Spurensuche im Siebengebirge Auf der Suche nach Helenes Nachfahren

SIEBENGEBIRGE · "Mein Geburtsort ist Gladitz bei Kretschau. Geboren wurde ich den 7. September 1875. Meine Eltern waren sieben Jahre verheiratet, als ich als erstes Kind geboren wurde. Dreiviertel Jahr danach ist mein Vater Eduard Fröhlich gestorben." Am 1. November 1930 begann Helene Wahren, ihre Erinnerungen aufzuschreiben.

 Helene Wahren mit ihren beiden Kindern Martin (l.) und Edith. Das Foto entstand um 1908.

Helene Wahren mit ihren beiden Kindern Martin (l.) und Edith. Das Foto entstand um 1908.

Foto: privat

Und fortan, bis zu ihrem Tod im Jahr 1949, Tagebuch zu führen. Das geschah in Trebnitz im heutigen Sachsen-Anhalt, wo sie seit Beginn ihrer zweiten Ehe lebte. Auf kuriose Weise gelangten die 29 vollgeschriebenen Kladden in die Hände ihres Urgroßenkels Daniel Wahren. Und nun ist der Musiker aus Detmold auf der Suche nach Nachfahren dieser Helene, die im Siebengebirgsraum leben könnten.

Wahren transkribierte unter Mithilfe einer älteren Dame die in Kurrentschrift verfassten Texte. "Es ist atemberaubend, die reale Sicht einer nicht gebildeten Bäuerin auf die Ereignisse in ihrer kleinen Welt, aber auch der großen Geschichte nachzuvollziehen. Das Lesen dieses Tagebuchs ist, als würde man eine Serie im Fernsehen schauen."

Seine Uroma war zweimal verheiratet. Von ihrem ersten Ehemann Otto Wahren ließ sie sich scheiden. Er sprach dem Alkohol zu, die junge Frau hatte die Arbeit auf dem Hof zu bewältigen, außerdem drei Kinder, Magdalene, Waldemar und Cäcilia, zu versorgen hatte. Um 1902 heiratete sie Arno Kornmann, der auch ihre Ersparnisse einsetzte, um ein Gut in Trebnitz zu erwerben. Wie die Tagebuchschreiberin jedoch später vermerkte: "Ich kam vom Regen in die Traufe."

Zwei weitere Kinder bekam Helene - Martin und Edith. Der etwa 1903 geborene Sohn leitete später das Gut. 1955 wurde Martin Kornmann von der DDR enteignet. Daniel Wahren: "Er zog nach Bad Honnef oder Königswinter und muss um 1980 verstorben sein. Er hinterließ vier Kinder - Ruth, Hubert, Amelie und Heidi, die zwischen 1930 und 1940 geboren wurden." Wahren ist nun auf der Suche nach diesen Verwandten. "Die Töchter könnten durch eine Eheschließung ihren Geburtsnamen abgelegt haben. Ich würde mich freuen, Nachfahren zu finden."

Der 47-Jährige möchte ihnen gern die Aufzeichnungen, die er in Buchform gebracht hat, schenken und sie teilhaben lassen an der spannenden Geschichte eines Lebens. Es war geprägt von harter Arbeit, zwei Weltkriegen, aber auch einigen besonderen Erlebnissen, die sich Helene nur durch Sparsamkeit, aber auch durch Unterstützung ihrer Verwandten leisten konnte. So war sie 1913 bei der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig dabei und sah den Kaiser. Sie fuhr mit dem Schiff auf dem Rhein, nichtahnend, dass später einmal Sohn Martin, der die Ackerbauschule in Köstritz besucht hatte, hier im Westen eine neue Heimat finden sollte.

Sohn Waldemar aus der ersten Ehe war Daniel Wahrens Großvater. Helene, die auf eine Ausbildung ihrer Kinder Wert legte, schrieb in ihrem Tagebuch über die Kochlehre Waldemars, der auch in London und Liverpool tätig war. Später übernahm er das Gasthaus "Die Walhalla" in Gera. Auch er wurde enteignet und reiste als alter Mann in den Westen aus. Sein Sohn, Daniel Wahrens Vater, ein Hirnforscher und Nervenarzt, lebte zu der Zeit schon in Friesland. Er erhielt die Tagebücher von einem Verwandten, einem Zahnarzt. Die Gegenleistung: Er schrieb für ihn die Doktorarbeit über die Nerven der Zähne. Daniel Wahren sagt lachend: "Das gab es damals schon. Aber meinen Vater interessierte die Geschichte seiner Großmutter sehr."

Die Original-Aufzeichnungen will der Musiker und Stadtführer von Detmold später dem Deutschen Tagebucharchiv zur Verfügung stellen. Jetzt hofft er darauf, Nachfahren von Helene Kornmann zu finden. Das Gutshaus existiert übrigens noch - heute ist es der Trebnitzer Beeren- und Straußenhof.

Wer Informationen hat, kann sich an Daniel Wahren unter der Rufnummer 05231/300677 oder per E-Mail an musicus.varus@gmx.de wenden.

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