Nach den Sommerferien Wie die Schulen sich auf Inklusion vorbereiten

BONN/RHEIN-SIEG-KREIS · Inklusion, das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern in einer Klasse, soll ab dem Schuljahr 2014/15 in Nordrhein-Westfalen der Regelfall werden. Manche Grund- und besonders manche weiterführende Schule steckt bei der Umsetzung noch in den Anfangsschwierigkeiten. Für manche Schule, besonders in der Primarstufe, ist Inklusion hingegen heute schon gelebter Alltag.

Ein Beispiel für eine inklusive Grundschule ist die Regenbogenschule in Hennef-Happerschoß im Rhein-Sieg-Kreis, die vor 15 Jahren das Projekt des gemeinsamen Unterrichts (GU) mit einem einzigen Kind startete. Heute lernen 16 Kinder mit den Förderschwerpunkten emotional-soziale sowie körperlich-motorische Entwicklung, Lernen, Sprache und Hören/Kommunikation in gemeinsamen Klassen mit Kindern ohne Handicap.

Die Sonderpädagoginnen Monic Beck und Elke Kranen unterstützen die Lehrer während des Unterrichts. Wie gemeinsames Lernen umgesetzt wird, hält ein Konzept fest. Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen und Geistige Entwicklung erhalten zum Beispiel keine Noten, dafür schriftliche Beurteilungen, die aussagekräftiger sind. Liefert das Kind jedoch eine für seine Verhältnisse zufriedenstellende Leistung ab, "dann gibt es zwischendurch auch mal eine Zensur", sagt Schulleiterin Ingrid Henning.

Im Konzept festgeschrieben wird auch die Art, wie Lehrer und Sonderpädagoginnen gemeinsam unterrichten. Es werden Rechtschreib- oder Rechenschwächen mancher Kinder festgehalten, um diesen mit entsprechenden Büchern und Spielen zu helfen. Die Lehrer erarbeiten jedoch nicht nur einen Förderplan für Kinder mit Behinderung, sondern auch für die ohne Handicap. "Wir müssen jedes Kind da abholen, wo es steht ", sagt Henning. Das heißt auch: Jedes Kind kann alle verfügbaren Arbeitsmaterialien benutzen.

Ein Förderraum dient als Rückzugsort für eine der Sonderpädagoginnen und jeweils ein bis vier Kinder, falls eine besondere Förderung bei Rechtschreib-, Rechen- oder Lernschwäche nötig ist. An einem Sandsack können Kinder mit Boxhandschuhen überschüssige Energie loswerden.

Fortbildungen im sonderpädagogischen Bereich absolvieren die Lehrer schon, aber "der tägliche Austausch der Kollegen miteinander ist wichtiger als jede Fortbildung", so Henning. Das gemeinsame Lernen aller Schüler sei bei Eltern, Schülern und Lehrern in Happerschoß fest verankert. 15 Förderkinder besuchen den offenen Ganztag bis 17 Uhr. "Ich habe die Förderkinder gern in der Theater-AG. Durch Singen kann man sie am besten integrieren. Eine Schülerin mit Sprachproblemen blühte dort richtig auf", berichtet OGS-Leiterin Beate Schmitt-Welsch.

Sehr viel kritischer betrachtet Brigitte Lenz, Direktorin der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Bonn, die Umsetzung des gemeinsamen Lernens zum neuen Schuljahr. Laut Gesetzesvorlage müsste ihre Schule, da sie dreizügig pro Jahrgang ist, jeweils sechs förderwürdige Kinder im Jahr aufnehmen. Bisher liegt allerdings erst eine diesbezügliche Anmeldung vor. Für Lenz steht jetzt schon fest, dass ihre Schule nicht für alle Förderschwerpunkte geeignet ist. So könne sie etwa keine schwer gehbehinderten Kinder aufnehmen, denn die Schule habe keinen Fahrstuhl und könne wegen des Denkmalschutzes auch nur schwer einen einbauen.

Eine Voraussetzung für eine Einschulung ist für sie vor allem die Fähigkeit der Kinder, "die Sekundarstufe I und II zu schaffen. Wir geben das Profil Gymnasium nicht auf". Auch einem gemeinsamen Unterricht mit extrem erziehungsschwierigen Kindern steht die Direktorin des katholischen Mädchen-Gymnasiums skeptisch gegenüber. "Wir können solche Schüler zwischendurch nicht für eine vorübergehende Betreuung durch einen Förderlehrer aus dem Unterricht herausnehmen, da uns die Räumlichkeiten fehlen", kritisierte Lenz.

Kinder mit besonderem Förderbedarf, die unter chronischen Krankheiten wie Schwerhörigkeit oder Autismus leiden, führt das Gymnasium bisher schon zum Abitur. Auch das sei, so Spanisch- und Englischlehrerin Sabine Fremmer, nicht immer einfach.

Wie die Schule in eine inklusive Einrichtung umgewandelt werden kann, wird sich nach den Vorstellungen des Schulträgers, des Erzbistums Köln, sowie des Landes NRW richten. "Es sei denn, wir bekommen konkrete Vorgaben vom Land. Ist das nicht der Fall, werden wir erst einmal abwarten. Noch gibt es auch keine praktischen Hinweise auf die Notengebung", so Lenz. Sonderpädagogisch besonders geschult worden sind sie und ihre Kollegen noch nicht für das kommende Schuljahr.

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