Vortrag über das legendären Königswinterer Stadttheater Der Glanz vergangener Zeiten

KÖNIGSWINTER · "Schwarzwaldmädel": Eine Operette von August Neidhardt in drei Akten, Intendant: Willi Gehlen, Aufführungsstätte: Stadttheater Königswinter, Eintrittspreis: 0,20 Reichsmark.

Nur noch erahnen lässt sich die Pracht des ehemaligen Theatersaales. Zuletzt war dort ein Stoffwarengeschäft untergebracht.

Nur noch erahnen lässt sich die Pracht des ehemaligen Theatersaales. Zuletzt war dort ein Stoffwarengeschäft untergebracht.

Foto: Frank Homann

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Zeit zwischen 1945 und 1948, war Königswinter eine kulturelle Hochburg in der Region. Denn dort war ein Theater entstanden, dessen Anziehungskraft weit über das Siebengebirge hinaus wirkte.

"Mitten im völligen Chaos des Mai 1945 entstand das Theater an der Hauptstraße", erzählte Elmar Scheuren, Leiter des Siebengebirgsmuseums, der zu einem Vortrag über das Spielhaus eingeladen hatte. Die kurze Geschichte des Theaters: in seinen Augen "eine echte Kuriosität".

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kostprobe" stellte Scheuren das ehemalige Stadttheater vor. Er projizierte Zeitdokumente an die Wand, ordnete sie in den historischen Kontext ein und erzählte von Anekdoten, die ihm Zeitzeugen des Theaters im Gespräch verraten hatten.

Die Kulturschaffenden hätten kurz nach Kriegsende nach einem Saal Ausschau gehalten, der heil geblieben war. In Bonn etwa sei die Suche vergebens gewesen. Das Einzige, was aus den Kriegstrümmern hervorschien und den Anforderungen gerecht wurde, war ein Gebäude in Königswinter: der Königswinterer Hof mit seinem großen Saal und einer Gastronomie im vorderen Teil.

Was dann folgte, waren legendäre Zeiten für die kleine Stadt am Rhein - sogar Grethe Weiser trat dort auf. Zeitnah kam ein festes Ensemble zusammen. Den Grundstock aus professionellen Schauspielern und Musikern ergänzten zahlreiche Hobbyakteure und Statisten.

Die Dokumente, die Scheuren den Gästen zeigte, erweckten den Glanz vergangener Tage wieder zu Leben, so wie es Bilder und Fotografien oft besser können als tausend Worte. Porträtfotografien, die die Schauspieler im Profil zeigen, vermittelten gemeinsam mit Szenenbildern ein nostalgisches Bild der drei Spieljahre inmitten der Königswinterer Altstadt. Insbesondere die Szenenbilder sind es, die zeigen, welch Aufwand und Professionalität hinter den Inszenierungen stand.

Kunstvoll gestaltete Bühnenbilder, ein eigenes Orchester, dem es an nichts fehlte - und dann die Kostüme. Traumhafte Roben spiegelten den Rockabilly-Stil der 1940er wieder und hie und da sah man ein Strumpfband unter dem Petticoat der Tänzerinnen und Schauspielerinnen hervorblitzen.

"Es gab einen Mitarbeiter, der einzig für die Kostüme zuständig war", erzählte Scheuren. "Viele Kostüme wurden für die Inszenierungen genäht, andere wurde ausgeliehen." Es sei auch mal vorgekommen, dass der Kostümverantwortliche, ein gewisser Willi Friesecke, bis nach Hamburg gefahren sei, um passende Roben abzuholen.

Die Porträtfotografien indes, zeigten, dass der Glamour der Königswinterer Akteure, dem von Stars wie Doris Day, Marlene Dietrich oder Clark Gable in nichts nachstand. "Viele große Karrieren haben hier begonnen", so Scheuren.

Kurt Herrlinger etwa, der später quasi zum Hauskomponisten des Westdeutschen Rundfunks avancierte, sammelte hier seine Bühnenerfahrungen. "Er erzählte mir, dass er später immer wieder auf frühere Kollegen aus den Stadttheaterzeiten getroffen sei", so Scheuren.

Das Ende des Spielhauses kam so abrupt wie sein Erscheinen. "Mit der Währungsreform im Juni 1948 kam das Ende", so Scheuren. Fast auf den Tag genau habe das Publikum nachgelassen. Der Vorhang schloss sich für immer.

Der Theatersaal, den Scheuren auf die 1920er Jahre datiert, besteht noch - so wie das gesamte Gebäude: Hauptstraße 379. Jahrzehnte lang war dort ein Stoffwarengeschäft. Zuletzt hatte die Stadt im Herbst vergangenen Jahres von ihrem Vorkaufsrecht für den ehemaligen Königswinterer Hof Gebrauch gemacht.

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