Hotel Petersberg Das Gästehaus mit Seele wird renoviert

Königswinter · Man fragt sich schon, ob ein Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland diesen Anspruch erfüllen kann, auch wenn es das feine Haus auf dem Petersberg mit diesem außergewöhnlichen Klang und dieser bewegten Historie ist: Immer wieder wird von seiner "Seele" gesprochen.

Der tiefe Hauch von Geschichte, den es atmete; den es immer noch atmet, wenn auch nicht mehr mit den ganz großen Staatsempfängen, die längst im Schloss Bellevue in Berlin stattfinden. Was macht die Seele eines Bauwerks aus? Wie nimmt es all die Mythen, Legenden, die im Protokoll festgehaltenen Wahrheiten und die leisen oder polternden Verstöße gegen die politische Ordnung auf? Eine Betrachtung:

Die Sanierung kam einem Neubau gleich

Die Bundesrepublik Deutschland hat Staatsgäste bereits von 1954 bis 1969 auf dem Petersberg empfangen, allerdings damals noch als Mieter. 1969 stieg der Breidenbacher Hof als Betreiber aus, weil das Geschäft keinen Gewinn abwarf. Das Haus verfiel zunehmend. In seiner jetzigen Architektur ist das imposante Hotel im Jahr 1990 offiziell eröffnet worden, von Beginn an übrigens unter der Leitung der Steigenberger Hotelkette.

Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte sich 1979 mit seinen Vorstellungen durchgesetzt, den Petersberg für 18,5 Millionen D-Mark mit Gebäuden und Grundstücken der Familie Mülhens (der das Parfümunternehmen 4711 gehörte) abzukaufen. Ab 1985 begannen die Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen (Kosten: rund 130 Millionen Mark), die im Grunde einem Neubau gleichkamen. Im Zuge dessen entstand auch die Rotunde, und der Eingang zum damaligen Kurhotel wurde an die heutige Stelle verlegt. Umstritten war diese riesige Investition im Parlament bis zum Schluss, zumal die Sanierungskosten letztlich ziemlich aus dem Ruder liefen.

Ein Raum für jedes Bundesland

Prominente Gäste auf dem Petersberg
14 Bilder

Prominente Gäste auf dem Petersberg

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Die Eingangshalle mit der hohen Decke ist angenehm kühl in diesen heißen Tagen. Und Soledad Sichert, die seit Langem für "Bonntouren" durch das Hotel führt, ist wieder einmal unterwegs, um einer Schar Neugieriger zu zeigen, wo die politischen Größen gewohnt, diskutiert, gespeist, getrunken und bis in die Nacht hinein erbittert verhandelt haben. "Das Interesse an solchen Führungen ist ungebrochen groß", sagt sie. Im Salon Sachsen zeigt die gelernte Dolmetscherin das Meißner Porzellan, eine Leihgabe des Landes. So wie ja überhaupt die Einrichtung dieses Gästehauses eine schwierige Geschichte der Parität ist. "Sie steht unter der Prämisse, dass der Staat seine ganze Vielfalt zeigt", erklärt Soledad Sichert.

Jedes der zehn alten Bundesländer erhielt also einen Raum entsprechend der Größe und Bedeutung zugewiesen und konnte ihn mit landestypischen Inhalten füllen. So gehört sich das in einem Föderalstaat mit all seinen Empfindlichkeiten und dem dringenden Wunsch, Gehör zu finden für die eigenen Belange. Dieses Verlangen dringt bis heute immer wieder durch. Und prompt fehlten dem Gästehaus 1990 zur Eröffnung nach fünfjähriger Bauzeit fünf ausgestattete Räume, weil die politische Wirklichkeit die BRD wieder einmal auf links gedreht hatte.

Durch die Wiedervereinigung verschoben sich auch auf dem Petersberger Parkett plötzlich die Prioritäten. Berlin, bislang mit einem vergleichsweise kleinen Raum ausgestattet, brauchte dringend einen repräsentativen Salon und übernahm den von Nordrhein-Westfalen. Der Regierungsumzug war noch nicht beschlossene Sache, aber es war bereits klar, dass Berlin mit Inkrafttreten des Einigungsvertrags Hauptstadt werden würde.

