Frauen bei der Feuerwehr "Man muss sich ein bisschen mehr beweisen"

RHEIN-SIEG-KREIS · 14 Frauen bei aktuell 232 Aktiven - weil diese Quote ausbaufähig ist, hat die Freiwillige Feuerwehr Sankt Augustin als erste im Kreis eine Kampagne gestartet, mit der sie gezielt um weibliche Verstärkung wirbt. Rund sechs Prozent beträgt der Frauenanteil in ihren Reihen.

Pressesprecher Sascha Lienesch: "Wir sind der Meinung, dass Frauen genauso in die Feuerwehr gehören wie Männer, und wollen den Frauen deshalb zeigen, dass sie bei uns willkommen sind."

Unter anderem läuft eine nutzerbasierte Werbung auf Facebook. Interviews mit fünf langjährigen Feuerwehrfrauen und eine Internetseite mit weiteren Infos sollen potenzielle Kandidatinnen zum "Hineinschnuppern" animieren. Entscheiden sich die Interessentinnen endgültig für die Feuerwehr, steht zunächst ein Grundlehrgang an. Der Pressesprecher ist zurückhaltend optimistisch: "Wenn wir am Ende zwei, drei, vielleicht fünf Interessentinnen haben, dann ist das schon ein Erfolg."

Im kreisweiten Vergleich stehen die Sankt Augustiner dabei schon jetzt gar nicht so schlecht dar: 3318 aktive Feuerwehrleute gibt es derzeit nach Auskunft der 19 freiwilligen Wehren im Kreis, 211 davon sind Frauen - ein durchschnittlicher Anteil von 6,36 Prozent. Sankt Augustin liegt mit 6,03 Prozent nur knapp unter diesem Wert, während man etwa in Much unter den 59 Aktiven vergebens nach einer Frau sucht. Auch in Bornheim (1,43 Prozent), Niederkassel (2,24 Prozent) und Wachtberg (3,95 Prozent) sowie in Swisttal, Siegburg, Neunkirchen-Seelscheid, Hennef, Eitorf, Troisdorf und Bad Honnef fällt der Frauenanteil deutlich geringer aus. Zweistellige Prozentwerte dagegen in Alfter (12,14 Prozent), Rheinbach (12,12 Prozent) und Windeck (11,72 Prozent). Ruppichteroth, Lohmar und Königswinter liegen noch über dem Schnitt, Meckenheim (6,14 Prozent) knapp darunter.

Warum die Zahlen - Gesetzmäßigkeiten lassen sich etwa im Hinblick auf eher ländliche oder städtische Gebiete kaum erkennen - so unterschiedlich ausfallen, dafür hat auch Dirk Engstenberg keine eindeutige Erklärung. Der Kreisbrandmeister vermutet, dass dort, wo sich bereits Frauen etablierten, anderen der Schritt zur Feuerwehr leichter falle.

Dass es mancherorts Widerstände gegen Feuerwehrfrauen geben könnte, glaubt er nicht: "Die Zeiten, dass es Feuerwehren oder einzelne Einheiten gibt, die sagen 'Wir möchten keine Frauen in der Feuerwehr haben', sind zum Glück vorbei." Die Werbekampagne in Sankt Augustin begrüßt er: "Ich sage immer: Wieso soll die Feuerwehr auf 50 Prozent der Bevölkerung verzichten?"

Aus seiner Sicht müsse es daher "definitiv ein Ziel sein, dass auch die Frauen gerne zur Freiwilligen Feuerwehr kommen". Doch auch andere Zeiten sind ihm im Gedächtnis: "Zu Beginn meiner Laufbahn, Ende der 80er, wurde das im Kameradenkreis zum Teil schon kritisch gesehen." Das Feuerschutzgesetz sei nicht allzu lange Zeit zuvor dahingehend geändert worden, dass auch Frauen der Eintritt in die Feuerwehr offen stand. Doch nicht wenige Männer hätten den Frauen die Bewältigung der körperlichen und psychischen Anforderungen nicht zugetraut, so Engstenberg.

