Flüchtlinge in Uckerath Flüchtlingsfamilien aus Syrien haben eine Bleibe gefunden

HENNEF · Die neue Heimat ist kalt, nass und verwirrend. Deutschland ist ein fremdes Land mit fremden Gepflogenheiten. Doch zwei Familien aus Syrien riskierten alles, um es zu erreichen. Denn in der alten Heimat warteten nur Hunger und Tod auf sie.

 Platz ist in der kleinsten Hütte: Khaled (2.v.l.) und Khaldoun Sbinati (4.v.l.) mit ihren Familien und Rudolf Hielscher (3.v.r.).

Platz ist in der kleinsten Hütte: Khaled (2.v.l.) und Khaldoun Sbinati (4.v.l.) mit ihren Familien und Rudolf Hielscher (3.v.r.).

Foto: Andreas Dyck

In Hennef-Uckerath haben die Flüchtlinge nun in den Wohnräumen über einer ehemaligen Metzgerei Zuflucht gefunden. Der Inhaber hilft ihnen, Fuß zu fassen. Statt einer Massenunterkunft gibt es für die Flüchtlinge persönliche Betreuung. Ein Beispiel, das zeigt, wie gelungene Integrationspolitik aussehen kann.

Es sind Bruchstücke, kurze Gesprächsfetzen, die den Schrecken und die Strapazen der Flucht erahnen lassen. Die zwei Brüder Khaled Sbinati, 37, und Khaldoun Sbinati, 33, aus Damaskus, ihre Frauen und die sieben Kinder, haben Syrien vor etwa einem halben Jahr verlassen. Zuvor hat eine Rakete die Wohnung eines der Brüder getroffen. Durch Glück wird niemand verletzt.

Die Stadt ist zerstört, es gibt wenig zu essen. Vier Cousins der Brüder sind getötet worden. "Sie haben sie vor unseren Augen abgeschlachtet", erzählen die beiden. Für einen Moment ist es still in dem Raum. Die Sbinatis, so ihre Aussage, würden in Syrien als Regimegegner gelten.

Als Rudolf Hielscher erstmals auf die Familien trifft, wirken sie erschöpft, blass und verunsichert. Der 75-jährige Hielscher hat von den Flüchtlingen gehört. Davon, dass dringend Wohnraum für sie gesucht wird. Hielscher will helfen, denn er weiß, was es bedeutet, Flüchtling zu sein. Seine Familie wurde nach dem Krieg aus Schlesien vertrieben.

Ihm gehört die Wohnung über der ehemaligen Metzgerei, die unbewohnt ist, und die er den Flüchtlingen zur Verfügung stellt. Doch damit ist es nicht getan: Er besorgt Hausrat, Kleidung und Spielsachen für die Kinder. Eine Freundschaft entsteht.

Um die Sprachbarriere zu überwinden, steht ihm Susanne Hassan, die aus Syrien stammt, ehrenamtlich als Dolmetscherin zur Seite. "As-Salamu Aleykum", ruft er, wenn er zu Besuch kommt. "Opa, Opa", rufen die Kinder. Er lernt nun Arabisch, die Familien Deutsch. Als besonders hilfreich erweist sich Hielscher, wenn es um den Gang zu Behörden, Schulen oder Ärzten geht. "Ich dachte mir, du kannst nicht nur Nächstenliebe predigen", so der 75-Jährige. "Du musst auch was dafür tun."

Zwei Monate dauerte die Flucht der Sbinatis. Über Jordanien, Libyen und Ägypten fliehend fuhren die zwei Flüchtlingsfamilien schließlich mit einem Boot über das Mittelmeer. Ein gefährliches Unterfangen. Sie erreichten Italien, schlugen sich bis in die Niederlande durch, übernachteten an Bahnhöfen und auf der Straße und standen schließlich völlig mittellos am Bahnhof in Aachen.

Polizisten griffen sie auf. Die Furcht vor den Beamten sei zunächst groß gewesen, doch die Polizisten halfen, brachten Decken und Essen. "Wir waren sprachlos, dass die Polizei sich um uns gekümmert hat", sagt Khaled Sbinati.

Wer Deutschland als Flüchtling erreicht, wird zunächst einem Bundesland zugewiesen. Nach einem festgelegten Schlüssel werden Flüchtlinge auf die Länder und dort auf die Kommunen verteilt. In NRW ist dafür die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Hier können Flüchtlinge Asyl beantragen. Im vergangenen Jahr haben das mehr als 200 000 Menschen in Deutschland getan. In Hennef leben knapp 260 Flüchtlinge, 26 muss die Stadt noch unterbringen.

Es werde versucht, die Menschen nicht in Heimen, sondern in Wohnungen zu beherbergen, so Sozialamtsleiterin Waltraud Bigge. Das erleichtere die Integration. Es gibt Bürger, die fürchten sich vor den Fremden. Auch Bigge gegenüber äußern Menschen Sorge.

Doch Bigge glaubt, dass solche Ängste durch gute Betreuung genommen werden. In Hennef erleichtern Integrationspaten wie Hielscher das Einleben. Es werden ehrenamtlich geführte Sprachkurse angeboten, auf die Asylsuchende sonst kein Anrecht haben. "Wir versuchen, eine Willkommenskultur zu schaffen", so Bigge.

Drei Zimmer, eine Küche und ein Bad teilen sich die beiden Familien. Auf den Betten der Kinder liegen Plüschtiere. Als Ahmad, der zehnjährige Sohn, die tiefen Betten sieht, erschreckt er sich zunächst. "Wo soll ich mich denn vor den Raketen verstecken?", fragt er. Inzwischen hat er verstanden, dass er in seiner neuen Heimat keine Raketen fürchten muss.

"Wir sind Deutschland einfach nur dankbar", sagt sein Vater Khaled Sbinati. "Hier gibt es Sicherheit, keine Bomben und Raketen." Für die Familien steht aber fest, dass sie ihr Land wieder aufbauen wollen - sobald sich die Lage in Syrien ändert. Und sie möchten, dass Rudolf Hielscher sie dann in ihrer Heimat besucht.

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