Umschlagplatz für Obst und Gemüse Ein Tag im ehemaligen Roisdorfer Centralmarkt

BORNHEIM-ROISDORF · Es rattert und knattert, langsam schiebt sich ein Traktor durch das schmale Tor zur Warenerfassung der Landgard Obst und Gemüse, dem ehemaligen Centralmarkt in Roisdorf.

 Karl-Günter Schmitz überprüft einen Salatkopf.

Karl-Günter Schmitz überprüft einen Salatkopf.

Foto: Hannah Schmitt

Im Gepäck hat er palettenweise Salatköpfe - frisch vom Feld. Sein Besitzer ist einer von rund 800 Erzeugern zwischen Geldern im Norden und der Pfalz im Süden, für die der Großvermarkter in Roisdorf und am Standort in Straelen-Herongen Lagerung, Verkauf und Lieferung übernimmt. Hinzu kommt zugekaufte Ware.

Die Salate werden schon erwartet. Kontrolleur Karl-Günter Schmitz und sein Kollege Johannes Hartmann stehen bereit, um die angemeldete Ware genau unter die Lupe zu nehmen. Haben die Salatköpfe eine frische Schnittfläche? Und das erforderliche Gewicht? Was nicht den Kundenwünschen entspricht, geht zurück.

Stichprobenartig zieht Schmitz einzelne Kisten von den Anhängern, schaut die Köpfe an und wiegt bei Bedarf nach. Vieles hat der 48-Jährige aber auch im Gefühl: Nach 20 Jahren im Job weiß er wie schwer ein Produkt ist, wenn er es in den Händen hält. "Nicht auf das Gramm genau, aber doch ungefähr", sagt Schmitz.

Und er kennt auch die Landwirte - "mit allen Familienereignissen und Problemen. Es ist wie eine große Familie". Die meisten sieht Karl-Günter Schmitz mehrmals die Woche, entsprechend offenherzig fällt die Begrüßung aus. So auch bei Hans Hausen aus Bornheim, der eine Fuhre Rhabarber aus seinem kleinen Betrieb bringt. Wie sein Vater vor ihm, und vor dem schon sein Großvater. Doch jetzt sei kein Nachfolger mehr in Sicht, erzählt Schmitz. Überhaupt gebe es viel weniger kleine Betriebe als früher.

Früher war auch beim Centralmarkt vieles anders. Doch die Zeiten, in denen per Versteigerung die Preise festgelegt wurden, sind vorbei. Vergessen sind sie allerdings nicht. Die zwei elektrischen Versteigerungsuhren an den Wänden der alten Versteigerungshalle erinnern an das Gewusel, das hier einmal geherrscht haben muss. Die Tische stehen perfekt aufgereiht hinter- und nebeneinander; Mikrofone und Knöpfe scheinen nur darauf zu warten, dass die nächste Ladung Gemüse unter den Hammer kommt.

Seit drei Jahren ist die Versteigerungshalle verlassen. "Die Zeiten haben sich geändert", sagt Stephan Weist, Geschäftsführer und in Roisdorf Chef von etwa 120 Mitarbeitern. "Kein Einzelhändler will täglich den Preis für seine Produkte neu verhandeln - und die Verbraucher wollen das auch nicht."

So hat die gute alte Versteigerungsuhr ausgedient. "Am Ende haben hier häufig nur noch fünf bis sieben Leute gesessen." Heute läuft alles über Internet und Telefon; die Preise werden für mehrere Tage festgelegt. "Wir arbeiten mit Prognosen über drei bis vier Wochen", erzählt Josef Müller, Leiter des Produktmanagements. "Die Kunden wollen das Glücksspiel nicht mehr." Sowohl was den Preis als auch die Ware angeht.

Deshalb bekommen die Erzeuger mittags bereits mitgeteilt, was sie am nächsten Tag liefern sollen. Eines hat sich aber nicht geändert: "Wir hängen immer dazwischen, müssen beide Seiten zufrieden stellen." Müller ist seit 40 Jahren im ehemaligen Centralmarkt in Roisdorf, hat sein ganzes Arbeitsleben dort verbracht und viel miterlebt.

Etwa wie die Landwirte ihre Waren noch durch die Versteigerungshalle gefahren haben oder sich die Kunden später das Obst und Gemüse vor der Versteigerung plötzlich in einer Halle genau anschauen konnten. Da sei etwas los gewesen. Wie leer gefegt ist ein Teil der nur wenige Grad kühlen Obsthalle.

Die wenigen Paletten wirken in dem riesigen Raum geradezu verloren. Nur ein paar Äpfel warten in der Obsthalle auf die Stapler - und die Mitarbeiter auf die anderen Obst- und Gemüsesorten, deren Ernte längst begonnen haben sollte. Der lange Winter bremst auch den ehemaligen Centralmarkt aus. "Es fehlen uns zwei bis drei Wochen im Absatz", sagt Weist. Mit der Wärme werden sich die Hallen aber wieder füllen - bis "im Hochsommer die Beschwerden kommen, weil nicht genug Platz in den Hallen ist", erzählt Weist und lacht.

Lange lagern Obst und Gemüse im Normalfall nicht. Morgens geerntet, vormittags bei Landgard, nachmittags im Lastwagen auf dem Weg in die Hallen der Kunden. Und am nächsten Morgen im Einzelhandel - so ist der typische Kreislauf im Umschlaglager. Da wundert es wenig, dass die Arbeitszeit gerne mehr als fünf Tage die Woche und acht Stunden täglich einnimmt. In Spitzenzeiten verladen die Arbeiter bis zu 100 Lastwagen am Tag. Das entspricht etwa 3000 Paletten oder umgerechnet knapp 1,5 Millionen Kilogramm Obst und Gemüse.

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