Daran kann sich auch Lucia Wickert, heute Leiterin der Messgruppen und damit einzige weibliche Feuerwehr-Führungskraft auf Kreisebene, noch erinnern. 1990 schloss sie sich als eine der ersten Frauen im Kreis in Menden der Feuerwehr an. "Als ich damals gestartet bin, war das noch ein sehr, sehr seltsames Ereignis", sagt sie. "Die Männer haben abgestimmt, ob ich in die Feuerwehr kommen darf. Und einige haben mich gefragt 'Warum tust du dir das an?'." Inzwischen aber sei das kein Thema mehr: "Die Jungen sind deutlich aufgeschlossener. Es ist zwar immer noch besonders, aber man ist keine Orchidee mehr." Von ihren Kameraden fühlt sie sich anerkannt und wertgeschätzt.

Mehr als nur anerkannt sind auch Carina Hassels und Anja Steenken. Sie gehören bereits seit vielen Jahren den Feuerwehren ihrer Heimatstädte Sankt Augustin und Königswinter an. Während Hassels, 33 Jahre alt und Bankkauffrau von Beruf, sich seit fast 17 Jahren in der Löschgruppe Niederpleis sowie dem sogenannten PSU-Team zur Psychosozialen Unterstützung der Feuerwehrleute im Kreis engagiert, ist Steenken 2007 als Quereinsteigerin zur Löschgruppe Oberdollendorf gekommen. Ihre Kameraden haben Wehrführer Michael Bungarz die 30-jährige Physiotherapeutin vor einiger Zeit sogar als stellvertretende Löschgruppenführerin vorgeschlagen. Im vergangenen Jahr wurde Steenken dann ernannt - als eine von nur drei Frauen im Kreis in dieser Position. "Klar, den ein oder anderen Spruch muss man schon mal verkraften", sagt sie. Aber dann gelte es, "damit zu wachsen und auch schon mal einen Spruch zurückzudrücken".

Obwohl sie von ihren Kameraden "herzlich aufgenommen worden" sei, glaubt Steenken, dass Frauen sich anfangs "schon ein bisschen mehr beweisen" müssten als ihre männlichen Kameraden. Frau dürfe aber auch "nicht einfach sagen 'Die Männer müssen mich aufnehmen und akzeptieren', sondern selber auf die Männer zugehen", so Steenken, die findet, dass "man auch als Frau seinen Mann stehen muss". Ob sie gerne mehr Frauen in der Feuerwehr sehen möchte? Da ist sich die Mutter einer kleinen Tochter nicht sicher: "Zu viele Frauen, das könnte auch schiefgehen", sagt sie im Hinblick auf das Gruppengefüge. "Ich persönlich würde nicht 20 Männer und 20 Frauen haben wollen. Ich muss aber auch sagen, dass ich lieber mit Männern zusammenarbeite." Bei den psychischen Anforderungen der Feuerwehrtätigkeit sieht sie die Männer im Vorteil: "Es ist nicht so einfach, manche Dinge zu verkraften - das muss man ganz klar sagen." Der körperliche Aspekt ist für sie wie für Hassels hingegen kein Thema: "Es gibt männliche Kameraden, die kleiner oder schwächer sind als ich", sagt Hassels, "von daher macht jeder das, was er kann."

Sie selbst hat bei der Feuerwehr unter anderem den Lkw-Führerschein gemacht und steuert nun die tonnenschweren Einsatzfahrzeuge. Negative Reaktionen habe sie schon länger nicht mehr erlebt: "Vor ein paar Jahren meinte noch mal jemand zu mir, dass Frauen seiner Meinung nach in der Feuerwehr nichts verloren hätten. Aber das hört man heute eigentlich kaum noch."

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