Nachtigallental in Königswinter Das Bett des Hitelbach ist zu eng

KÖNIGSWINTER · Neun Monate lang war das Nachtigallental nach dem verheerenden Unwetter im Juni 2013 wegen Verwüstung und sturzgefährdeter Bäume gesperrt. Erst im März 2014 konnte der beliebte Wanderweg wieder geöffnet werden. Doch bleibt das auch so? In Königswinter gibt es die Sorge, dass der Weg wegen der geplanten Renaturierung des Hitelbaches dauerhaft verloren gehen könnte.

 Ortstermin im Nachtigallental (v.l.): Michael Groß, Christoph Schwarz und Norbert Kuhn.

Ortstermin im Nachtigallental (v.l.): Michael Groß, Christoph Schwarz und Norbert Kuhn.

Foto: Frank Homann

Die Gerüchte werden durch zweierlei genährt. Zum einen durch den Handlungsdruck seit dem 20. Juni 2013, als der Hitelbach im Laufe eines Unwetters 130 Kubikmeter Schlamm und Geröll Richtung Altstadt in Bewegung setzte. Dies führte zu erheblichen Schäden und sogar zu einer vorübergehenden Sperrung der Bundesbahnstrecke.

Eine Rolle spielt auch der Wechsel in den Eigentumsverhältnissen. Die NRW-Stiftung hat der Familie Streve-Mülhens in diesem Jahr große Teile des Nachtigallentals abgekauft. Genau gesagt 5,6 Hektar. Das Gebiet wird vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) betreut, dem ebenfalls ein halber Hektar gehört.

Bei dieser Konstellation läuten bei manchem die Alarmglocken: Fällt der Weg der Renaturierung des Baches zum Opfer? Doch dem widerspricht Achim Baumgartner, Sprecher des BUND Rhein-Sieg. "Der BUND tritt dafür ein, dass die Wegeverbindung an sich erhalten bleibt", sagte er dem General-Anzeiger. Dies sehe auch eine Vereinbarung mit der NRW-Stiftung vor. "Wir wollen aber eine neue Raumaufteilung finden, das heißt der Weg muss schmaler und der Bach breiter werden", so Baumgartner. Die Erhaltung des Weges sei auch ausdrücklicher Wunsch des Verkäufers gewesen. Dieter Streve-Mülhens junior bestätigt dies. Er hat den Eindruck, dass auch die Naturschützer es ernst meinen. "Der BUND will wirkungsvoll unter Beweis stellen, dass er solche Dinge auch durch die Brille der Bevölkerung sehen kann", sagt er.

Ortstermin im Nachtigallental

Bei einem Ortstermin trafen sich dieser Tage Kreisumweltdezernent Christoph Schwarz, Norbert Kuhn von der Wasserbehörde des Rhein-Sieg-Kreises und Michael Groß, zuständiger Geschäftsbereichsleiter der Stadt, um über mögliche Maßnahmen zu sprechen. Der Wasserverband hat die Aufsicht über alle Gewässer im Kreisgebiet. Der Kreis könnte zudem eine Renaturierung mit Geldern aus dem Naturschutzgroßprojekt Chance 7 finanzieren.

"Die Einfassung des Baches entsprach damals dem Schönheitsempfinden. Heute möchte man eine Durchgängigkeit der Gewässer. Man müsste Stufen und Mauern zurückbauen", sagt Kuhn. Bei einer normalen Sohlbreite von zwei bis drei Metern statt zum Teil nur 20 Zentimetern wäre auch ein größeres Unwetter kein Problem. Gerade im oberen Teil des Nachtigallentals käme eine enorme Erosion hinzu. Kuhn vergleicht den Hitelbach mit dem Fonsbach im Rhöndorfer Tal. "Da ist die Sohle zwei bis drei Meter breit. Ein Gewässer ist nur dann stabil, wenn es im Gleichgewicht ist", sagt er. Der Hitelbach sei dies eindeutig nicht.

Gutachten nach Unwetter

Nach dem Unwetter vor zwei Jahren hat der Wasserverband ein Gutachten erstellen lassen. Mit dem erwarteten Ergebnis, dass der Bach zu wenig Platz hat. In diesem Zusammenhang hat man sich auch über eine Verlegung des Weges an den Hang Gedanken gemacht. Was aus Sicht des Tourismus schlecht wäre, schließlich ist der Weg überaus beliebt. "Die Situation bei Hochwasserlagen hat sich aber so verschärft, dass man sich fragen muss, ob wir es uns noch leisten können, an alten Lösungen festzuhalten", gibt Christoph Schwarz zu bedenken. Durch die Sicherungsmaßnahmen im Nachtigallental sei zwar Zeit gewonnen worden, die Diskussion über die Zukunft müsse aber dennoch jetzt geführt werden. "Die Frage ist, ob wir weiter nur reparieren wollen oder ob uns eine bessere Lösung einfällt." Eine solche Lösung könnte die Verlegung des Weges sein. "Die Gretchenfrage ist natürlich, wie die Touristiker damit klar kommen."

Baumgartner will davon jedoch nichts wissen. "Der Störraum würde durch eine Verlegung des Weges an den Hang eher noch größer werden. Ich bin sicher, dass man das Problem auch anders in den Griff bekommen kann", sagt er. Vorstellbar wäre etwa ein schmalerer Weg am Bach. "Wir sehen das als Herausforderung, gute neue Lösungen zu erreichen. Das ist gerade das Spannende."

