Dreharbeiten zu "Gleißendes Glück" Großes Kino im kleinen Uthweiler

KÖNIGSWINTER · Ein Einfamilienhaus in Uthweiler ist Schauplatz der Dreharbeiten zum Film "Gleißendes Glück" mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur. Ein Besuch am Set.

 Ulrich Tukur und Martina Gedeck in einer Filmszene. FOTO: FRISBEEFILMS

Ulrich Tukur und Martina Gedeck in einer Filmszene. FOTO: FRISBEEFILMS

Helene Brindel und ihr Mann sitzen auf ihrem Sofa und schweigen sich an. Das Sprechen miteinander haben die beiden verlernt. Die Ehe der Brindels ist wortlos und gewalttätig. Heute ist die Stimmung besonders bedrohlich. Gleich wird sie ihm offenbaren, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat, der ihr all das gibt, was sie von ihrem Ehemann schon lange nicht mehr bekommt. Dabei ist Helene Brindel streng katholisch. Die Ehe hat für sie einen hohen Stellenwert.

Die friedliche Szenerie draußen scheint zu dem, was sich im Haus abspielt, nicht zu passen. Es schneit, wie man beim Blick aus dem Wohnzimmerfenster sieht. Bei Temperaturen um die zehn Grad an diesem Novemberabend an der Pfarrer-Wichert-Straße in Uthweiler eine echte Herausforderung für die Spezialeffekte-Techniker. Eine kleine Schneekanone produziert aus Papierzellulose und Wasser dicke Flocken. Da sie nicht tauen, muss hinterher sauber gemacht werden. Überall liegen Matten.

Rund um das große Einfamilienhaus direkt am Waldrand herrscht für einige Wochen der Ausnahmezustand. Die mittlerweile abgeschlossenen Dreharbeiten zur Romanverfilmung "Gleißendes Glück" von Regisseur Sven Taddicken mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur in den Hauptrollen machen die Straße zum Parkplatz für einen ganzen Tross von Begleitfahrzeugen.

In der Dunkelheit ist das Anwesen wochenlang taghell erleuchtet - die Erfordernisse des Films lassen die Nacht mitunter zum Tag werden. Red-Bull-Dosen stapeln sich vor dem Eingang. Dreharbeiten sind purer Stress und erfordern höchste Konzentration. An den letzten Drehtagen beginnen sie erst mittags und dauern teils bis Mitternacht.

[kein Linktext vorhanden]Film Scouts hatten die Immobilie ausfindig gemacht. Laut Drehbuch liegt das Heim der Brindels in der Voreifel. Gesucht wurde daher eine ländlich-katholische Umgebung. Ulrich Tukur ist in Königswinter schon nicht mehr dabei. Seinen Auftritt als gefeierter Wissenschaftler Eduard E. Gluck, der süchtig nach harten Pornos ist, hatte er an den ersten 23 Drehtagen in Hamburg, Berlin und Köln. In ihrem Film-Zuhause in Uthweiler nimmt dagegen das Ehedrama der Brindels, das Martina Gedeck und Johannes Krisch an zehn Drehtagen spielen, seinen Lauf.

Martina Gedeck ist auch sprachlos, wenn sie nicht dreht. Zumindest für den Journalisten. Was auch verständlich ist. "Martina Gedeck spielt eine sehr heftige und intensive Rolle. Und sie ist an allen 33 Drehtagen im Einsatz." Gerade an diesem Abend, dem vorletzten Drehtag, und am folgenden Schlusstag eskaliert die Horrorehe der Brindels. Helene wird von ihrem Mann vergewaltigt.

[kein Linktext vorhanden]Für die intensive Rolle der Helene Brindel sei nur "die Gedeck" infrage gekommen. "Da kommt es auf die große Schauspielkunst an", meint Bickenbach. Auch wenn in Uthweiler die härtesten Szenen des Films gedreht werden, sind die letzten zehn Drehtage für die gesamte Crew so etwas wie eine Belohnung für die anstrengenden Tage in Hamburg und Berlin. "Das in Königswinter ist für uns eine luxuriöse Situation. Im Hamburg hatten wir in einer bewohnten Wohnung nur zwei Tage Zeit für die Dreharbeiten", sagt Chef-Szenenbildnerin Juliane Friedrich.

