Lemmerzhallen in Königswinter "Der Ratsbeschluss ist ein Skandal"

KÖNIGSWINTER · Die Kulturschaffenden aus Königswinter und dem Siebengebirge protestieren in einer gemeinsamen Erklärung gegen den geplanten Abriss der Lemmerzhallen.

Nachdem der Stadtrat in der vergangenen Woche den Abriss der Hallen bis zum 25. Januar 2016 beschlossen hatte, haben die Künstler außerdem das Rheinische Amt für Denkmalpflege eingeschaltet.

Helmut Lorscheid vom Verein Antiform schrieb gestern die Behörde an. "Sind die Lemmerzhallen bereits als Industriedenkmal bei Ihnen erfasst? Wenn nein,warum nicht? Was geschieht nun, nachdem Sie Kenntnis von dieser Erklärung haben?", heißt es dort.

"Die Erhaltung der Hallen ist von öffentlichem Interesse", sagte Ulrike Ries-Staudacher von Antiform gestern bei einem gemeinsamen Termin im Kunstforum Palastweiher. Die Hallen erfüllen nach ihrer Kenntnis als Industriedenkmal aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Voraussetzungen. Eine Prüfung des Amtes für Denkmalpflege hätte aufschiebende Wirkung.

"Stoppt den geplanten Abriss der historischen Lemmerzhallen! Investiert in die Zukunft statt in Schutt und Asche!", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der AG Kunst und Kultur der Lokalen Agenda 21, Antiform, der Gemeinschaft Königswinterer Künstler (GKK), des Kulturbüros 7 Mountains Music Night und des Vereins Pro Klassik. Das Geld für den Abriss sollte besser in die Renovierung der Hallen gesteckt und diese als Kulturzentrum genutzt werden. Die Vereine werfen der Stadt Ideenlosigkeit und fehlende Kreativität vor. "Die Hallen sind ein Industriedenkmal der Sonderklasse.

Nach einem solchen Gebäude würden sich andere Städte die Finger lecken. Es fehlt an Enthusiasmus und Visionen. Der Ratsbeschluss ist ein Skandal", sagte Heinz Zöller von der Lokalen Agenda, der nach eigener Aussage auch für das Atelier Meerkatze, die Art Lounge und das Kunstforum Palastweiher sprach. Auch der Projektentwickler des Factory Outlet Centers hätte den Wert der Hallen erkannt. "Das ist eine Kulturschande erster Güte."

"Wir sind sehr enttäuscht, dass es zu der Situation gekommen ist", meinte Helmut Reinelt (Antiform). Ihm lägen Anfragen von Personen vor, die die Hallen gerne nutzen würden. "Konkret gibt es eine Anfrage, 1000 Quadratmeter zu einem marktüblichen Preis zu mieten. Die Hallen sind für Künstlergruppen eine allererste Adresse", so Reinelt. Den Aufruf der Künstler sähen er und seine Mitstreiter als letzte Chance, am Abriss noch etwas zu ändern. "Wir bitten, dies noch einmal zu überdenken." Heimo Thomas von der Arbeitsgruppe AMP (Altstadt Masterplan) kritisierte, statt über Ziele nachzudenken würden irreversible Fakten geschaffen. "Nahezu alle Entscheidungen in Königswinter werden aus sehr kurzfristigen wirtschaftlichen Erwägungen getroffen."

Es gebe viele Vorschläge für die Nutzung der Hallen. Eine Idee für das Verwaltungsgebäude, das nicht abgerissen werden soll, hat der GKK-Vorsitzende Gerd Sander. "Es würde sich hervorragend für die Tafel eignen." Nach der Verwüstung der Räume am Küferweg hat die Awo zurzeit keine Bleibe für die Lebensmittelausgabe an Bedürftige.

Sozialdemokraten kritisieren Abrissbeschluss

"Der jetzt gefasste Beschluss ist eine Katastrophe. Er ist absurd." SPD-Fraktionschef Jürgen Kusserow machte bei der Sommerpressekonferenz der Königswinterer Sozialdemokraten seinen Ärger über den beschlossenen Teilabriss auf dem Lemmerzgelände Luft.

Wie berichtet hatte der Stadtrat beschlossen, die Hallen auf dem Lemmerzgelände abzureißen, das Verwaltungsgebäude aber zu erhalten. Hintergrund für die Eile bei der Entscheidung: Laut Vertrag muss sich die Firma Lemmerz nur dann an der Entsorgung der Altlasten beteiligen, wenn die Gebäude vor dem 25. Januar 2016 abgerissen und entsorgt werden. Sonst muss die Stadt die Entsorgungskosten alleine stemmen.

Die Sozialdemokraten glauben durchaus, dass man die Hallen "bespielen" könne, das hätten ähnliche Gelände beispielsweise in Siegburg gezeigt. Man müsse zwar auch an die Konsequenzen für den Haushalt denken, "aber man muss auch darüber nachdenken, was planerisch für die Stadt am Besten ist. Vorstellbar sei neben dem Erhalt aller Gebäude auch, nur das Verwaltungsgebäude abzureißen, dass im Gegensatz zu den Hallen keinen Charme habe und zudem stark belastet sei.

Wenn man zu dem Schluss komme, dass ein Abriss unumgänglich sei, weil nur so ein Investor für das Gelände gefunden werden könne, "dann lasse ich doch nicht das am meisten belastete Gebäude stehen. Kusserows Fazit: "Da ist der Koalitionsfrieden vor den Verstand gegangen.

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