Michael Groß machte deutlich, dass die Stadt den Weg aus touristischer Sicht in jedem Fall erhalten möchte. Er sieht aber auch die Probleme. "Das ist zurzeit keine optimale Wasserführung. Aus technischer Sicht ist sicher eine Aufweitung des Baches erforderlich", meint er.

Der Hitelbach

Der Hitelbach ist von Menschenhand zugunsten des Weges so stark zurückgedrängt worden, dass er an einigen Stellen nur 20 Zentimeter breit ist. Zudem wurden im Bachbett in der Vergangenheit Einfassungen und Stufen aus Stein gebaut. Auf einer Länge von etwa 50 Metern wurde der Bach sogar komplett durch ein Rohr geführt, er hat sich mittlerweile jedoch selbst aus diesem Korsett befreit. Der Bach nagt so stark am Wanderweg, dass die Stadt dort zur Sicherheit ein Holzgeländer als Absturzsicherung aufgestellt hat.

Bisher hat die Stadt für die Familie Streve-Mülhens die Verkehrssicherungspflicht übernommen; als Gegenleistung dafür, dass der Weg für die Öffentlichkeit frei gehalten wurde. In Zukunft übernimmt dies der bundeseigene Dienstleister Bundesforst für die NRW-Stiftung.

Stefan Kisteneich von der NRW-Stiftung über die Pläne zur Renaturierung des Hitelbachs

In den nächsten Tagen wird die NRW-Stiftung mit der Eintragung im Grundbuch endgültig neue Eigentümerin des Nachtigallentals. Mit Stefan Kisteneich, Referatsleiter Naturschutz bei der NRW-Stiftung, sprach Hansjürgen Melzer.

Ist Ihnen bewusst, welche Probleme mit dem Erwerb des Nachtigallentals auf die NRW-Stiftung zukommen?
Stefan Kisteneich: Die NRW-Stiftung besitzt bereits über 5000 Hektar Land. Wir wissen, worauf wir uns einlassen. Wir müssen einerseits erreichen, dass Starkregenereignisse wie 2013 möglichst keine gravierenden Schäden mehr anrichten. Gleichzeitig wollen wir entsprechend unserem Satzungsauftrag einen möglichst naturnahen Zustand von Wald und Gewässer erreichen. Dabei darf aber auch der Heimatgedanke, also was die Bevölkerung an Emotionen mit dem Tal verbindet, nicht zu kurz kommen. Das ist wie eine Gleichung mit drei Unbekannten, die eigentlich nicht zu lösen ist.

Wie wollen Sie das Problem dennoch angehen?
Kisteneich: Wir haben uns mit dem BUND als Miteigentümer noch nicht abgestimmt und stehen ganz am Anfang. Es ist aber klar, dass wir den Charakter des Tals auf keinen Fall auflösen wollen, indem wir zum Beispiel die Hänge kahl schlagen. Wenn akute Baumsturzgefahr droht, kann es aber durchaus erforderlich werden, dass wir das Tal vorübergehend wieder sperren müssen.

Was passiert mit dem Weg?
Kisteneich: Der Ausbauzustand des jetzigen Weges ist deutlich überdimensioniert, auch wenn man ihn mit ähnlichen Wegen im Siebengebirge vergleicht. Das Tal ist auf der Sohle sehr eng. Der massive und teilweise befestigte Wegekörper drängt den Hitelbach auf eine Talseite, dort erodiert der Bach dann die Talflanke. Rutschungen und Baumsturz sind die Folgen. Bei Starkregen schießt das Wasser in dem verengten Bachbett zu Tal und flutet die Kanalisation. Bei einer Ortsbesichtigung vor sechs Wochen haben wir spontan erste Überlegungen diskutiert: Etwa eine Aufstelzung des Weges wie zum Beispiel im Tretschbachtal, so dass sich der Bach unter dem Weg wieder frei entfalten könnte. Oder den Rückbau des Weges zu einem schmalen Wandertrail, der dann aber bestimmte Nutzergruppen wie Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen ausschließen würde. Oder die Nutzung eines Parallelweges an der Hangschulter, den es dort schon gibt und mit dem man die besonders schwierigen Passagen umgehen könnte.

Wie geht es jetzt weiter?
Kisteneich: Wir müssen uns zunächst auf mögliche Sofortmaßnahmen vorbereiten. Mittel- bis langfristig wollen wir eine Dauerlösung gemeinsam mit dem Wasserverband, dem Rhein-Sieg-Kreis, der Stadt und dem BUND erarbeiten. Dabei könnte das Projekt Chance 7 für ein finanzielles Polster im Hintergrund sorgen. Ich fände eine Lösung gut, bei der wir einen naturnahen Zustand des Hitelbachs hinbekommen, den Menschen ein ungetrübtes Naturerlebnis bieten können und als Eigentümerin ruhig schlafen können, was unsere Verkehrssicherungspflicht angeht. Wie die Lösung am Ende aussehen wird, weiß ich aber noch nicht. Was wir sicher nicht wollen, ist ein weiterer technischer Ausbau des Gewässers - etwa durch ein Regenrückhaltebecken. Das wäre fatal.

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