Interview mit Reinhard Vogt Hochwasser-Experte wirft Königswinter falsche Bebauungspolitik vor

Hochwasser an Donau und Elbe, aber Glück für die Rheinanlieger, weil der große Regen weiter östlich niederprasselte. Über die Schlüsse, die daraus dennoch für Rheinanlieger-Städte wie Königswinter zu ziehen sind, spricht der deutsche "Hochwasser-Papst" Reinhard Vogt, der am Sonntag auch in Günther Jauchs Talkshow zu Gast war.

Herr Vogt, Sie sind momentan ein sehr gefragter Mann. Wo sind Sie zurzeit?
Reinhard Vogt: Wir machen ein Hochwasser-Audit (Überprüfung/Anhörung, Anm. d. Red.) in Neustadt an der Donau. Dabei geht es um die Frage, wie gut die Kommunen auf Hochwasser- oder Starkregenereignisse vorbereitet sind. Trägerin ist die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. In Köln haben wir das zum Beispiel schon vor eineinhalb Jahren gemacht. Meines Erachtens müsste so ein Audit jede Gemeinde durchführen lassen, die gefährdet ist.

Also auch Königswinter?
Vogt: Ja, da würde ich auch ein Audit empfehlen.

Anwohner haben gegen die Bebauung des Sumpfweggeländes mit 15 Häusern und 166 Wohnungen geklagt. Zu Recht?
Vogt: Ja. Was es bedeutet, wenn man - wie in Königswinter - ein oder zwei Zentimeter über dem 100-jährigen Hochwasser baut, haben die Leute an Donau und Elbe gerade sehr schmerzlich erfahren müssen. Wenn diese Ereignisse in das Bewusstsein übertragen würden, würde in Königswinter kein normaler Mensch über eine solche Bebauung nachdenken. Es ist dort kein Hochwasserschutz vorgesehen. Das 110-jährige Hochwasser von früher ist heute aber nur noch das 30- bis 40-jährige Hochwasser. Und die Leute, die da hinziehen werden, sind die gleichen Leute, die nach einer Schadensregulierung schreien und der Stadt vorwerfen werden: Warum habt ihr uns nicht darauf hingewiesen?

Es gibt aber einen alten, rechtskräftigen Bebauungsplan, auf den sich die Stadt beruft ...
Vogt: Aber es gibt heute hoffentlich ein ganz anderes Denken und Handeln im Hochwasserschutz. Auch wenn sich die Sache rein rechtlich anders darstellt. Es ist verrückt, dass man in Königswinter scheinbar Ereignisse vergisst oder vergisst, Ereignisse in anderen Regionen auf Königswinter zu übertragen. Mit einer solchen Bebauung wird dem Fluss der Raum genommen, und man vergrößert auch die Gefährdung für die rheinabwärts liegenden Kommunen.

Der Bebauungsplan wurde im Stadtrat beschlossen, kurz bevor die Neufestsetzung der Überschwemmungsgebiete von der Bezirksregierung bekanntgemacht wurde ...
Vogt: Das ist in vielen Kommunen so geschehen.

Wie fällt der Risiko-Vergleich zwischen den Kommunen am Rhein und den zurzeit betroffenen Städten an der Elbe aus?
Vogt: Durch die Lage Königswinters am Rhein unterhalb der Mosel können sich Hochwasser hier mit einer viel kürzeren Vorwarnzeit einstellen als an der Elbe. Da muss man die Autos am Sumpfweg schnell aus der Tiefgarage holen.

Zur Person
Reinhard Vogt (62) ist bei den Kölner Wasserbehörden beschäftigt. Dort hatte er sich nach und nach immer mehr auf das Thema Hochwasserschutz spezialisiert, und er leitet seit 1995 die Kölner Hochwasserschutzzentrale. In den 1980er Jahren entwickelte Vogt gemeinsam mit einem Kollegen die bekannten "mobilen Wände", die mittlerweile überall in Hochwassergebieten eingesetzt werden.

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