Hilfe für Flüchtlinge in Merten "Man bekommt so viel zurück"

BORNHEIM-MERTEN · Es ist rosa-rot, nicht mehr das neueste Modell und trotzdem Elviras ganzes Glück: "Biçikletë", sagt die Sechsjährige und zeigt stolz ihr blitzblank geputztes Fahrrad.

 Sie freuen sich über ihre Fahrräder: Elvira (6), ihre Mutter Marsida, Norgesita (9) und Vater Agron mit Helferin Irmela Göckenjan-Storz (2.v.l.).

Sie freuen sich über ihre Fahrräder: Elvira (6), ihre Mutter Marsida, Norgesita (9) und Vater Agron mit Helferin Irmela Göckenjan-Storz (2.v.l.).

Foto: Weber

Freudestrahlend schwingt sich das Mädchen auf den Sattel und dreht eine Runde auf dem Hof des Mertener Hotels, in dem sie mit ihrer neunjährigen Schwester Norgesita und den Eltern Marsida und Agron untergebracht ist. Die Flüchtlingsfamilie stammt aus Albanien. Ihre Tage verbringen Eltern und Kinder auf zwei kleinen Zimmern, die mit Zweiplatten-Herd und einem Kühlschrank ausgestattet sind.

Dass Elvira ein Fahrrad bekommen hat und darauf auch fahren kann, ist das Verdienst von Irmela Göckenjan-Storz. Seit zwei Jahren ist die Heilpraktikerin in der Mertener Flüchtlingshilfe aktiv. Derzeit betreut sie neben den Albanern noch zwei weitere Familien aus Georgien und dem Kosovo. Sie half dabei, Elvira und ihre Schwester in Kindergarten und Schule unterzubringen. "Elvira hat in Merten keinen Kita-Platz bekommen.

Deshalb muss sie jeden morgen nach Sechtem gebracht und nachmittags wieder abgeholt werden", erklärt die 57-jährige. Schnell musste ein Fahrzeug für Kinder und Eltern her. "Als wir schließlich gebrauchte Fahrräder bekommen hatten, stellte sich ein ganz anderes Problem: Elvira konnte nicht Fahrrad fahren." Und so ging die Patin mit ihrem Schützling auf den Hof und übte. "Schon am dritten Tag radelte Elvira alleine los", berichtet Irmela Göckenjan-Storz - und ihre Augen strahlen.

Jedes Mal, wenn sie die Unterkunft betritt, fallen ihr die Mädchen vor Freude um den Hals. Die Frage nach ihrer Motivation muss man bei diesem Anblick fast gar nicht mehr stellen. "Man bekommt so viel zurück", sagt sie, und es klingt nicht nach einer Floskel. "Ich möchte von dem Glück, das wir haben, etwas abgeben an Menschen, denen es nicht so gut geht."

Vor zwei Jahren übernahm sie die Betreuung zweier iranischer Männer. Genau erinnert sie sich an einen Nachmittag, an dem sie mit einem der beiden mehrere Stunden lang einen Stapel Formulare ausfüllte. "Da wurde mir klar, wie verloren man ist, wenn man in einem Land lebt, dessen Sprache man nicht spricht und dessen Gepflogenheiten man nicht kennt." Besonders freut sich die engagierte Frau, dass es einem der Männer inzwischen gelungen ist, eine Ausbildung zum Altenpfleger zu absolvieren. "Das ist ein tolles Beispiel für gelungene Integration zu beiderseitigem Nutzen."

Dass sich derzeit nicht nur in Merten, sondern auch in anderen Bornheimer Ortschaften neue Flüchtlingshilfegruppen gründen, freut Irmela Göckenjan-Storz besonders. "Was sich gerade in Sachen Flüchtlingshilfe tut, ist wunderbar. Wir können jede Unterstützung gebrauchen." Dabei müsse sich nicht jeder mehrere Stunden wöchentlich engagieren. Manchmal sei ein einfacher Fahrdienst schon Gold wert. Ganz wichtig sei auch die Vernetzung der Helfer, die immer besser funktioniere. "Vor kurzem brauchte ich dringend Herrenschuhe in Größe 43", nennt sie ein Beispiel. "Das Problem konnte schnell gelöst werden."

Auch mit Deutschunterricht könne man weiterhelfen, weiß sie aus Erfahrung. Erst neulich saß die georgische Familie ratlos vor einem Stapel Formulare. "Irmela, was ist das?" lautete die verzweifelte Frage.

Eine Deutschstunde pro Woche und ein wöchentlicher Besuch pro Familie - dieser Plan geht selten auf. Arztbesuche, Behördengänge oder Notfälle wie die Geburt eines Babys - Irmela Göckenjan-Storz könnte ständig unterwegs sein. "Man muss sich klare Grenzen setzten, wenn es zu viel wird", räumt die Flüchtlingspatin ein. "Aber wenn es darum geht, eine schwangere Frau zur Geburt in einer Klinik unterzubringen, kann man natürlich nicht auf die Uhr schauen." Berührt hat sie dieses Erlebnis sehr: "Irgendwann musste der Ehemann zu den anderen drei Kindern zurück. Man stelle sich die Situation der Frau einmal vor, die allein in der Klinik bleiben musste."

Inzwischen ist das kleine Mädchen auf der Welt, Mutter und Kind sind wohlauf und können entlassen werden. Dann wird die Familie aus dem Kosovo zu sechst in ihrer beengten Unterkunft leben. "Die Stadt Bornheim sucht händeringend Wohnraum", appelliert Göckenjan-Storz. "Jeder, der eine Wohnung oder ein Haus zu vermieten hat, sollte sich Gedanken machen, ob er nicht auf diese Weise helfen kann."

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