Harald und Gisela Müller beherbergen Landschildkröten Gänseblümchen lassen die Gäste links liegen

KÖNIGSWINTER · Panzer-"Invasion" am Drachenfels. 14 griechische Landschildkröten sind bei Harald und Gisela Müller in der Sommerfrische. Ihre Pension auf Zeit ist ein eingezäuntes Refugium mit zwei Häuschen zum Zurückziehen.

 Die Tafel ist gedeckt: Endivien-, Römer- und Eisbergsalat gehören zu den Leckerbissen, die sich die Schildkröten gerne schmecken lassen.

Die Tafel ist gedeckt: Endivien-, Römer- und Eisbergsalat gehören zu den Leckerbissen, die sich die Schildkröten gerne schmecken lassen.

Foto: Oschmann

Eines für die Damen, das andere für die Herren. Otti ist mit 64 Jahren die älteste der Truppe. Mona Lisa wird demnächst 60. Allerdings, solch eine Schildkröte hat durchaus eine Lebenserwartung von mehr als 100 Jahren. Und das Alter kann der Attraktivität der Damen mit ihren ovalen, hübsch gezeichneten Panzern in den Farben Gelb, Oliv und Schwarz ohnehin nichts anhaben.

Die ältesten Männer, Peter und Paul, wirken dagegen mit ihren 45 und 40 Jahren fast wie Halbstarke. Max und Moritz, Siegfried und Roy, Oskar und Emil haben noch nicht mal ein Dutzend Jahre auf dem Buckel. Kleiner bleiben die männlichen Schildkröten sowieso. "Frau Bodo" schlüpfte 2003 aus ihrem Ei, ebenso wie Lucy. Zehn wird Sofie, und Lea ist von 1997. Jede Schildkröte hat sozusagen ihren "Personalausweis" mit Foto und Geburtsdatum.

Der Besuch kündigte sich bereits vor Monaten an. Am Kiosk-Museum von Gisela Müller an der Drachenfelsstraße erzählte ein Stammgast, dass er ein Riesenproblem habe. Die bisherige Pflegestelle für seine Haustiere stehe ihm während seiner Urlaubsreisen nicht mehr zur Verfügung. Ob die Müllers nicht einspringen könnten. Noch war der Sankt Augustiner nicht damit herausgerückt, um welche Art Haustiere es sich eigentlich handelt. "Ich habe an Hunde, Katzen oder Ziegen gedacht", berichtet Harald Müller lachend. Aber doch nicht an Schildkröten. Ein Problem hatte er damit jedoch nicht. "In meiner Kinder- und Jugendzeit war ich oft in der Nibelungenhalle und habe geholfen. Der Umgang mit Reptilien ist mir von daher vertraut."

An den Gästen hat er demzufolge viel Spaß. "Ich könnte Stunden mit dem Beobachten der Tiere zubringen", sagt Harald Müller. Anhand der Fotos weiß er auch genau, welche Männchen sich gerade einen Revierkampf liefern, wer träge ein Sonnenbad genießt oder den Kopf zur Trinkschale senkt. Wehe, ein Kleeblatt sprießt aus dem Boden. Die kleinen, wachen Augen der Schildkröten sehen alles. Ruck, zuck bewegt sich der "Panzer" zielgerichtet auf seinen vier kurzen Beinchen in Position, schiebt den Kopf nach vorn und verschlingt in atemberaubender Geschwindigkeit die Delikatesse. Auch auf die gelben Butterblumen sind die Schildkröten scharf. Gänseblümchen indes lassen sie links liegen.

Die Gasteltern sind instruiert, was den Feinschmeckern aufgetischt werden darf. Gisela Müller: "Wir haben schon Berge von Löwenzahn sowie Spitz- und Breitwegerich gesammelt." Die Schildkröten sind keine Frühaufsteher. Um 11 Uhr krabbeln sie "aus dem Bett", dann wird die Tafel gedeckt. Nachmittags gibt es die zweite Fütterung. Auch Feld- und Endiviensalat, Römer- oder Eisbergsalat sind erlaubt, verboten sind dagegen Kopfsalat, Obst, Gemüse, Gurken und Tomaten.

"Die kennen sich ganz genau", ist Müller überzeugt. Wenn er die Trennwand zwischen Damen- und Herrenbereich unten lässt, "werden die gleich unruhig". Vielleicht auch, weil gerade Paarungszeit ist. Der Pensionär: "Ich zähle immer wieder durch." Ausbüxen können die Schildkröten aus ihrem "Hochsicherheitstrakt" zwar nicht. Aber ein Raubvogel könnte zur Gefahr werden.

Sollte eine der älteren Damen einmal auf dem Rücken landen, stellt Harald Müller sie wieder auf die Beine. Der Königswinterer erklärt: "Die kleineren Schildkröten können sich allein drehen. Die großen nicht, sie würden, wenn sie auf dem Rücken liegen, austrocknen." Gegen 17 Uhr ziehen sich die Herrschaften zurück in ihre Gemächer am Drachenfels. Bei schönem Wetter auch etwas später. Im sonnigen Süden könnte es ihnen kaum besser ergehen.

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