Stolpersteine in Merten und Sechtem "Bürger wie du und ich"

BORNHEIM · 1929 hatte Sibilla Voos das Haus in der Beethovenstraße 34 in Merten errichtet. Sie betrieb dort ein Handelsgeschäft. Obwohl die Familie im Ort ein gutes Ansehen genoss, wurde ihr Haus in der Pogromnacht am 9. November 1938 von den Nazis geplündert. Voos (geboren 1881) kam 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz und wurde dort ermordet.

 Diese drei Stolpersteine erinnern in Sechtem an jüdische Mitbürger.

Diese drei Stolpersteine erinnern in Sechtem an jüdische Mitbürger.

Foto: Henry

Nicht nur an das Schicksal von Sibilla Voos erinnert seit gestern ein Stolperstein vor dem Haus in der Beethovenstraße. Auch für ihre Geschwister Henriette Bähr (geboren 1885, ermordet im Konzentrationslager Theresienstadt) und Jakob Voos (geboren 1869, ermordet 1942 im Vernichtungslager Treblinka) sowie für die Kinder Bährs, Setta (geboren 1917, Schicksal unbekannt) und Else (geboren 1914, Schicksal unbekannt), hat der Künstler Gunter Demnig seine bekannten Gedenksteine (siehe Kasten) vor dem Haus ins Pflaster der Straße eingelassen.

Dazu sangen Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen fünf und sechs der Heinrich-Böll-Sekundarschule die Lieder "Donna Donna" und "Neue Brücken". Dietrich Kügele trug das jüdische Gebet "Kaddisch" zum Totengedenken vor.

Die Mitglieder der Familie Voos/Bähr seien "angesehene Mertener Bürger gewesen, Menschen wie du und ich", erläuterte Stadtarchivar Christian Lonnemann. Und doch habe sie das nicht vor ihrem Schicksal bewahrt. Bürgermeister Wolfgang Henseler nannte die Verlegung der Stolpersteine eine "beeindruckende Aktion".

Jeder Stein beinhalte ein Schicksal. Ohne konkret die Stadt Rheinbach zu nennen, erinnerte Henseler daran, dass es an verschiedenen Stellen auch Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der Stolpersteine gebe. Wie berichtet, fand die Idee, auch in Rheinbach Stolpersteine zu verlegen im vergangenen Jahr mit 18 Ja- zu 18 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung in geheimer Abstimmung im Stadtrat keine Mehrheit. Bürgerinitiativen machen sich in der Stadt aber weiterhin für die Steine stark. "In Bornheim haben wir gezeigt, dass es ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur ist", sagte Henseler.

Nicht nur in Merten, auch in Sechtem hat Demnig gestern Stolpersteine verlegt - konkret an der Graue-Burg-Straße, Ecke Schweppenburgstraße. In der Grauen Burg befand sich ein Kinderheim, zeitweilig wurde das Gebäude als Außenstelle der "Rheinischen Landesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie" in Bonn genutzt.

Ende 1941 wurden Ruth Levy (Jahrgang 1923), Arthur Baum (Jahrgang 1880) und Hans Simons (Jahrgang 1923) in der Grauen Burg untergebracht. Über eine Einrichtung für jüdische Patienten mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen ging es auch für die drei in den Tod. Levy und Baum starben 1942 im Ghetto Krasniczyn, Simons im gleichen Jahr im Vernichtungslager Sobibor.

Wie alle bisher an vielen Stellen in Deutschland und anderen Staaten verlegten Stolpersteine sind auch die neuen Quader in Merten und Sechtem 9,6 Zentimeter lang, 9,6 Zentimeter breit und zehn Zentimeter hoch. Möglich wurden diese Erinnerungsstätten durch Paten, die sich für die Verlegung engagieren. In Merten sind dies: die Heinrich-Böll-Sekundarschule, Maria Heckenbach, Hildegard Helmes, Else und Hans Gerd Feldenkirchen, Sabine Walter und Bora Bingül sowie Petra Heller.

In Sechtem haben sich wiederum der CDU-Ortsverband Sechtem, Heinz Lonnemann, Ursula Behr und der Leistungskurs Geschichte des Abiturjahrgangs 2014 der Europaschule Bornheim für die Steine eingesetzt. Laut Stadtarchivar Christian Lonnemann, der das Projekt vonseiten der Stadt betreut und auch die Schicksale der NS-Opfer recherchiert, werden von der Stadt immer wieder Paten für die Verlegung von Stolpersteinen gesucht. Die nächste Verlegung soll in zwei Jahren stattfinden, "wahrscheinlich in Bornheim-Ort", so Lonnemann.

Info

Wer die Aktion in Bornheim unterstützen möchte, kann eine Patenschaft übernehmen. Damit verbunden ist eine Spende in Höhe von 120 Euro pro Stolperstein, die laut Stadt den Kosten der Verlegung entspricht. Paten erhalten eine entsprechende Urkunde der Stadt. Ansprechpartner ist Stadtarchivar Christian Lonnemann unter Tel. 0 22 22/94 51 10.

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