Honnefer Ärztin hilft in Nepal "Sie schreiten mit Mut voran"

Die Bad Honnefer Ärztin Gudrun Müller berichtet von ihrem vierwöchigen Einsatz in Nepal.

 Bei der Untersuchung: Gudrun Müller arbeitete vier Wochen ehrenamtlich in Nepal.

Bei der Untersuchung: Gudrun Müller arbeitete vier Wochen ehrenamtlich in Nepal.

Foto: PRIVAT

Vier Wochen lang hat die Bad Honnefer Internistin Gudrun Müller in Nepal nach den Erdbeben im April und Mai medizinische Hilfe geleistet. Jetzt ist sie wieder zurückgekehrt. Was die Ärztin des CURA-Krankenhauses in einem Bergdorf und auf dem Weg dorthin erlebt hat, darüber sprach sie mit Philipp Königs.

Frau Müller, in welchem Einsatzgebiet waren sie im Krisengebiet unterwegs?

Gudrun Müller: In Lamusanghu. Also inmitten des Gebiets, das die schwersten Erschütterungen abbekommen hat. In dem Bergdorf, in dem wir waren, leben etwa 10 000 Menschen, die ausnahmslos ihre Häuser verloren haben. Dort steht kein Stein mehr auf dem anderen. Während die Häuser in einigen Teilen der Hauptstadt Kathmandu das Erdbeben aufgrund ihrer soliden Bauweise weitgehend unbeschadet überstanden haben, bauen die Dorfbewohner zwar mit Steinen aber meistens ohne Zement.

Konnten Sie problemlos mit Ihrer Arbeit beginnen oder gab es Probleme?

Müller: So einfach war das nicht. Unser Equipment brauchte einige Tage, bis es an Ort und Stelle ankam, weil der indische Luftraum einige Zeit gesperrt war. Hinzu kommt die schwierige Infrastruktur im bergigen Nepal. Die meisten Menschen leben in völliger Abgeschiedenheit und sind mit Lastwagen oder Autos nur schwer erreichbar.

Was haben Sie vor Ort erlebt?

Müller: Aus medizinischer Sicht besteht die meiste Arbeit darin, Wunden zu versorgen. In etwa der Hälfte aller Fälle geht es um Infektionen, die einer schlechten Versorgung geschuldet sind. Es stand kaum Wasser zur Verfügung. Das Wasser, das es gab, war in vielen Fällen kontaminiert. Oft entstehen deshalb nach einigen Wochen und Monaten Seuchenprobleme nach solchen Katastrophen.

Was ist Ihnen am Eindrücklichsten in Erinnerung geblieben?

Müller: Unsere eindrücklichste Geschichte war sicher die eines zwölfjährigen Jungens mit schwerer Herzinsuffizienz auf dem Boden eines rheumatischen Fiebers, den die Eltern, weil er so kraftlos und geschwächt war, dass er selbst gar nicht mehr laufen konnte, drei Stunden im Tragetuch auf dem Rücken die Berge hinunter in das "Field Hospital" der Malteser International gebracht hatten. Ihnen war berichtet worden, dass Menschen hier kostenfrei behandelt würden. Die Familie hatte alles verloren und hauste auf 2000 Metern Höhe unter Plastikplanen am Bergrand. Sie waren so arm, dass sie sich keine medizinische Versorgung für den Kleinen mehr leisten konnten und das Kind schon dem Tode geweiht sahen.

Konnte ihm geholfen werden?

Müller: Mit logistischer und medizinischer Unterstützung durch Malteser International gelang es schließlich, den Jungen in das zwei Stunden entfernte University Hospital Kathmandu zu bringen, wo er derzeit noch behandelt und stabilisiert wird. Die Freude und Dankbarkeit der Eltern war für das ganze Team eine wirklich tolle Erfahrung.

Wie gehen die Menschen in Nepal mit diesen traumatischen Erlebnissen um?

Müller: Für die Lage, in der sich viele befinden, sind sie erstaunlich positiv und proaktiv gestimmt. Sie schreiten mit neuem Mut voran. Ich glaube, das hat etwas mit ihrem Glauben zu tun. 80 Prozent der Bevölkerung sind ja Hinduisten oder Buddhisten. Gerade die Jüngeren überlegen schon, wie sie ihren Ort wieder aufbauen können und sind voller Pläne.

Sie waren schon mehrmals im Einsatz nach Katastrophen: Wie funktioniert das?

Müller: Vor Jahren hat mich mal ein Kollege gefragt, ob ich mir so etwas vorstellen kann. Seitdem stehe ich auf einigen Listen von Hilfsorganisationen. Im Fall Nepal waren es dieses Mal die Malteser International, die gefragt hatten.

Und das Cura-Krankenhaus, ihr Arbeitgeber, lässt sie dann einfach gehen?

Müller: Es muss natürlich gerade passen. Und das hat es in diesem Fall getan. Ich konnte zwei Wochen meines Urlaubs nehmen und zwei Wochen Sonderurlaub hat das Krankenhaus genehmigt.

Zur Person

Gudrun Müller arbeitet seit vergangenem Jahr als Oberärztin im Cura-Krankenhaus in Bad Honnef. Zuvor hat die Internistin zweieinhalb Jahre in den Niederlanden als Medizinerin gearbeitet. Vor ihrem Einsatz in Nepal war sie bereits in anderen Krisengebieten nach Katastrophen im Einsatz wie auf Haiti und in Indonesien. Ihre ehrenamtliche medizinische Hilfe hat sie auch bereits bei längerfristigen Projekten in Bangladesh und dem Sudan eingebracht. Die 45-jährige Medizinerin stammt aus Sankt Augustin.

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