Weinlese im Siebengebirge Die ersten Trauben müssen runter

SIEBENGEBIRGE · Worauf es genau ankommt, kann Gerd Simon gar nicht sagen. Es ist mehr ein Gefühl. Schafft der Schlepper den Steilhang noch oder nicht? Zwischen den Weinreben fährt er den schmalen Trecker hoch, hinten drauf steht der große Plastikbottich, in dem die Trauben der Pflücker landen.

Wenn es trocken ist auf dem Weinberg der Winzerfamilie Blöser in Oberdollendorf, krabbelt die Maschine selbst die 45-Prozent-Anstiege problemlos hoch. Aber wenn es regnet und es matschig wird, haben die Winzer im Siebengebirge ein Problem. Seit vergangene Woche die Lese begonnen hat, hoffen die Winzer. Sie hoffen auf anständiges Wetter, und in den ersten Tagen sind ihre Gebete meist erhört worden.

Für die Pflücker ist gerade die Anfangszeit eine Zeit der Überwindung. "Am zweiten Tag schmerzt der Rücken etwas", sagt Marlene Franz. Viele Jahre hilft sie schon bei der Lese aus. Drei bis vier Wochen lang geht sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Reihen entlang, bis die auf 7,2 Hektar bewirtschaftete Fläche abgeerntet ist. "Wenn es nicht gerade regnet, geht es raus an die frische Luft. Insofern ist es wirklich eine tolle Arbeit." Der 13-jährige Lukas sieht es ähnlich: "Man gewöhnt sich schnell daran." Angetrieben wird er außerdem vom Wunsch, sich nach der Schufterei am Nachmittag ein ferngesteuertes Auto mit eigenem Brennstoffmotor leisten zu können.

Am Waldrand duften die Trauben der Müller-Thurgau-Reben, die auf dem Weingut als erstes geerntet werden. In den kommenden Wochen folgt die Ernte von Sorten wie Riesling und Weißburgunder. Auch rote Trauben sind dabei. Die Sonne hat es in den vergangenen Monaten gut gemeint mit den süßen Früchten. Winzermeister Bernd Blöser geht von einem anständigen Jahrgang aus. "Es sieht alles danach aus, aber es kommt eben auch auf die nächsten Wochen an", sagt er.

Die Pflücker, allesamt aus der Umgebung, können nur an trockenen Tagen ausrücken. Ist es zu nass, besteht die Gefahr, dass mehr Trauben faulen und der Ertrag geringer ausfällt. An beständigen Tagen schaffen die Erntehelfer acht bis zehn Bottiche à 350 Kilogramm, die im Betrieb verarbeitet werden. Die Rückstände aus Früchten und Zweigen, der sogenannte Trester, wird als Düngemittel wieder in die Rebenreihen eingearbeitet.

"Bei uns wird nichts weggeschmissen", sagt Werner Franz, der mit Gerd Simon im Meisterbetrieb angestellt ist. Weinfreunde müssen allerdings bis zum nächsten Jahr warten, bis die gekelterten Weine in den Verkauf kommen. Auch auf dem Weingut der Familie Pieper in Rhöndorf und Königswinter "ist bisher alles gut gelaufen, um einen schönen Jahrgang zu keltern", sagt der studierte Weinbauer Felix Pieper. Bislang seien die Winzer von Schädlingen wie dem Mehltau genannten Pilz verschont geblieben. Auch bei Piepers ist die Lese längst in vollem Gange.

Karl-Heinz Broel vom gleichnamigen Rhöndorfer Weingut hat etwas später als die Kollegen, nämlich gestern, mit der Lese begonnen. "Mengenmäßig haben wir einen guten Ertrag erzielt", zieht er erste Bilanz. Und: "Die Trauben hängen sehr gut. Durch den Regen der letzten Tage sind sie noch sehr schön dick geworden." Dass seine Helfer im Mittel ein wenig später in den Weinberg gehen, hat damit zu tun, dass Broel die hartschaligen Weißweinsorten Kerner, Riesling, Scheurebe und Müller-Thurgau anpflanzt, die etwas mehr Sonne vertragen.

Als erstes wird bei ihm jetzt der Müller-Thurgau gelesen, dann folgen Kerner, Scheurebe und schließlich der Riesling. Seine Helfer im Hang sowie zusätzlich ein Mann an der Kelter werden schätzungsweise bis Mitte Oktober noch im Wingert anzutreffen sein. "Die Trauben werden ja am selben Tag verarbeitet", sagt Broel. Der Trend gehe laut dem Winzer mittlerweile eher zu den jungen, etwa ein Jahr alten Weinen. "Die Ungeduld ist doch sehr groß geworden", sagt er. "Richtige Weinkenner warten lieber ein Jahr länger."

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