Das leer stehende Haus in Königswinter konnte Frisbeefilms hingegen für volle zwei Monate anmieten. Die Szenenbildnerin hatte zehn Tage Zeit, das Haus so einzurichten, wie der Film es erfordert. Bis ins kleinste Detail.

Auch Regisseur Sven Taddicken lobt die Location. "Wir sind total froh, dass wir das Haus haben. Wir konnten es genau so gestalten, wie das Drehbuch es erfordert." Man habe wirklich einen guten, ruhigen und passenden Ort gefunden. "Es gibt auch keine Klagen aus der Nachbarschaft", sagt er. Im Gegenteil. Der direkte Nachbar half mit einem Traktor beim Transport des Equipments. Auch einen Laubbläser lieh er dem Filmteam.

Die Produktionsgesellschaft tat ihrerseits alles für eine gute Nachbarschaft und entschuldigte sich mit Handzetteln vorab für eventuelle Belästigungen. "Wir wollten keine verbrannte Erde hinterlassen", sagt Bickenbach. Gedreht wird nur in Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer. Das Zimmer neben dem Wohnzimmer wird zum Regieraum. Über einen Monitor lässt sich die Aufnahme in Echtzeit verfolgen. Hier sitzen auch die Tontechniker. Über Funk wird immer wieder in die Dreharbeiten im Wohnzimmer eingegriffen.

Im Obergeschoss gibt es Räume, in die sich die Schauspieler zurückziehen können. Die Waschküche wird zur Garderobe. Gekocht wird für die 30 bis 40 Teammitglieder, die jeden Tag am Set sind, drei Mal am Tag in einem Bus, der auf der Pfarrer-Wichert-Straße steht. Ein zweiter Bus wird zum Speisesaal. Die Nacht verbringen die Schauspieler auf dem Petersberg, das Team wohnt im Baynunah Hotel. Insgesamt wirken an dem Film zwischen 200 und 250 Personen mit, die alle am Ende im Abspann erscheinen werden.

Durch den Garten verlaufen Schienen. Auf ihnen gleitet der Kameramann mit seiner fahrbaren Dolly-Kamera und filmt durch das offene Schlafzimmerfenster, das eigens für die Dreharbeiten herausgenommen wurde. Zum Glück für den Rasen setzt der Regen erst an den letzten Drehtagen ein. Die ruhige Lage ist auch für den Tontechniker ideal. Die Aufnahmen werden nicht durch den Lärm vorbeifahrender Autos gestört. Die Straßenszenen rund um das Haus der Brindels werden im Übrigen in Potsdam gedreht.

"Es geht um das perfekt zusammengesetzte Bild, welches wir uns bei der Vorbereitung des Kinofilms vorgestellt haben", sagt Bickenbach. "Bei einer so großen Produktion darf man nicht den Zufall walten lassen", so der Produktionsleiter. Schönes Wetter, Regen, Schnee - alles machbar. Aber auch aufwendig. Wie aufwendig? Die Produktionskosten möchte er nicht verraten.

Welturaufführung bei der Biennale in Venedig

Das Liebesdrama "Gleißendes Glück" von Regisseur Sven Taddicken ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans der schottischen Schriftstellerin Alison Louise Kennedy. Die Hauptrollen spielen die Schauspieler Martina Gedeck ("Das Leben der anderen", "Das Ende der Geduld", "Die Wand") sowie Ulrich Tukur ("John Rabe").

Gedreht wurde an 33 Tagen von September bis November in Berlin, Hamburg, Köln und Königswinter. Der Film soll im Herbst oder Winter 2016 in die Kinos kommen. Welturaufführung soll frühestens bei der Biennale im September 2016 in Venedig sein. Gefördert wird der Film von der Film- und Medienstiftung NRW, der Filmförderungsanstalt, dem Medienboard Berlin-Brandenburg, der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und dem Deutschen Filmförderfonds.

Sendepartner sind der Saarländische und Bayerische Rundfunk sowie Arte und Sky Deutschland. Eine Boulevardzeitung beschrieb kürzlich Ulrich Tukur in seiner Filmrolle als "Porno-Professor". "Der Film ist ein Liebesfilm, der sich auch vor der Sexualität nicht versteckt", sagt Produzent Alexander Bickenbach. Das mache ihn aber erst so spannend.

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