Interview mit Heather Theile "Mein Herz schlägt weiter für England"

KÖNIGSWINTER · Zwischen Königswinter und der an der Ostküste Großbritanniens gelegenen Stadt Cleethorpes, die zu North East Lincolnshire gehört, wurde 1974 eine Städtepartnerschaft begründet. Mit der Engländerin und Gründungsmitglied Heather Theile sprach Alev Dogan über 40 Jahre Städtepartnerschaft.

 Zu Hause in Ittenbach: Heather Theile, maßgebliche Triebfeder der Städtepartnerschaft mit Cleethorpes.

Zu Hause in Ittenbach: Heather Theile, maßgebliche Triebfeder der Städtepartnerschaft mit Cleethorpes.

Foto: Homann

Knapp die Hälfte Ihres Lebens haben Sie sich der Städtepartnerschaft zwischen Königswinter und North East Lincolnshire gewidmet. Erzählen Sie uns von der Gründung 1974?
Heather Theile: Ich hatte in der Zeitung eine Meldung gelesen, nach der die Gründung einer solchen Partnerschaft beabsichtigt war. Also informierte ich mich und nahm mit meiner damaligen Klasse, der 9a, an der Gründungszeremonie teil - ich war nebenamtlich Lehrerin an einem Gymnasium in Königswinter zu der Zeit. Dieser Tag war der Startpunkt für die nun 40-jährige Geschichte des Partnerschaft.

Wie lange waren Sie zu dem Zeitpunkt schon in Deutschland?
Theile: Seit den 1960er Jahren war ich schon in Deutschland, seit 1969 hier in Königswinter.

Woher kam die Verbindung nach Deutschland?
Theile: Nach meinem Studium in Bristol bin ich zum Arbeiten in die Schweiz gegangen. Dort, in Genf, habe ich meinen späteren Ehemann, einen deutschen Physiker, kennengelernt.

Zurück zur Gründung: Was erhofften Sie sich damals von einer solchen Partnerschaft?
Theile: Ich erhoffte mir vor allem zwei Dinge. In England war man, obwohl der Zweite Weltkrieg schon einige Zeit zurücklag, den Deutschen gegenüber noch sehr voreingenommen. Ich hoffte, einen Beitrag dazu leisten zu können, dass sich diese Vorurteile verringerten. Außerdem lagen mir die Hauptschüler hier vor Ort sehr am Herzen. Ich wollte, dass sie aus solchen Aktionen nicht ausgeschlossen würden, sondern auch davon profitieren konnten. Auch auf diesen Schülern sollte ein großer Fokus liegen, so dass sie die Chance bekamen, ihr erlerntes Englisch im Rahmen eines Austauschen umzusetzen.

Wie ging's nach Tag eins weiter?
Theile: Der damalige Bürgermeister der Stadt Cleethorpes war auf der Gründungszeremonie zugegen gewesen. Die Atmosphäre war so wundervoll, dass er uns - meine Klasse und mich - prompt nach Cleethorpes einlud. Und so hieß es nur kurze Zeit später für uns: auf an die englische Ostküste mit Bahn, Bus und Schiff! Es war ein großes Chaos und ein großer Spaß.

Es ist Mitte der 70er Jahre, englische und deutsche Schüler treffen aufeinander. Wie kann man sich die Atmosphäre vorstellen?
Theile: Natürlich gab es hier und da mal Verständigungsprobleme. Den Lehrern in Cleethorpes fiel es beispielsweise negativ auf, dass unsere Schüler in Jeans ihren Unterricht besuchten. Es war Ostern, es war kalt - ich hätte von den Eltern kaum erwarten können, ihre Kinder neu einzukleiden. Es gab auch Situationen, in denen die deutschen Schüler in England mit dem Hitler-Gruß konfrontiert wurden. Aber es waren Ausnahmen. Und mit der Zeit änderte sich die Mentalität deutlich. Die Englischen Schüler waren geradezu erstaunt darüber, dass die Deutschen ja doch "ganz normal und so nett" sind. Es gab wunderbare Tanzabende und es entwickelten sich Freundschaften, die noch bis heute halten - sogar generationenübergreifend. Das finde ich schon sehr bemerkenswert.

Wenn Sie jetzt zurückblicken, was hat sich geändert?
Theile: Nun, in England gab es eine starke Reaktion auf Missbrauchsfälle in Verbindung mit Kindern. Diese Bewegung hat sich auch im Gesetz manifestiert. Seit etwa einem Jahr brauchen alle Erwachsene, die in irgendeiner Form mit Kindern zu tun haben, eine amtliche "Clearance", so etwas wie ein polizeiliches Führungszeugnis. Das betrifft auch Gasteltern, die Austauschschüler aus Deutschland aufnehmen möchten. Der Verwaltungsaufwand ist riesig. Daher gibt es die Austauschsituation, in denen die Schüler bei ihren Partnern zu Hause wohnen, in dieser Form, wenn überhaupt, dann nur privat organisiert - und nicht von städtischer Seite. Andernfalls müssen die Schüler nun in Hotels oder Jugendherbergen bleiben.

Gehen dadurch mögliche Austausche zurück?
Theile: Nein. Es gibt glücklicherweise Stiftungen, die Schüler, deren sozialer Hintergrund vielleicht schwach, aber schulische Leistungen stark sind, finanziell unterstützen.

Sie werden an den zahlreichen Jubiläumsfeiern der Städtepartnerschaft teilnehmen. Wie fühlen Sie sich dabei?
Theile: Alles in allem war es eine runde Sache für mich. Großem Verständnis und viel Freundlichkeit bin ich begegnet. Es war mir ein persönliches Bedürfnis und mein Ziel, negative Überbleibsel aus der Nazizeit abzubauen.

Haben Sie vor, irgendwann nach England zurückzukehren?
Theile: Nein, dann wäre ich schon vor 32 Jahren zurückgekehrt, als mein Mann verstarb. Ich fühle mich hier in Ittenbach zu Hause. Auch wenn mein Herz weiter für England schlägt.

Zur Person

Vor 53 Jahren kam Heather Theile (84), die spätere "Mutter der Städtepartnerschaft" zwischen Königswinter und Cleethorpes aus dem Norden Englands nach "Europa", um Lehrerin auf einer Internatsschule in Genf zu werden. Vier Jahre später lernte sie im Tessin ihren Ehemann Ulrich kennen.

1969 kam das Ehepaar mit seiner Tochter nach Königswinter: "Ich bin zutiefst in England und seiner Sprache verwurzelt, Ittenbach ist jedoch zu meinem Zuhause geworden", so Theile, die bis 1990 als Englischlehrerin am ehemaligen Gymnasium am Petersberg, heute CJD, wirkte.

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