Lesung zum Fall Rauschendorf Diskussion zeigt das Bemühen um Lösungen

Königswinter · Lesen. Zuhören. Diskutieren. Über Gott und die Welt, die oftmals und nicht nur im Fall von Bernadette Knecht, der gekündigten Kindergartenleiterin aus Rauschendorf, nicht so recht übereinkommen wollen. Dazu vier Fachleute, die sich auskennen in der Kirchenwelt.

Die Zutaten waren erster Güte für eine Lesung von Eva Müller, Autorin des Buchs "Gott hat hohe Nebenkosten", die der General-Anzeiger mit dem örtlichen Buchladen am Dienstagabend im Saal Lichtenberg organisiert hat.

"Wenn sich etwas bewegen soll, muss man darüber reden", sagte Norbert Seeger (Buchladen), der mit GA-Redakteur Hansjürgen Melzer die Diskussion moderierte. Er gab damit den Startschuss zu einer spannenden Debatte, die den Blick nach vorn richtete und darauf verzichtete nachzukarten.

Als die Geschichte von Bernadette Knecht bundesweit für Schlagzeilen sorgte, recherchierte die Kölner Journalistin Eva Müller bereits über die Kirche als Arbeitgeber. Da wusste sie bereits, dass der häufigste Grund für eine Kündigung in der Kirche die neue Beziehung nach einer gescheiterten Ehe ist.

Dass 1,3 Millionen Menschen für die beiden großen Kirchen arbeiten und sie damit der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes sind - nach dem Staat selbst. Und dass zwei wichtige Gesetze, die den Arbeitnehmer schützen, in der Kirche nicht gelten. Der Fall Rauschendorf gab dem Buch den entscheidenden Dreh. Es schoss bis auf Platz fünf der Bestsellerliste. Das Thema ist in aller Munde. Besonders in Königswinter.

Die drängendste Frage lautete: Müssen Arbeitnehmer der Kirche auch zwingend dem christlichen Glauben folgen? In einer Institution, die mancherorts zu 100 Prozent vom Staat finanziert wird? Und: Darf man Unterschiede machen zwischen einer Kindergärtnerin und einer Buchhalterin in einer Klinik?

"Die Politik sagt: 'Ihr dürft Euer kirchliches Arbeitsrecht behalten. Aber bitte konsequent und ohne Ausnahme.' Diese Gleichheit wirft Probleme auf", sagte Thomas Traub, Kirchenrechtler von der Universität Köln. Autorin Eva Müller fragte sich, ob es überhaupt noch genügend katholisches Fachpersonal für die vielen Kliniken gebe.

Diakon Udo Casel schüttelte den Kopf: "Wir sind nicht mehr genügend Gläubige und müssen uns verkleinern. Wir sollten lieber Alternative sein und es dort von innen heraus leben." Richtig ist aber auch: Der Staat gibt die Aufgaben an gesellschaftliche Gruppen, wie die Kirche, gerne ab. Er spart dadurch nämlich Geld, viel Geld.

Die Kommune müsste sich mit 21 Prozent an den Kosten beteiligen, die Kirche jedoch nur zu zwölf. Also übernimmt die Kommune gerne den geringeren Anteil. Die Stadt Königswinter müsste eine Million Euro mehr ausgeben, wenn sie alle Kindergärten in kommunale Einrichtungen umwandeln würde.

Ob das der Grund ist, warum die Autorin Müller bundesweit nur einen einzigen Politiker fand, der ihr Rede und Antwort stand? Ob sie befürchteten, sich an diesem pikanten Thema die Finger zu verbrennen? "Ein Politiker hat mir mal gesagt: Ehe die Kritik die Kirche trifft, trifft sie uns", erzählte Müller. Das zeige sich auch in den Parteiprogrammen: Sie gingen heute unkritischer mit der Verknüpfung zwischen Staat und Kirche um als in den 70er Jahren.

Die Sorge einiger Bürger, die Veranstaltung könne in eine Abrechnung mit der Kirche ausarten, erwies sich als unbegründet. Das größte Lob kam aus dem Publikum. Markus Ramscheid, selbst aktiv in der katholischen Kirche, urteilte: "Sachlich, klar, selbstkritisch. Es wurde gemeinsam nach Lösungen gesucht anstatt, getrieben von Emotionen, gegeneinander zu arbeiten." Auch Josef Göbel, 65, lobte: "Ich bin sehr zufrieden. Jetzt weiß ich, wo der Finger in die Wunde gelegt werden muss."

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