Bad Honnefer Box-Slam Sportler und Lyriker steigen in den Ring

BAD HONNEF · Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Dass sich jedoch Lyriker mit Kampfsportlern zwischen die Seile wagen, dürfte auch den größten Sprichwortkenner verblüffen. Auf den ersten Blick mochte die Prämisse des ersten Honnefer "Box-Poetry-Slams" tatsächlich reichlich kurios klingen.

 Voller Einsatz im Ring: Slammer Casjen Ohnesorge gibt bei seinem Vortrag alles.

Voller Einsatz im Ring: Slammer Casjen Ohnesorge gibt bei seinem Vortrag alles.

Foto: Frank Homann

Doch sie entpuppte sich schnell als echtes Erfolgskonzept: Boxer und Poetry-Slammer im Saal Kaiser abwechselnd mit Box-Vorführungen und Wortgefechten ins Seilgeviert steigen zu lassen, das sollte es öfter geben, war sich das Publikum nach gut zweistündigem Programm einig. Ausrichter war der Verein Literatur im Siebengebirge.

Während die einen bewiesen, dass zu ihrem Sport weitaus mehr gehört als nur hart zuzuschlagen, zeigten die anderen, dass sie auch verbal ordentlich austeilen können. Als Vertreter des Kampfsports waren Vorzeigetalente der Boxabteilung des ATV Selhof aufgelaufen: Liridon Klinaku, Benjamin und Abdulhakim Salim Yeslim, Jagoda Penava, Idris Kotaman, Simon Selzer sowie Trainer Waldemar Zibart demonstrierten ihre Techniken - jeweils drei Runden à zwei Minuten unter den geschulten Augen von Box-Olympiasieger Torsten May.

Marvin Miah boxte als "Leihgabe" des Bonner Box-Clubs mit. "Es ist wirklich sehr gut, was ich hier sehe, das gibt mir schon ein bisschen Gänsehaut", lobte May im Gespräch mit Fritz von Fingerhoff am Kommentatorenpult. "Das zeugt von sehr guter Ausbildung. Da soll noch jemand sagen, in Deutschland gäbe es kein gutes Amateurboxen."

Während die eingeübten Bewegungsabläufe zunächst noch in gemäßigtem Tempo veranschaulicht wurden, ging es beim freien Sparring derart zur Sache, dass das ungeschulte Auge teils kaum mehr hinterherkam: Jab, Cross, Haken, Ausweichen, das Zögern des Gegners ausnutzen, um dann vorzupreschen, dabei das Blocken nicht vergessen. Der ATV-Nachwuchs boxte phänomenal - nicht um den Sieg, sondern um die Ehre. Es handelte sich nämlich nicht um Kämpfe, sondern um Technikdemonstrationen. "Aber gerade bei solchen Übungsschlägen muss man ganz bei der Sache sein, um nicht aus Versehen voll durchzuziehen", so May. Kein Schlagabtausch geht ohne Köpfchen.

Das galt ganz besonders für die Poetry-Slammer: Während die Athleten Pausen einlegten, stürmten sie den Ring - stilecht mit Einlaufmusik, live eingespielt von der Band "Lost and Found". Vier Slammer, zwei Ecken, und diesmal ging es ums Ganze: Das Publikum wählte nach jeder Runde den besten Wettstreiter, um im Finale den König des Rings zu krönen.

Für die Gunst der Besucher packten die Wortakrobaten ihre humorvollsten, kreativsten oder aufwühlendsten Texte aus - selbst geschrieben, vorgetragen in maximal fünf Minuten. Nicht immer ging es dabei jugendfrei zu. Für Lacher sorgte etwa Lasse Samström, der in Schüttelprosa über das Bezwingen des "inneren Heineschwunds" philosophierte und zu dem Fazit kam: "Schicken ist fön, aber schichten ist döner."

Robert Otten ernannte das Grillen zum deutschen Volkssport und klagte sehnsüchtig: "Das Barbecue - der letzte verbleibende Outdoor-Männer-Steinzeitauftrag". Nachdenklich und melancholisch zeigte sich Casjen Ohnesorge, der es hochverdient mit der 18-jährigen Anne Linscheid ins Finale schaffte. Gegen Linscheids herausragend frech-charmantes Lamento über vaginale Trockenheit im Alter musste sich der Ausnahme-Slammer letztlich geschlagen geben. Unter lautem Jubel wurde die junge Wortakrobatin zum "Ring frei"-Champion 2015 gekürt.

Es wurde zwar nur dieser eine Titel verliehen, und doch gab es beim ersten Honnefer "Box-Poetry-Slam" nichts als Gewinner. Die Kombination von Kraft und Köpfchen schreit nach Wiederholung: Die rund 150 Zuschauer waren überzeugt. Keine Selbstverständlichkeit bei einem Gegensatz wie dem von Athletik und Poetik.

Informationen zum veranstaltenden Verein unter www.literaturkreis-siebengebirge.de.

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