Hannah-Stiftung in Königswinter "Der Samen ist schon aufgegangen"

KÖNIGSWINTER · Sieben Jahre nach dem brutalen Mord an dem 14-jährigen Mädchen aus Oberdollendorf hat ihr Vater Volker Wiedeck im Kampf gegen sexuelle Gewalt 380.000 Euro eingesammelt.

 Gedenken an Hannah: Nach wie vor pflegen die Oberdollendorfer das Wegekreuz und die Stele an der Cäsariusstraße.

Gedenken an Hannah: Nach wie vor pflegen die Oberdollendorfer das Wegekreuz und die Stele an der Cäsariusstraße.

Foto: Frank Homann

Termine wie am Montag in Düsseldorf sind für Volker Wiedeck Alltagsgeschäft. Wenn es auch nur selten um eine Spendensumme von 15 000 Euro geht, die der Vorsitzende der Hannah-Stiftung gegen sexuelle Gewalt bei der Weihnachtsspendenaktion des Bankhauses HSBC Trinkaus & Burkhardt AG einsammeln durfte.

Zu Wiedecks Tätigkeiten gehören Spendenakquise, Beantwortung von E-Mails, Vorbereitung von Veranstaltungen wie das Benefizkonzert des Beethoven-Trios, das am 10. Mai 2015 bereits zum fünften Mal auf dem Petersberg stattfindet, oder eine Vernissage im Gymnasium zum Altenforst in Troisdorf am 14. Dezember.

In Düsseldorf bei der Preisverleihung gab es dann auch wieder so eine Situation, bei der Volker Wiedeck schlucken musste. Eine Bankmitarbeiterin fragte ihn, warum denn die Stiftung den Namen Hannah trage. Eine Frage, die ihm in der Region eher selten gestellt wird. Hier ist der brutale Mord an seiner 14-jährigen Tochter im August 2007 in Oberdollendorf noch gut im Gedächtnis. "Es ist zwar nicht mehr diese Riesenanteilnahme wie damals. Aber es gibt ungebrochen immer weiter aus der Region Spenden zum Beispiel von Beerdigungen oder runden Geburtstagen. Das finde ich höchst erfreulich", sagt Wiedeck.

Auch das Jonglieren mit inzwischen durchaus beachtlichen Geldbeträgen gehört zu seinem ehrenamtlichen Job. "Ich achte darauf, dass immer mindestens 15 000 Euro auf dem Konto des Fördervereins sind, um Projekte unterstützen zu können", sagt Wiedeck. Da die Stiftung nur einmal im Jahr ausschüttet und angesichts der niedrigen Zinsen kaum mehr als 8000 Euro zusammenkommen, spielt der Förderverein eine besondere Rolle. Das Präventionsprojekt "Mein Körper gehört mir" an den Grundschulen liegt Volker Wiedeck dabei besonders am Herzen. "Es gibt auch Kinder, die sich geoutet haben, Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein, nachdem sie den Kursus besucht haben."

Als "Gegengift" hat er die Stiftung vor Jahren einmal bezeichnet. "Aus dem Grauslichen etwas Positives wachsen zu lassen" sind heute seine Worte. Deshalb unterstützt er Opfer von sexueller Gewalt und deren Eltern. Deshalb versucht er, Kinder bereits im Vorfeld besser zu wappnen. Während er sich damals wie ein Berserker in die Arbeit für die Stiftung stürzte, machten seine beiden älteren Töchter ihm den Vorwurf, nicht mehr genug für die Familie da zu sein. Jeder entwickelte eine andere Art und Weise, mit dem Unfassbaren umzugehen.

"Es war ein Kunststück, damals die Balance zu halten", sagt Wiedeck. Seine Frau arbeitete aber von Beginn an im Vorstand des Fördervereins mit, der Aktionismus ihres Mannes war ihr jedoch fremd. "Inzwischen erzählt auch meine Tochter Linda ihren Freunden von der Stiftung. Die Mädchen wissen, dass ihre Schwester durch die Stiftung weiter präsent ist. Und sie wissen inzwischen selber, was es für einen Schlamassel auf der Welt gibt. Und dass es nicht verkehrt ist, ein bisschen dagegen zu sein." Auf der anderen Seite habe er aber auch gelernt, dass genügend Zeit für die Familie bleiben muss.

Auch nach dem Auszug der Töchter wohnten Wiedecks noch lange in der Kantstraße in Oberdollendorf, wo Hannahs Zuhause war, unweit von der Stelle, wo sie damals aufgefunden wurde. Erst vor zwei Jahren zogen sie nach Thomasberg. Geblieben ist der Hass auf den Täter, auch wenn Volker Wiedeck nicht, wie viele andere Eltern es wohl getan hätten, am liebsten Lynchjustiz geübt hätte. "Auge um Auge macht uns doch alle blind. Das führt zu nichts." Er finanziere da lieber Projekte. "Diesen Samen in Hannahs Namen in die Welt zu streuen, ist eine gute Sache. Und es ist schön, dass der Samen in vielen Fällen schon aufgegangen ist."

Die Stiftung

Die im Jahr 2008 gegründete Hannah-Stiftung hat von Ende 2008 bis Ende 2013 insgesamt 157 Projekte begleitet. Dabei wurden 192 000 Euro ausgegeben. Weil aus der Stiftung nur die Zinsen eingesetzt werden können und diese niedrig sind, werden viele Projekte aus Spenden an den Förderverein finanziert. Das Stiftungskapital beträgt 380 000 Euro.

Außerdem rief die Hannah-Stiftung gemeinsam mit der Bonner Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt das Präventionsprojekt "Mein Körper gehört mir" ins Leben, das aus drei zweckgebundenen Spenden der Colonia Real Estate in Höhe von 102 000 Euro finanziert wurde. Im laufenden Jahr wird der Kursus in mindestens zwölf Schulen durchgeführt. In den vergangenen Jahren haben mehr als 1000 Schüler an den Kursen teilgenommen. Eine Spende in Höhe von 25 000 Euro erhielt die Stiftung auch von einer Erbengemeinschaft.

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