Vertraglicher Naturschutz Der Versuch, die Zeit anzuhalten

RHEIN-SIEG-KREIS · Der Hennefer Landwirt Bernd Schmitz bewirtschaftet 15 Hektar Vertragsnaturschutzfläche im Auftrag des Kreises. Für ihn und seinen Betrieb bedeutet das unter anderem auf Ernteerträge zu verzichten. Naturschutz mache ihm dennoch Spaß. Immer blühe etwas.

 Per Hand mäht Bernd Schmitz einmal im Jahr die Fläche unterhalb des ehemaligen Steinbruchs Eudenberg. So können dort seltene Pflanzen wachsen, ein Lebensraum vieler Tiere bleibt bewahrt.

Per Hand mäht Bernd Schmitz einmal im Jahr die Fläche unterhalb des ehemaligen Steinbruchs Eudenberg. So können dort seltene Pflanzen wachsen, ein Lebensraum vieler Tiere bleibt bewahrt.

Foto: Holger Arndt

Grillen zirpen, Wildbienen fliegen von Blüte zu Blüte, Ameisen tummeln sich auf ihren Erdhügeln, die Gelbbauchunke trotzt in ihrem Tümpel den heißen Temperaturen. Es ist eine kleine Idylle, die Bernd Schmitz an diesem Vormittag unterhalb des ehemaligen Steinbruchs Eudenberg durchschreitet. "Das ist Natur", verbessert der Landwirt aus Hennef-Hanf. Ein natürlicher Lebensraum, den er im Auftrag des Rhein-Sieg-Kreises zu bewahren hilft. Der Kreis fördert derzeit auf 1038 Hektar den vertraglichen Naturschutz. Der Kreisausschuss hat diese Fläche nun auf 4608 Hektar ausgeweitet.

Landwirte aus der Region können auf diesen als ökologisch wertvoll erachteten Flächen fünf Jahre währende Bewirtschaftungsverträge mit dem Kreis schließen. Sie müssen sich an bestimmte Auflagen halten - etwa auf Dünger verzichten oder Mähzeiten einhalten -, erhalten im Gegenzug finanzielle Entschädigungen für Ertragsausfälle oder zeitlichen Mehraufwand. Im Vorjahr flossen laut Kreisverwaltung in der Region insgesamt 490.000 Euro in den Vertragsnaturschutz, der Teil des Naturschutzprojektes Chance 7 ist. Die Finanzierung besteht überwiegend aus Mitteln des Landes und der EU.

Seit mehr als zehn Jahren engagiert sich Bernd Schmitz, der seinen in Hanf gelegenen Hof in der fünften Generation betreibt, im vertraglichen Naturschutz. Inzwischen bewirtschaftet er 15 Hektar Vertragsnaturschutzfläche im Auftrag des Kreises, aber auch anderer zuständiger Behörden, wie etwa der Biologischen Station in Eitorf. Seit 2006 betreibt er einen Biolandbetrieb, das heißt seine 85 Hektar bewirtschaftet der Bauer unter organisch-biologischen Aspekten.

"Das war eine Grundsatzentscheidung", sagt Schmitz. "Wir müssen den Arten, die wir über Jahre gefördert haben, weiterhin einen Lebensraum erhalten", findet Schmitz. So nimmt er es in Kauf, dass er nahrhaftes Futter für seine Kühe verliert, wenn er die Wiesen einen Monat länger stehen lässt als unter landwirtschaftlichen Aspekten vorgesehen. "So finden andere Tiere länger in der Natur ihr Futter", beschreibt er, warum gewisse Mähzeiten einzuhalten sind.

Auf dem neben dem Hanfbach gelegenen Areal schreitet gerade ein Graureiher durch die hoch stehende Wiese. Den Bereich hat Schmitz beim Heumachen stehen gelassen. "Jedes Jahr bleibt so an einer anderen Stelle ein Rückzugsraum erhalten, zum Beispiel für Schmetterlinge", erklärt er. Auf der gesamten Fläche verzichtet er auf Dünger, auch auf natürliche Düngung mit Mist oder Gülle. Daher wachsen hier wenig anspruchsvolle Gräser und Wegerich. "Es ist der Versuch, die Zeit anzuhalten", beschreibt Schmitz, was der vertragliche Naturschutz bezweckt.

Den Traktor muss der Landwirt auf seinem Hof zurücklassen, wenn er eine andere Vertragsnaturschutzfläche bewirtschaftet. Sie liegt unterhalb des ehemaligen Steinbruchs Eudenberg, mitten im Naturschutzgebiet, umgeben von Wald. Fast hüfthoch wachsen die Pflanzen hier. Warum muss dieses Areal überhaupt bewirtschaftet werden? "Wenn man die Natur völlig sich selbst überlässt, wäre hier in ein paar Jahren alles zugewachsen", erklärt Bernd Schmitz. Damit wäre vielen der Pflanzen, aber auch der Tiere der Lebensraum genommen. "Daher halte ich die Lichtung frei", sagt Schmitz.

Dazu greift er einmal im Jahr, im Herbst, zur motorisierten Sense, hält per Handmaht kleine Erlen in Schach, die binnen weniger Jahre in die Höhe schießen würden. "Naturschutz macht mir Spaß", sagt er. Von Frühjahr bis Herbst blühe ständig etwas. Es sei wichtig, das zuzulassen, denn: "Das hat die Natur so eingerichtet."

Chance 7

Unter dem Projektnamen "Chance7" beteiligt sich der Rhein-Sieg-Kreis seit Dezember 2010 am Bundes-Förderprogramm chance.natur. Es hat sich zum Ziel gesetzt, wertvolle Lebensräume und Artenvielfalten zu erhalten und zu fördern. Auf einer zwischen dem Siebengebirge im Westen und der Gemeinde Windeck an der mittleren Sieg gelegen Fläche von etwa 11.000 Hektar sollen mit unterschiedlichen Projekten Biotopverbunde geschaffen werden. Näheres gibt es auf www.chance7.org.

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