Seniorenfreundliches Bornheim "Rücksichtnahme ist unverzichtbar"

BORNHEIM-KARDORF · "Für mich gibt es im Leben keine Barrieren." Der Mann, der diese Worte mit beeindruckender Überzeugung ausspricht, sitzt seit fast 20 Jahren im Rollstuhl. Nach einem schweren Motorradunfall musste sich Andreas Müller damit abfinden, ab dem vierten Brustwirbel gelähmt zu sein. Seitdem betrachtet der 50-Jährige seine Umgebung aus einem anderen Blickwinkel.

 Barrierefrei, aber zu steil: Über eine Rampe gelangt Andreas Müller an der Kardorfer Pfarrkirche ins Innere des Gotteshauses.

Barrierefrei, aber zu steil: Über eine Rampe gelangt Andreas Müller an der Kardorfer Pfarrkirche ins Innere des Gotteshauses.

Foto: Axel Vogel

Um zu zeigen, an welchen Stellen Gefahren für Rollstuhlfahrer lauern, wo es für sie schlichtweg unmöglich ist, den Gehweg zu benutzen oder die Straßenseite zu wechseln, machte sich der in Rösberg lebende Angestellte einer Softwarefirma mit den Seniorenbeauftragten Günter Volk und Anton Schneider sowie Bürgermeister Wolfgang Henseler auf den Weg durch Kardorf. "Es ist immer gut, wenn ein Betroffener direkt an Ort und Stelle zeigt, welche Schwierigkeiten vorhanden sind", sagte Volk.

Dass nicht nur Senioren von zu schmalen Gehwegen betroffen sind, weiß Grünen-Ratsmitglied Markus Hochgartz. Er hatte sich der Gruppe mit Töchterchen Emilia (2) angeschlossen - denn auch, wer mit Buggy oder Kinderwagen unterwegs ist, stößt hier und da auf Hindernisse. "Ob Rollstuhlfahrer, Mütter oder Väter mit Kinderwagen, Radfahrer oder Autofahrer - jeder beurteilt die Situation aus einer anderen Perspektive. Daher ist es wichtig, den Blick für eventuelle Gefahrenpunkte zu schärfen", betonte Henseler.

Unter dem Motto "Seniorenfreundliches Bornheim" führt der Seniorenbeirat derzeit seine Ortsbegehungen im Stadtgebiet durch. In Kooperation mit den Ratsmitgliedern und Ortsvorstehern werden alle 14 Bornheimer Ortschaften unter die Lupe genommen und auf Seniorentauglichkeit geprüft. Grundlage ist ein einstimmiger Beschluss des Seniorenbeirats, der bis zum 31. Juli eine Begehung unter den Gesichtspunkten einer seniorenfreundlichen Stadt Bornheim vorsieht.

Bereits 2013 hatte eine Begehung der Ortschaften durch den vorherigen Seniorenbeirat stattgefunden. Jetzt soll geprüft werden, ob die festgestellten Probleme bereits tatsächlich zufriedenstellend behoben wurden und ob an anderen Stellen neue Mängel hinzugekommen sind. Um entsprechende Bereiche in Kardorf ausfindig zu machen, hatte der Seniorenbeirat im Vorfeld bei den Betroffenen nachgefragt und dabei sieben Straßen für die Ortsbegehung benannt.

Neben der Travenstraße und der Lindenstraße standen die Altenberger Gasse, die Buchenstraße, die Katzentränke, Schulstraße und Uhlstraße auf dem Programm. Dabei wurden neun Punkte, unter anderem die Breite der Gehwege, Bordsteinabsenkungen, Gefahrenstellen auf Gehwegen, aber auch Querungshilfen und Parkmöglichkeiten im Ortskern überprüft. Vor der Pfarrkirche Sankt Joseph testete Rollstuhlfahrer Andreas Müller die Rampe am Seiteneingang des Gotteshauses.

Sein Urteil: "Die Rampe ist recht steil und am Ende könnte eine weitere Stange für mehr Sicherheit sorgen." Als durchtrainierter Sportler, der seine Oberkörpermuskulatur mit Fahrradfahren und im Fitnessstudio trainiert, stellt die derzeitige Situation für ihn kein Problem dar. "Senioren, die im Rollstuhl sitzen, sind aber wahrscheinlich auf Hilfe angewiesen", meinte er. Dies sehe er aber nicht als Problem. "Es muss nicht immer die optimale Lösung sein. Besser, es gibt eine nicht ganz optimale Rampe, als gar keine."

Getestet wurden ebenfalls die Bordsteinabsenkungen. Diese wurden insgesamt als gut eingestuft. Auf Schwierigkeiten wies Müller vor allem im hinteren Teil der Schulstraße hin: Dort sei das Gefälle des Gehweges in Richtung Straße teilweise so groß, dass ein Rollstuhl zu kippen drohe. Auch in den übrigen Straßen sei das Gefälle nur mit viel Kraftaufwand auszugleichen.

Da diese Situation aber nur mit enormem finanziellen Aufwand zu verbessern sei, lautete das Fazit: In Kardorf ist es in einigen Nebenstraßen für Rollstuhlfahrer besser, die Straße statt des Gehweges zu nutzen.

"Wer in Kardorf auf den Rollstuhl angewiesen ist, tut gut daran, sich schieben zu lassen. Gegenseitige Rücksichtnahme ist unverzichtbar", zog der Seniorenbeauftragte Volk ein Resümee.

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