Traditionsvereine Viele Gruppen kämpfen ums Überleben

BORNHEIM-HEMMERICH · Immer weniger Deutsche sind Mitglied in einem Verein. Das ist das Fazit einer Studie der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Dieser Trend zeigt sich auch bei den Vereinen im Vorgebirge. Beispiel Hemmerich: Im Ortsausschuss der 1500-Einwohner-Ortschaft sind 14 Vereine organisiert.

 Das Tambourcorps Hemmerich könnte noch ein paar Mitglieder vertragen.

Das Tambourcorps Hemmerich könnte noch ein paar Mitglieder vertragen.

Foto: Wolfgang Henry

Fast alle können von Nachwuchssorgen berichten. "Wir sind verdammt alt", sagt Ortsvorsteher Günter Heßling über den Männer-Gesang-Verein (MGV) "Quartett-Verein Museion". Das Jüngste der 19 Mitglieder ist 37 Jahre alt, einige sind bereits über 80. Ähnliche Probleme hat die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft. "Wir haben wie alle Schützenvereine massive Nachwuchssorgen", sagt der 1. Brudermeister Peter Werker. "Bis vor zehn, 15 Jahren ging die Jugend automatisch in den Verein." Heute hätten die Schützen ein schlechtes Image. Amokläufe in anderen Ländern würden medial verbreitet und schreckten vom Umgang mit der Waffe ab.

Außerdem seien die historischen Uniformen bei den Jugendlichen "out". Bei der Jugendfeuerwehr Hemmerich ist die Mitgliederzahl so geschrumpft, dass die Mannschaft nicht mehr an Wettbewerben teilnehmen kann. Sechs Mitglieder hat sie und bräuchte mindestens neun. Auch der Junggesellenverein Hemmerich, das Tambour-Corps Rot-Weiß Hemmerich, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und die Frauengymnastik-Gemeinschaft Hemmerich haben zu wenig jüngere Mitglieder. Die Gründe sind vielfältig.

"Viele wollen die alten Traditionen nicht mehr wahren", meint Bastian Esser vom JGV. Martina Breuer von der Frauengymnastik-Gemeinschaft Hemmerich hält Zeitprobleme für entscheidend. Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, sei für viele Familien schon Herausforderung genug. "Viele sind einfach froh, wenn sie abends zu Hause sind." Das sei auch bei Kindern und Jugendlichen ein wichtiger Faktor, sagt Elisabeth Früh, 1. Vorsitzende des Tambour-Corps Rot-Weiß. Sie seien oft bis zum späten Nachmittag in der Schule.

Deshalb hat ihr Verein bereits Angebote in einer Grundschule und dem Kindergarten Spatz in Hemmerich gemacht. Von den zwölf Kindern, die in dem Kindergarten an der musikalischen Früherziehung teilgenommen hätten, sei aber nur eins in den Verein eingetreten. Auf weiterführende Schulen ist die Jugendfeuerwehr zugegangen, erzählt Alexander Hida. In einer Projektwoche konnte der Verein mit einer Schule zusammenarbeiten. Der MGV Museion geht einen anderen Weg: Er gibt Konzerte zusammen mit dem MGV Waldorf. Auf der Bühne kämen so etwa 50 Sänger zusammen, so Günter Heßling.

Roswitha Heßling von der kfd sieht gesellschaftliche Veränderungen als ausschlaggebend für den Wandel. "Früher gingen Frauen mit ihrer Heirat fast automatisch in den "Mütterverein". Das sei heute nicht mehr selbstverständlich. Mittlerweile hat sich die kfd auch ledigen Frauen geöffnet, als Fördermitglieder sind auch Männer zugelassen.

Einige wenige Vereine in Hemmerich haben keine Nachwuchssorgen. Zum Beispiel der Förderverein Dorfgemeinschaft Hemmerich, der vor zwei Jahren neu gegründet wurde. Er unterstützt Vereine und organisierte die 800-Jahr-Feier des Ortes mit. "Wir haben ein Tanzcorps mit 45 Mitgliedern im Alter von zwei bis 30 Jahren, es sind sogar vier Jungs dabei", erzählt Renate Burbach. Auch das Damenkomitee Rot-Weiß Hemmerich ist zufrieden. "Von direkten Nachwuchssorgen können wir nicht sprechen", sagt Petra Schumacher. Das läge unter anderem daran, dass sie mit vergleichsweise wenig Mitgliedern zurechtkämen, 17 Frauen gehörten dem Komitee zur Zeit an.

Ganz andere Dimensionen hat der Sportverein (SV) Vorgebirge mit etwa 700 Mitgliedern in den vier Ortschaften Hemmerich, Kardorf, Dersdorf und Waldorf. Ungebrochen ist vor allem die Begeisterung für den Fußball, die den Verein für alle Altersklassen attraktiv macht. Das ist nicht nur im Vorgebirge so: Laut der Untersuchung der Stiftung für Zukunftsfragen haben Sportvereine in ganz Deutschland eine junge Altersstruktur. Immerhin jeder fünfte Deutsche ist Mitglied in einem Sportverein.

Die Studie

Das Institut für Zukunftsfragen befragte 3000 Bundesbürger ab 14 Jahren in einem persönlichen Gespräch. Fazit der Studie: Die Zahl der Vereinsmitglieder sinkt kontinuierlich. Waren 1990 noch 62 Prozent der Deutschen in einem Verein organisiert, so sind es heute nur noch 44 Prozent. Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Studie, empfiehlt den Vereinen, zeitlich begrenzte Projekte zu veranstalten. Die Mehrheit der Befragten wolle sich nicht auf Dauer verpflichten, sondern flexible Angebote nutzen. Mehr über die Studie unter www.stiftungfuerzukunftsfragen.de.

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