Musical-Schule Bad Honnef Vom Glück, junge Talente zu fördern

BAD HONNEF · Mariana Ilgauds-Preuten fand nach der Flucht vor dem Ceausescu-Regime in Bad Honnef ihre Lebensaufgabe: die Musical-Schule.

 Bis ans Ende der Welt: Das Musical - hier ein Probenfoto - war ein großer Erfolg.

Bis ans Ende der Welt: Das Musical - hier ein Probenfoto - war ein großer Erfolg.

Foto: Frank Homann (Archiv)

Im Park wacht die steinerne Figur der Polyhymnia: Muse der Hymnendichtung, des Tanzes, der Pantomime, Tochter des Zeus und der Mnemosyne, des obersten olympischen Gottes in der griechischen Mythologie und der Göttin der Erinnerung. Mariana Ilgauds-Preuten schaut von der Gartenvorhalle ihres Arbeitszimmers auf den Weiher von Schloss Hagerhof. "Hier richtete Architekt Edwin Oppler einen Kunstraum ein. Und hier unterrichte ich", sagt die Frau mit den warmen, funkelnden Augen und dem gewinnenden Lächeln.

Der frühere Salon ist wie maßgeschneidert für sie und ihre Berufung. "Dieses Schloss beeindruckt mich immer wieder." Die Geschichte des herrschaftlichen Anwesens erzählt von häuslicher Kammermusik, vom Besuch Johannes Brahms?, der hier neueste Kompositionen vorspielte, von Eigentümern wie der vermögenden Familie Oelbermann, die mit Stiftungen Frauen, Jugendliche und auch Künstler unterstützte. Mariana Ilgauds-Preuten und ihr Mann Gerhard Preuten pflegen mit ihrem Wirken den Geist dieses Hauses. Im Jahr 2000 gründeten sie die Musical-Schule Hagerhof mit Aufführungen, die auch in der Fachwelt als professionell gelten und bereits einigen Schülern als Sprungbrett für eine berufliche Karriere dienten.

1989 bot die Internatsschule am Hagerhof Mariana Ilgauds eine neue Perspektive. Kräfte für die koedukative Erziehung wurden damals gesucht. "Einige Freunde hatten mir Mut gemacht, mich auf die Annonce zu melden." Sie ermunterten die aus Rumänien stammende junge Frau mit dem Verweis auf ihr Können. "Ich suchte einfach nur Arbeit, wollte nicht so hohe Ansprüche stellen", erinnert sich Ilgauds-Preuten. "Eigentlich bin ich Künstlerin", habe sie dem Internatsleiter im Vorstellungsgespräch gesagt.

In jenen politischen Wendezeiten hatte die Schule etliche Aussiedlerkinder aufgenommen, aus Russland und aus Polen. Mariana Ilgauds betreute sie beim Hausaufgabenmachen und in der Freizeit. Sie studierte mit ihren Schützlingen ein kleines Theaterstück ein mit Texten aus der Kinderbibel ihres Sohnes, die Mädchen trugen weiße Kleidchen und sangen Schuberts Wiegenlied.

Anderen auf die Bühne zu verhelfen als jemand, der selbst dort Erfolge gefeiert hat - dieser Aufgabe verschrieb sich die Opernsängerin seither. "Die Kinder haben mich mit ihrem Fleiß, mit ihrer Disziplin und ihrem Respekt beeindruckt." Eigenschaften, die sie sich selbst abverlangt hat auf ihrem Weg. In Bad Honnef begann für sie ein neues Kapitel, gerade als in ihrer Heimat Diktator Ceausescu von einem Militärtribunal zum Tode verurteilt wurde und im Frühjahr 1990 erschütternde Fernsehbilder verwahrloste, ausgehungerte Kinder aus rumänischen Heimen zeigten. Das brutalste Regime des Ostblocks wurde vor der Weltöffentlichkeit entlarvt. Mariana Ilgauds hatte es zu spüren bekommen.

Ihr Talent hatte sich früh bemerkbar gemacht. Im Kindergarten hatte sie ihre erste Hauptrolle als kleine Ente. Aus Sorge, zu spät zur Probe kommen, kletterte die Dreijährige aus dem Fenster und lief zum Kindergarten. Die Eltern fanden sie dort am Tor sitzend. Sie verfügte schon als Schülerin über eine kräftige Stimme, die mit Atem- und Sprechtechnik noch gefördert wurde. Ihre Schule in Siebenbürgen war in einem Palast aus der Königszeit untergebracht, samt Festsaal und Bühne. Sie legte das Abitur ab, ein Professor für Violine aus Klausenburg bereitete sie auf die Aufnahmeprüfung zum Studium von klassischem Gesang, Schauspiel und Tanz in Bukarest vor. Bereits im zweiten Studienjahr hatte sie einen Vertrag am Musiktheater in Galati.

"Wir haben überlebt", sagt sie, wenn sie an die Märsche, den Militärdrill jeden Samstag und Sonntag während ihrer höheren Schulzeit denkt und auch an die Schikanen während der Studienzeit. Sie geriet ins Visier der Securitate, nachdem sie mit einem Mann aus dem Westen Freundschaft geschlossen hatte. Der Geheimdienst observierte sie. Eines Tages verlor sie deshalb alles - binnen 24 Stunden war sie ohne Job, sie wurde gezwungen, die Kündigung fürs Theater selbst zu schreiben, ihre Wohnungstür fand sie versiegelt vor. Ihre Eltern holten sie nach Hause. "Ihre Liebe gab mir Kraft. Ich war wie leprakrank, gestempelt. Keiner wollte mit mir etwas zu tun haben. Ich sollte selbst Spion werden." Sie widerstand, wollte heiraten. 1975 erhielt sie endlich ihren Pass, der ihr den Weg in den Westen ebnete. An der Grenze wurde ihr alles abgenommen. "Es war eine irre Zeit."

An der Musikhochschule in Köln setzte die Künstlerin ihr Studium fort. Ihren letzten großen Auftritt hatte die Sopranistin mit dem Beethovenorchester 1991 in Bonn. Am Hagerhof studierte sie da bereits das erste Musical ein: "Cats". 1992 wurde der neue Musiklehrer des Gymnasiums, Gerhard Preuten, ihr Begleiter am Klavier - und der Mann an ihrer Seite. Gemeinsam bauten sie die Musical-Schule auf mit Unterricht im Gesang, Schauspiel und Tanz und gefeierten Aufführungen. Gerhard Preuten leitet das Musical-Orchester. "Es ist eine wunderbare Erfüllung, Kinder und Jugendliche zu fördern. Das Glück der anderen tut einem selbst noch mehr gut", sagt seine Frau. "Schule und Geschäftsleitung haben uns den Aufbau der Musical-Schule ermöglicht, in der nach dem Montessori-Prinzip die Personalität der Kinder entwickelt wird", sagt Mariana Ilgauds-Preuten. "Es gibt bei uns ein Sprichwort: 'Der Mensch heiligt den Ort.? Dieser heilige Ort ist für mich schon lange Hagerhof, meine zweite Heimat."

Die Musical-Schule

25 Jahre nach dem Mauerfall führte die Musical-Schule das Stück "Bis ans Ende der Welt" auf. Es war die Geschichte von Udo, dem Rocker, und seinem "ganz heißen Mädchen aus Ostberlin". Auf dem Spielplan standen auch schon "My Fair Lady", "Hair", "Phantom der Oper", "Elisabeth" oder "Tanz der Vampire". Die Musical-Schule bereitet auch für die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vor. Jonathan Francke, Hauptdarsteller in "Bis ans Ende der Welt", studiert heute in Berlin.

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