Adenauer verstößt gegen das Protokoll

Für H. G. Gerhards, den gebürtigen Bonner, blieb der Petersberg Mittelpunkt seines Arbeitslebens - er ist es bis heute. Seit der Neueröffnung leitet er die Abteilung für EDV und Sicherheitstechnik im Hotel. Wer mit ihm die langen Korridore entlang schreitet, erfährt zu jedem der Bilder, die die Wände zieren, eine Geschichte: "Für mich ist dieser Ort von einer besonderen Aura umgeben."

Für die junge Bundesrepublik beginnt die mit dem Petersberg verknüpfte Geschichte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Einzug der Hohen Kommissare der Siegermächte im Jahr 1949 und einem raffinierten Verstoß des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer gegen das Protokoll. Der Rhöndorfer betrat den Teppich, der protokollarisch den Hohen Kommissaren vorbehalten war. Ein kleines Vergehen, so scheint es, das in seiner Symbolik aber einem Affront glich. Es sollte die Ansprüche Deutschlands untermauern, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.

25 Verhandlungstage später, alleine am letzten Tag mit elfstündiger Abschlussdiskussion, steht das Petersberger Abkommen. Es ebnet Deutschland den Weg in die Souveränität. Als erster offizieller Staatsgast wird 1954 der äthiopische Regent Haile Selassi empfangen. Des Weiteren kommt Königin Elizabeth II. 1968, die ihr eigenes Teewasser mitbringt.

1973 wird das Gästehaus nach einer Teilsanierung kurzzeitig für den sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew geöffnet. Als Gastgeschenk bekommt er einen Mercedes, den er fast zu Schrott fährt. "In der ersten Rechtskurve hat er die Kurve nicht gekriegt", erzählt Führerin Soledad Sichert. Dass er einstieg und Probe fuhr, war selbstredend in keinem Protokoll vorgesehen. Wie viel Wodka der trinkfeste Breschnew intus hatte, ist nicht überliefert. Solche Geschichten machen die Seele dieses Hauses aus.

Bei allen großen Namen, ob Michail Gorbatschow, der Schah von Persien, Kaiser Akihito von Japan, US-Präsident Bill Clinton oder der ägyptische Staatspräsident Husni Mubarak, sind dem leitenden Hoteltechniker Gerhards zwei Erinnerungen besonders im Gedächtnis haften geblieben. Als Jassir Arafat, längst verstorbener Palästinenser-Führer, dort residierte, habe das Gästehaus einer Geisterstadt geglichen, erzählt er. Höchste Sicherheitsvorkehrungen, keine sonstigen Gäste waren zugelassen. "Die Personenschützer waren Schränke, wie ich sie selten gesehen habe."

Ganz anders der Besuch des Dalai Lama. Für den bescheidenen Tibeter musste das Bett aus dem Zimmer entfernt werden, weil er auf dem Boden zu schlafen pflegt. "Als er die Pressekonferenz betrat, hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Ohne vorherige Absprache der Medien. So etwas habe ich noch nicht erlebt." So still waren die Journalisten nicht immer. Mit den Fernsehanstalten mussten weitgehende Absprachen getroffen werden. Ihre Bedürfnisse finden sich auch in der Architektur wieder. In der Wand auf dem Weg zum Staatsbankett sind Nischen in die Wand eingearbeitet, in denen Staatsgäste und Minister vor den Kameras Rede und Antwort stehen können.

Den ganz großen medialen Angriff erwartet das Hotel aber 1995 bei der Hochzeit des Rennfahrers Michael Schumacher und seiner Frau Corinna in der Petersberger Kapelle. "Mehr als 20 Hubschrauber haben versucht, aus der Luft Bilder zu schießen. Mit einem Heißluftballon waren sie letztlich erfolgreich", sagt Soledad Sichert. Nach diesen Begebenheiten wird sie heute noch oft gefragt.

Der Blick reicht bis Köln

Die Aussicht hat selbst den erklärten Umzugsverfechter, Altkanzler Gerhard Schröder, nicht unberührt gelassen: "Das gibt es kein zweites Mal", soll er bei einem Besuch gesagt haben. An klaren Tagen reicht der Blick bis nach Köln und in die Eifel. Das "Bundesdorf", wie es die Parlamentarier zu Hauptstadtzeiten nannten, erscheint auf einmal gar nicht mehr so klein, sondern als Einheit mit seiner Umgebung.

