Lesung in Schule in Königswinter "Man ahnte nicht, wohin das führt"

KÖNIGSWINTER · Der Bonner Journalist Lorenz Beckhardt las im CJD im Zuge des Rheinischen Lesefestes "Käpt?n Book" aus seinem Buch "Der Jude mit dem Hakenkreuz".

 Deutsche Geschichte brachte auf sehr persönliche Weise Autor Lorenz Beckhardt den Schülern im CJD näher.

Deutsche Geschichte brachte auf sehr persönliche Weise Autor Lorenz Beckhardt den Schülern im CJD näher.

Foto: Homann

Lorenz Beckhardts Opa Fritz war Jude. Ein Jude, der als Glückssymbol freiwillig ein Hakenkreuz auf seinen Kampfflieger, mit dem er zu Einsätzen im Ersten Weltkrieg startete, hatte pinseln lassen. Wie so etwas sein konnte, erläuterte der in Bonn lebende Journalist bei einer Autorenlesung vor mehr als 200 Schülern der CJD-Schule in Königswinter. Unter dem Titel "Der Jude mit dem Hakenkreuz" beschreibt Beckhardt in seinem Buch die bewegende Geschichte seiner Familie und wie er - obgleich im katholischen Glauben erzogen - zu seinen jüdischen Wurzeln fand.

Dass das Hakenkreuzzeichen, das in Indien ein Symbol für die Sonne und somit für Glück ist, wenige Jahre später von den Nazis missbraucht und Millionen Menschen ins Unglück stürzen sollte, konnte Fritz Beckhardt damals nicht ahnen. Vielmehr zogen viele junge jüdische Männer wie er mit Überzeugung und Stolz in den Krieg, "um zu beweisen, wie deutsch man ist", erläuterte Lorenz Beckhardt im CJD.

Im Zentrum der Autorenlesung, die im Rahmen des Rheinischen Lesefestes "Käpt?n Book" für Realschüler und Gymnasiasten ab der Klasse 9 stattfand, standen allerdings nicht die Kapitel des Buches, die von Fritz Beckhardt erzählen, sondern vielmehr die Erlebnisse des 1927 geborenen Kurt Beckhardt - dem Vater des Autors. Betroffen lauschten die Schüler den Jugend- und Kindheitserinnerungen - von den Schmähungen und Hänseleien in der Schule bis hin zum rettenden Kindertransport nach England. Den Recherchen Lorenz Beckhardts zufolge, hat der damals sechsjährige Kurt niemals die Worte seines Vater über die SA-Leute vergessen, die am 1. April 1933 zum Boykott der jüdischen Geschäfte aufriefen, in denen diese selbst bislang "auf Kredit" einkaufen gegangen waren: "Schau sie dir an, Kurtsche! Die Hose vom Judd trachse unn könne se nit bezahle, unn solche Leut rufe gesche uns zum Boykott."

"Viele von euch fragen sich sicher, weshalb die Juden nicht gleich ausgewandert sind, als die Repressionen begannen", so Beckhardt zu den Schülern. Doch sei der Prozess der Verfolgung für viele Juden im Alltag zunächst nicht als direkte Bedrohung empfunden worden, "man ahnte nicht, wohin das führt." Der Autor zeigt ein Foto, das seine Familie im Urlaub an der Nordsee zeigt - trotz des zu diesem Zeitpunkt bereits herrschenden NS-Regimes: "Wie ihr seht, wurde trotzdem auch noch gelacht." Neben den Erinnerungen seines Vaters ließ Beckhardt auch Stationen seines eigenen Lebens Revue passieren, unter anderem seine Schulzeit in einem von Franziskaner-Minoriten geleiteten Internat.

Demütigungen und körperliche Strafen waren an der Tagesordnung. Aber nicht nur Strafen - fassungslos hören die CJD-Schüler zu, wie die "Belohnung" aussah: Herumtollen in Unterwäsche auf einem Bett im Zimmer des Lehrers. "Ist das nicht schon Pädophilie oder sexueller Missbrauch?", traute sich ein Schüler zu fragen. "Ja, das war es", lautete die nüchterne Antwort. Viel Beifall gab es am Ende der rund einstündigen Lesung, die vom Team des Selbstlernzentrums organisiert worden war, für den Autor, der den Schülern ein Stück deutscher Geschichte auf sehr persönliche Art näherbrachte.

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