Bonner Werkstätten 1130 individuelle Lösungen

BORNHEIM-HERSEL · Konzentriert dreht Christian Steinecke Schraube für Schraube aus dem ausgedienten Handtrockner. Nachdem er das Gerät in seine Einzelteile zerlegt hat, sortiert er die Wertstoffe in dafür vorgesehene Kisten.

 Breites Spektrum: Die Produkte und Dienstleistungen der Bonner Werkstätten reichen von Elektronik und Recycling über Garten- und Landschaftsbau bis hin zu Büro- und Versanddiensten.

Breites Spektrum: Die Produkte und Dienstleistungen der Bonner Werkstätten reichen von Elektronik und Recycling über Garten- und Landschaftsbau bis hin zu Büro- und Versanddiensten.

Foto: Wolfgang Henry

Der 26-Jährige arbeitet im Bereich Elektro-Recycling im Werk 1 der Bonner Werkstätten in Hersel. Am Tisch nebenan prüft Olga Schlichenmaier Elektroschalter. "Wenn das Lämpchen leuchtet, ist der Schalter in Ordnung", erklärt die junge Frau, die seit drei Jahren in der Werkstatt an der Allerstraße beschäftigt ist.

Klaus Döppner, Gruppenleiter im Bereich Elektronik und Recycling, kennt seine 84 Mitarbeiter genau. Er weiß, wem er welche Aufgabe anvertrauen kann, wann ein Wechsel der Tätigkeit angesagt ist, und er versteht es, die Fähigkeit jedes einzelnen Beschäftigten einzuschätzen und entsprechend zu fördern. "Die Aufgabe unseres Personals ist es, die einzelnen Arbeitsschritte an einem Produkt so zu zergliedern, dass jeder Mitarbeiter seinen Kompetenzen entsprechend eingesetzt wird", erklärt Andreas Heß, Geschäftsführer der Bonner Werkstätten.

Seit Jahrzehnten setzen sich die Werkstätten an ihren vier Standorten in Hersel, Beuel, Meckenheim und Dransdorf dafür ein, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Mit insgesamt 1130 Mitarbeitern und mehr als 300 Angestellten gehören sie inzwischen zu den größten Arbeitgebern in der Region. Dabei ist das Leistungsspektrum so vielfältig wie die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten. Neben Elektronik und Recycling stehen unter anderem Garten- und Landschaftsbau, Holzverarbeitung, Verpflegungsmanagement, Montage, Näherei, Verpackung und sogar Büro- und Versanddienste auf der Produktions- und Dienstleistungsliste. Neue Auftraggeber sind jederzeit willkommen.

"Als ein Sozialbetrieb mit wirtschaftlicher Ausrichtung bieten wir unseren Mitarbeitern abwechslungsreiche Arbeiten und unseren Kunden Produkte und Leistungen in höchster Qualität an", so Heß, der die Geschäftsführung 2012 übernahm. Im Berufsbildungsbereich der Werkstätten, den derzeit etwa 120 Mitarbeiter durchlaufen, werden nicht nur fachbezogene Fertigkeiten vermittelt, sondern auch lebenspraktische und sozial-kommunikative Kompetenzen erarbeit.

Auch die Öffnung zum "ersten" Arbeitsmarkt ist vollzogen: Sogenannte betriebsintegrierte Arbeits- und Berufsbildungsplätze bieten Mitarbeitern die Möglichkeit, mit Begleitung ein bis fünf Tage pro Woche in anderen Firmen zu arbeiten. Sie sind organisatorisch, aber nicht räumlich an die Werkstatt angebunden und bieten Menschen mit Behinderung eine Beschäftigung in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes bei weiterer Betreuung und Verantwortung der Werkstatt.

Der Arbeitsbereich für Schwerstbehinderte (ABSB) wiederum zeichnet sich durch eine besonders enge und spezialisierte Form der Begleitung aus. "Alle Arbeiten können bei uns in kleinste Einheiten aufgeteilt werden", so Martin Schmitz-Justen, Bereichsleiter im ABSB. Die Mitarbeiter stellen beispielsweise Grußkarten her, deren Produktion in rund 30 Arbeitsschritte aufgeteilt ist. Während eine Mitarbeiterin eifrig auf den Knopf des Papierschredders drückt, weicht ihr Kollege die Schnipsel in Wasser ein, um Pulpe zum Papierschöpfen herzustellen. Im Nebenraum warten die fertigen Karten darauf, bedruckt und ausgemalt zu werden.

Zuletzt wird der Aufkleber der Werkstätten auf die Rückseite der fertigen Karten geklebt. Auch Betten stehen in den Räumlichkeiten für Schwerstbehinderte bereit. Über Funkfernbedienung können Mitarbeiter von dort aus beispielsweise einen Bohrer bedienen. Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie sind in den Tagesablauf integriert.

"Welcher Betrieb kann das schon bieten?", fragt Heß. Allen Mitarbeitern gemeinsam ist der Stolz auf das, was sie leisten. "Jeder trägt seinen Anteil zu einem Produkt bei - auch wenn er noch so klein ist", erklärt Heß. "Außerdem schließt die Teilhabe am Arbeitsleben auch eine feste Tagesstruktur, soziales Leben und Lernen in der Gruppe mit ein." Gemeinsame Ausflüge, sportliche Aktivitäten oder die Disco, die einmal pro Monat stattfindet, tragen zur Wohlfühl-Atmosphäre der Mitarbeiter bei.

"Inklusion und Werkstatt stehen für uns in keinem Widerspruch", so der Geschäftsführer. "Wir bieten 1130 individuelle Lösungen für unsere Mitarbeiter - und das jeden Tag aufs Neue."

Die Bonner Werkstätten

Die Bonner Werkstätten gGmbH sind ein wirtschaftlich arbeitendes Non-Profit-Unternehmen mit sozialem Auftrag und der Verpflichtung, gesicherte Arbeitsplätze sowie Berufsausbildungsangebote für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen. Sie sind eine Einrichtung der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bonn und unterhalten vier Standorte: Werk 1 in Bornheim-Hersel, Allerstraße 43; Werk 2 in Bonn-Beuel, Röhfeldstraße 3-5; Werk 3 in Meckenheim, Am alten Stauwehr 14-16; Werk 4 in Bonn-Dransdorf, Haberstraße 9.

Ziel ist die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und die Eingliederung in das Arbeitsleben. Zurzeit bieten die Bonner Werkstätten der Lebenshilfe Bonn rund 1430 Menschen mit und ohne Behinderung einen sozialversicherungspflichtigen Arbeits- oder Ausbildungsplatz.

Die Lebenshilfe zählt damit zu den größten Arbeitgebern in der Region Bonn/Rhein-Sieg.

Unter dem Motto "Brazil, Brazil" laden die Bonner Werkstätten der Lebenshilfe Bonn für den 23. August von 14 bis 19 Uhr zum großen Sommerfest ins Werk 1 in Hersel, Allerstraße 43, ein. Es gibt zahlreiche Aktionen und Unterhaltungsmöglichkeiten.

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