiche von Sigrid Paulus beschäftigt erneut die Bonner Justiz: Die Eigentümerin des Hauses in Königswinter-Ittenbach, in dem die Familie seit 1998 zur Miete gewohnt und in dessen Keller der Ehemann seine getötete Frau jahrelang unter einem Betonsockel versteckt hatte, verklagt das Land NRW als Dienstherrn der Polizei vor dem Bonner Landgericht auf Schadensersatz für Sanierungskosten.

Begründung: Die Beamten hätten es nach dem Freilegen der Leiche im Oktober 2013 unterlassen, Maßnahmen zu treffen, um ein Ausbreiten des Geruchs zu verhindern.

Fünfeinhalb Jahre lang ahnte niemand, dass Sigrid Paulus sich nicht einfach abgesetzt, sondern dass ihr Ehemann sie am 14. Februar 2008 getötet und im Sockel eines Weinregals im Keller in Beton gegossen hatte. An einem Ort, an dem nicht nur der heute 54-Jährige in den folgenden Jahren immer wieder vorbeiging, sondern den auch Sohn und Tochter, die sich von der Mutter im Stich gelassen fühlten, ständig sahen.

Am 30. Oktober erfuhren die Kinder die Wahrheit: Nachdem die Tochter Medien und Polizei eingeschaltet hatte, gestand ihr Vater, seine Frau am 14. Februar 2008 im Streit erwürgt zu haben, und verriet der Polizei das Versteck. Die Leiche wurde freigelegt und der Tatort gesichert. Der Ehemann kam in Untersuchungshaft und wurde am 17. März 2014 vom Bonner Schwurgericht wegen Totschlags zu acht Jahren Haft verurteilt. Und Kammervorsitzender Josef Janßen erklärte im Urteil: "Es ist nicht strafbar, eine Leiche einzubetonieren und seine Tat zu vertuschen."

Doch die Folgen dieser Vertuschungsaktion kam die Hauseigentümerin, wie sie nun in ihrer Klageschrift ausführt, teuer zu stehen, und den Schaden in Höhe von 26 223 Euro soll ihr nun das Land ersetzen.

Denn, so macht die Klägerin vor der 1. Zivilkammer des Bonner Landgerichts geltend: Die Beamten hätten nach Freilegung der Leiche das Haus versiegelt, so dass es niemand habe betreten können. Die Fundstelle sei nicht abgedeckt und die ausgehängte Kellertür nicht wieder eingehängt worden. Gegen den ausströmenden Geruch sei nichts abgeklebt worden. Außerdem seien alle Türen im Haus offen gelassen worden. Und so habe sich der "unerträgliche Geruch" überall festsetzen können - an allen Wänden, Decken, der Holztreppe und dem gesamten Inventar der Mieter.

Erst am 2. November habe die Polizei die Versiegelung aufgehoben, und als die beauftragte Sanierungsfirma am 3. November 2008 das Haus habe untersuchen wollen, habe sie es nur mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen betreten können. Wochenlang habe die Sanierung gedauert, so die Klägerin, alles habe speziell behandelt und erneuert werden müssen, bis Mitte Dezember habe das Haus weder für Besichtigungen noch für eine neue Vermietung zur Verfügung gestanden.

Doch das Land wehrt sich gegen den Vorwurf, die Bonner Polizei habe diese Kosten verursacht, und erklärt: Weil das Haus der Tatort eines schweren Verbrechens war, musste dort auch akribisch ermittelt werden. Und diese Ermittlungsarbeit dauert einige Zeit, erklärte das Land in seinem Antrag auf Klageabweisung. Im Übrigen mussten zumutbare Arbeitsbedingungen für die Polizeibeamten gewährleistet sein, so dass sie nicht im abgeschlossenen Raum arbeiten könnten, hält das Land der Hauseigentümerin entgegen.

Demnächst wird die 1. Bonner Zivilkammer den Fall verhandeln. (AZ: 1 O 89/15)

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