2. Weltkrieg Am 22. April 1944 verloren 56 Menschen in Königswinter ihr Leben

SIEBENGEBIRGE · An den Tag der Beerdigung erinnert sich Dieter Runge noch ganz genau. Als die Opfer des Bombenabwurfs vom 22. April 1944 auf dem Friedhof am Palastweiher beigesetzt wurden, gab es Salutschüsse.

 Von den Bomben wurde ein mit Kaffee beladener Güterzug getroffen. Juliane Jonas schaute den Fotografen an (Bildmitte).

Von den Bomben wurde ein mit Kaffee beladener Güterzug getroffen. Juliane Jonas schaute den Fotografen an (Bildmitte).

Foto: Dieter Runge/Siebengebirgsmuseum

"Wir Kinder haben uns die Patronenhülsen gekrallt", erinnert sich der damals fünf Jahre alte Runge heute noch. Runge wohnt seit 40 Jahren in Bad Honnef, in der Königswinterer Altstadt wuchs er auf. Zum Erbe seines Vaters gehören knapp 80 Fotos, die die Stadt nach dem Bombenabwurf zeigen - eindrucksvolle Zeugen des Leids, das auch vor Königswinter nicht halt machte.

Derartige Aufnahmen von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind selten, da das Fotografieren von Bombenschäden streng verboten war. Es passte nicht zur Propaganda der Nazis. Dabei blieb Königswinter im Zweiten Weltkrieg von Bombenangriffen weitgehend verschont.

Die Angriffe der Alliierten, die längst die Lufthoheit über Deutschland hatten, galten den nahen Großstädten und Industrieanlagen. Auch wenn in Königswinter immer häufiger die Sirenen heulten, interessierten sich die Alliierten nicht sonderlich für die Stadt. Außer an jenem Samstag, dem 22. April 1944, als rund 20 Bomber die Altstadt als Ziel auserkoren hatten.

[kein Linktext vorhanden]Gegen 19 Uhr wurde Vollalarm ausgelöst. 45 Minuten später erschien über dem Petersberg ein Verband feindlicher Flugzeuge, der sich ins Rheintal senkte. Der Angriff richtete sich vermutlich gegen die Lemmerzwerke, tatsächlich wurden jedoch die benachbarten Wohnviertel und die Longenburg getroffen. In der Altstadt wurde das Hotel "Berliner Hof" vollständig zerstört.

Am 22. April 1944 starben 56 Menschen bei Bombenabwurf
7 Bilder

Am 22. April 1944 starben 56 Menschen bei Bombenabwurf

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An dessen früherer Stelle steht heute das Sea Life Center. Insgesamt starben damals 56 Menschen. 600 Bürger verloren ihr Dach über dem Kopf. Vorübergehend war die Stadt ohne Gas- und Wasserversorgung. Über 1000 Mittag- und Abendessen wurden jeden Tag an die Bevölkerung ausgegeben, wie Jean Assenmacher in seinem Buch "Meine kleine Welt - Liebesbrief an eine Stadt" schrieb.

Hinter dem Datum 22. April 1944 stehen viele Einzelschicksale. So wie das von Juliane Jonas aus Heisterbacherrott. Die Bomben hatten auch einen mit Kaffee beladenen Güterzug getroffen. Die hübsche Frau sammelte zusammen mit anderen Königswinterern die kostbaren Bohnen aus den Trümmern auf. Als der Fotograf den Auslöser drückte, schaute Juliane Jonas genau in die Kamera.

60 Jahre später vermachte sie dem Siebengebirgsmuseum das Foto und ein Glas mit Kaffeebohnen. Beides ist dort heute in der Dauerausstellung zu sehen. "Als in Hitlers kurzem 1000-jährigen Reich eine Bombe im Krieg einen Waggon mit Kaffeebohnen in Königswinter zerstörte, habe ich mit Angst vor der Polizei diese Kaffeebohnen aus den Trümmern aufgelesen und für den dringenden Notfall aufbewahrt.

Den Rest davon habe ich versteckt", schrieb die inzwischen verstorbene Juliane Jonas als Erläuterung zu ihren Ausstellungsstücken. Die Longenburg verlor damals einen ihrer beiden Türme, die die Fassade des stattlichen Gebäudes flankierten. Dabei ließ die Gräfin Kesselstadt mit ihren zwei Kindern ihr Leben. Zwei weitere Kinder wurden verschüttet, konnten aber gerettet werden. Auch der Graf überlebte.

Warum die Longenburg bombardiert wurde, ist bis heute ein Geheimnis. Man vermutet, dass der Pilot das Gebäude für einen Bahnhof hielt, weil die Bahngleise um sie herumführten. Was die Bomben damals nicht schafften, holten die Bagger dann Ende der 1950er Jahre nach. Im Zuge der Erweiterung der Lemmerzwerke wurde die Longenburg komplett abgerissen.

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