Kein schlechter Ort, um erfolgreich zu verhandeln. In den vergangenen Jahren sind auf dem Petersberg wichtige Klimakonferenzen, die Innenministerkonferenz und 2001 die Afghanistankonferenz abgehalten worden. Ranghohe Politiker haben dort den Syrienkonflikt besprochen. Die politische Bedeutung bleibt, auch wenn die Bundesrepublik lange nicht mehr von ihrem alleinigen Belegungsvorrecht Gebrauch macht. Es kann also durchaus passieren, dass die Politiker in dem einen Trakt zusammentreffen, während im anderen Flügel gerade eine Hochzeitsgesellschaft tanzt. Die Zeiten ändern sich. Um die Vergangenheit erhalten zu können, muss man sich in der Gegenwart verändern. Das gilt nicht nur für die menschliche Seele, sondern auch für die von Gästehäusern.

Der Berg ist fünf Millionen Jahre alt

Wie das gesamte Siebengebirge ist der 336 Meter hohe Petersberg im Zeitalter des Miozäns bei einem Vulkanausbruch entstanden. Das liegt weit mehr als fünf Millionen Jahre zurück. Am südöstlichen Rand liegt das Stollensystem der Ofenkaulen, ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen im Siebengebirge Trachyt abgebaut wurde.

Heute liegt der Petersberg mitten im Naturschutzgebiet Siebengebirge, umgeben von Ländereien des Verschönerungsvereins Siebengebirge und der Nordrhein-Westfalen-Stiftung. Die Bewaldung mit Rotbuchen im Siebengebirge liegt erst gut hundert Jahre zurück. Unter der Herrschaft der Preußen entwickelte sich ein bewusster Naturschutz.

Sogar die Pflanzen im Park stehen unter Denkmalschutz

Das Gesamtensemble Petersberg steht unter Denkmalschutz. Dazu gehört die Hotelsilhouette ebenso wie die Bepflanzung. Der Schutz besteht als Bodendenkmal nicht nur für die Kapelle, sondern auch für die Grundmauern der Klosterkirche, die frühgeschichtliche Wallanlage und die Parkanlage. Der Petersberger Bittweg, letzter von einst vier Wallfahrtswegen auf den Petersberg, ist mit seinen zwölf Stationskreuzen ebenfalls als Denkmal eingetragen.

Abgesehen von der Anmutung steht das Hotel und Gästehaus auf dem Petersberg allerdings nicht unter Denkmalschutz. Von der alten Bausubstanz ist seit dem 19. Jahrhundert kaum etwas erhalten geblieben.

Erneute Sanierung kostet 35 Millionen Euro

Die Bundesrepublik wollte den Petersberg vor einigen Jahren eigentlich abstoßen und suchte einen Käufer. Vor drei Jahren verkündete die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als heutige Eigentümerin, dass man sich entschlossen habe, das Gästehaus zu behalten und für 35 Millionen Euro umfangreich zu sanieren. Die detaillierten Pläne werden am Dienstag an Ort und Stelle bei einer Pressekonferenz offiziell vorgestellt.

Bereits Anfang des Jahres teilte die Bundesanstalt mit, dass die klassische Einrichtung an die heutigen Bedürfnisse angepasst werden müsse. Ausgebaut werden soll beispielsweise die Außengastronomie des Restaurants "Rheinterrassen" mit einem Verkaufspavillon, um künftig mehr Tagesausflügler bewirten zu können. Ein neuer Weg soll unterhalb des Hotels entstehen. Der Bau muss allerdings den strengen Regeln des Naturschutzes genügen.

In den derzeit 99 Gästezimmern des Fünf-Sterne-Hauses, die von funktionalen Räumen bis zur Staatsgäste-Suite reichen, möchte man sowohl das Interieur überarbeiten als auch den Brandschutz auf den neuesten Stand bringen. Die Rotunde, Verbindung zwischen Hotel und Restaurant, ist ebenfalls renovierungsbedürftig. Sie dient heute neben weiteren 14 Tagungsräumen im Hotel den Gästen als Konferenzunterkunft. Bis 850 Teilnehmer finden dort Platz.

Die Infos des Hotels gibt es hier.

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