GA-Serie "Eine Stunde mit..." Ein Besuch beim Hennefer Tätowierer Markus Adolphs

HENNEF · Es ist 10.17 Uhr. Für einen Moment ändert das Brummen der Rotario seine Frequenz, und Tim beißt auf die Zähne. Kleine schwarze Tropfen treten aus der Haut seines Oberarms. Mit einer schnellen Bewegung lässt sie Tätowierer Markus Adolphs in einem Stück Küchenrolle verschwinden. Zum Vorschein kommt ein verschnörkeltes "M".

"Tim arbeitet immer gut mit", sagt der Mann mit den Latexhandschuhen, bevor er sich wieder dem durchtrainierten Oberarm seines Kunden zuwendet. "Sicher schon zehnmal" hat der 27-Jährige auf der schwarzen Liege von Adolphs Platz genommen, und sich von ihm behandeln lassen. Jetzt ist es der "3er Liner", mit dem Adolphs behutsam bis in die zweite Hautschicht des Zollbeamten vordringt, und dort eine filigrane Linie hinterlässt.

"Tätowieren tut immer weh", sagt der 41-jährige Fachmann. "Wer etwas anderes erzählt, der lügt." Grau gefärbte Haut, die zwischen dem Ärmel seines Strick-Sweaters und dem schwarzen Gummihandschuh hervorschaut, lässt erahnen, dass Adolphs weiß, wovon er spricht. "Daran erkennt man, ob ein Tätowierer an sich selbst geübt hat oder nicht. Ein Arm ist immer ganz dunkel, und der andere hell", erzählt er schmunzelnd, während er mit der Nadel ein "A" in Tims Haut markiert.

Die Wände von Adolphs' Tattoostudio "Lebenslänglich" in Hennef schmücken Poster, Fotos und Zeichnungen: Neben einer Cobra, einer Friedenstaube und Rosenknospen hängt ein Segelschiff aus dem 19. Jahrhundert eingerahmt über seinem Arbeitsbereich.

Nicht alle Motive hat Adolphs tätowiert, doch dokumentieren sie den Ursprung seiner Leidenschaft: "Ich habe als Kind viel gezeichnet. Dann habe ich mir irgendwann mein erstes Tattoo machen lassen, und dachte: 'Das sieht ja ganz einfach aus, das kannst du auch'." Inzwischen ist neben einem geschwungenen "G" auch ein "D" auf dem Arm von Tim zu erkennen.

Einen offiziell anerkannten Ausbildungsweg gibt es für das "Handwerk mit künstlerischer Komponente" (so die Einordnung des Bundessozialgerichts von 2007) in Deutschland nicht, von besonderen Gewerbevorschriften ganz zu schweigen. Die meisten Tätowierer sind Autodidakten.

Auch Adolphs hat sich das Tätowieren selbst beigebracht: "Meine erste Maschine musste ich wirklich im Studio kaufen. Das hat schon Überwindung gekostet, den Tätowierer zu fragen", erinnert er sich. Mehr als 20 Jahre ist das her. Immer wieder tunkt er die Nadel in den kleinen Plastikbecher mit der schwarzen Tinte, und lässt bei Tim nach einem zweiten "A" ein "L" und ein "E" entstehen.

Auf die Idee, das Tätowieren zum Beruf zu machen, war der gelernte Kfz-Mechaniker und Energieanlagenelektroniker anfangs aber noch nicht gekommen. "Ich habe das erst nur für mich selber gemacht. Irgendwann meinte mein bester Kollege: 'Mach mir auch eins!'"

So habe er immer öfter für Freunde und Bekannte zur Nadel gegriffen. Vor 17 Jahren gewann ein Freund mit einer seiner Tätowierungen einen Wettbewerb bei einer Fachmesse. Der Pokal steht noch bei Adolphs in der Vitrine. Nach dem Erfolg wagte er damals den Schritt ins Profigeschäft.

Längst ist der Körperschmuck gesellschaftsfähig geworden. Selbst Typen, wie der volltätowierte "Tattoo-Theo", der von einem Poster herabblickt, erregen heute kaum noch Aufsehen. "Man sieht, wie populär Tätowieren geworden ist", so Adolphs. "Früher gab es in Köln vielleicht 20 Studios, heute 120, 130. Und inzwischen kann man auch in kleinen Städten wie Hennef überleben."

Für wenige Sekunden ist nur die Musik aus dem Radio zu hören, denn die rotierenden Magnetspulen, denen die Rotario ihren Namen verdankt, sind verstummt. Das Outlining ist abgeschlossen, und der Tätowierer muss die Nadel wechseln: Statt der 3er- steckt er nun eine 7er-Nadel auf die Maschine, denn an ein paar Stellen sollen die Buchstaben noch dicker werden.

Während Adolphs ein letztes Mal Hand anlegt, berichtet er, dass sich mit der Zeit auch sein Kundenstamm gewandelt habe. Viel mehr Leute aus der Generation der 50- bis 60-Jährigen kämen mittlerweile zu ihm, um sich ihr erstes Tattoo stechen zu lassen: "So wie zuletzt eine Frau. Die kam und meinte 'Bevor ich 50 werde, muss ich noch mal richtigen Blödsinn machen'." Sein ältester Kunde war 78 Jahre alt.

Mittlerweile ist es 11.04 Uhr. Adolphs stellt die Maschine ab und wischt ein letztes Mal mit der Küchenrolle über sein Werk. "Hast du es dir so vorgestellt?", fragt er Tim. "Ja", antwortet der. "Magdalena" steht nun in geschwungenen Lettern auf seinem Arm. "Das ist für meine Schwester", sagt er, bevor Markus Adolphs seine Haut desinfiziert und mit Frischhaltefolie umwickelt. Schwimmbad und Sauna soll der junge Mann die nächsten Tage meiden. Doch der nächste Termin bei Adolphs ist schon gebucht.

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