Fall Paulus Angeklagter bereut, seinen Kindern so viel Leid bereitet zu haben

KÖNIGSWINTER/BONN · Was ist die gerechte Strafe für den Mann, der seine Frau Sigrid Paulus erwürgte, sie im Keller im Sockel eines Weinregals einbetonierte und seinen Kindern jahrelang weismachte, die Mutter habe die Familie verlassen? Für Anklägerin Henrike Baumgarten stand die Antwort im Prozess gegen den Königswinterer vor dem Bonner Schwurgericht fest: Sie beantragte, den 52-Jährigen wegen Totschlags zu acht Jahren Haft zu verurteilen.

Die Staatsanwältin ist auch sicher: Als der Angeklagte seine Frau Sigrid Paulus am Morgen des 14. Februar 2008 während eines Streits minutenlang würgte, bis der Tod eintrat, war er voll schuldfähig. Zu diesem Ergebnis war auch der psychiatrische Sachverständige gekommen.

Auch wenn die Tat im Affekt geschehen sei, so habe dieser Affekt das Bewusstsein des Angeklagten nicht so tiefgreifend gestört, dass sich das schuldmindernd auswirke, hatte Dr. Wolfgang Schwachula erklärt. Denn Menschen mit einer schweren Bewusstseinsstörung verhalten sich laut Gutachter nach der Tat anders als der Angeklagte: Wenn sie wieder zu sich kämen, seien sie sehr betroffen, riefen um Hilfe und fingen nicht an, die Tat systematisch und gezielt zu vertuschen.

Dem schließt sich Staatsanwältin Baumgarten in ihrem Plädoyer an und stellt fest: Die Tat geschah aus einer für das Ehepaar ganz gewöhnlichen Situation heraus. Wie so oft machte Sigrid Paulus ihrem Mann, der sich Problemen mit dem Sohn, mit Arbeitslosigkeit und Schulden nicht stellte, sondern alles wegschob, Vorhaltungen.

Wie immer wiegelte er ab; sie schubste ihn, er schubste sie, sie stürzte, schlug mit dem Kopf auf, wurde nun richtig wütend. Sie schrie, packte ihn an den Armen, und da passierte es: Er legte ihr die Hände um den Hals und würgte sie. "Er wollte schlicht seine Ruhe, und um dieses Ziel zu erreichen, hat er zugedrückt, bis sie tot war", so die Anklägerin.

Im Prozess habe er geradezu "analytisch" geschildert, was er dann getan habe: "Er hat das Problem systematisch abgearbeitet und die Ehefrau und Mutter seiner Kinder im Keller einbetoniert." Dort, wo jeder aus der Familie in den folgenden Jahren ein und aus ging. "Entsetzen über seine Tat und den Tod der Frau, die er angeblich liebte, waren im Prozess bei ihm nicht zu erkennen", so die Staatsanwältin.

Zugunsten des Angeklagten, der vor Gericht das Bild eines konfliktscheuen und konturlosen Menschen geboten habe, spreche, dass es keine geplante, sondern eine spontane Tat gewesen sei und er sie gestanden habe. Gegen ihn spreche aber, dass er seine Kinder, die unter dem angeblich wortlosen Verschwinden der Mutter litten, jahrelang belogen habe. Vor allem seine Tochter, die sich ständig mit Schuldgefühlen und der Hoffnung gequält habe, dass die Mutter zurückkomme, leide nun massiv unter dem Vertrauensbruch.

Wie sehr die Ungewissheit über das Schicksal von Sigrid Paulus die Familie quälte, machen die Anwältinnen der Kinder und der Schwestern der Getöteten noch einmal deutlich. Und dass viele Fragen für die Familie einfach noch nicht beantwortet seien. So plagten die Tochter große Zweifel, ob der Vater überhaupt die Wahrheit gesagt habe darüber, was im Bad passiert sei, hält ihm deren Anwältin Gudrun Roth vor.

Die 21-Jährige habe ihr gesagt: "Ich möchte, dass mein Vater in Zukunft auf der Ehrlichkeitsschiene fährt." Roth zum Angeklagten: "Ihre Tochter will Ihnen nichts Schlechtes, aber auch nichts Gutes. Das Urteil ist Sache des Gerichts." Aber die Tochter habe ihr auch gesagt: "Für mich gibt es keine Gerechtigkeit, die mir das wiedergibt, was ich verloren habe."

Verteidiger Benedikt Pauka bittet schließlich um ein mildes Urteil für seinen Mandanten, der Probleme habe, sein Inneres nach außen zu kehren. Der 52-Jährige wolle jetzt alles tun, um das Vertrauen seiner Kinder wiederherzustellen. Dann hat der Angeklagte das letzte Wort, und zum ersten Mal zeigt er Gefühle. Heftig weinend sagt er: "Ich bereue meine Tat sehr, und dass ich meinen Kindern so viel Kummer und Leid bereitet habe." Das Urteil wird am Montag gesprochen.

Eine Chronik der Ereignisse

  • 14. Februar 2008: Der heute 52-Jährige erwürgt seine Ehefrau Sigrid Paulus nach einem Streit im Badezimmer ihres Reihenhauses in Ittenbach. Die Leiche betoniert er an den darauffolgenden Tagen im Keller ein. Den Kindern erzählt er, die Mutter sei mit Hab und Gut ausgezogen und habe die Familie verlassen.
  • Dezember 2012: Anscheinend auf Drängen der inzwischen erwachsenen Tochter wird eine Vermisstenanzeige erstattet. Die Polizeiermittler sehen Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt, da Sigrid Paulus sich überhaupt nicht mehr gemeldet hat. Erstmals berichten auch die Medien über den Fall.
  • Januar 2013: In einem Fernseh- Interview mimt der Aushilfskellner den Ahnungslosen.
  • 16. Oktober 2013: Gleiches gilt bei seinem Auftritt in der Sendung "Aktenzeichen XY", wo der Fall der vermissten Sigrid Paulus vorgestellt wird.
  • 30. Oktober 2013: Bei einer Hausdurchsuchung zeigt der Angeklagte den Polizeiermittlern die Stelle im Keller des Wohnhauses, an der er die Leiche seiner Frau einbetoniert hat. Er wird vorläufig festgenommen.
  • 31. Oktober 2013: Das Bonner Amtsgericht erlässt einen Haftbefehl wegen Totschlags. Seitdem sitzt der 52-Jährige in Untersuchungshaft.
  • 14. November 2013: Auf dem Friedhof in Königswinter-Ittenbach wird Sigrid Paulus unter großer Anteilnahme der Bevökerung beigesetzt.
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