Spannende Stadtführung in Unkel Richeza von Polen lässt bitten

UNKEL · Die Sonne schmiegt sich an den Horizont, die nächtliche Kühle macht sich in den Straßen und Gassen breit. Es ist still, sehr still in Unkel, als einstige Bewohner aus längst vergangenen Zeiten dem Rheinort einen letzten Besuch abstatten.

 Stadtgeist Unkulus treibt seinen Schabernack und nimmt den Nachwuchs mit auf einen tollen Ausflug in die Stadtgeschichte.

Stadtgeist Unkulus treibt seinen Schabernack und nimmt den Nachwuchs mit auf einen tollen Ausflug in die Stadtgeschichte.

Foto: Frank Homann

Zu erkennen geben sie sich allerdings keinen gewöhnlichen Leuten - nur junge Augen können erhaschen, was hier Absonderliches vor sich geht. Vor der Mariensäule am Rheinufer tummeln sich die Kleinen, 14 an der Zahl, und warten gemeinsam mit ihrer Begleiterin Ida Melos, der Geliebten und späteren Ehegattin des Lyrikers Ferdinand Freiligrath, auf ihren Stadtführer.

Wo bleibt er denn? Als dann die letzten Sonnenstrahlen versiegen, lugt auf einmal eine Gestalt im gelben Gewand hinter der Mauer hervor - der Stadtgeist Unkulus ist da. Es kann losgehen auf historische Entdeckungstour.

Ins Leben gerufen wurde die Kinderführung, die mittlerweile zum festen Programm des Unkeler Geschichtsvereins zählt, 2006 - "damit nicht immer bloß die Erwachsenen zum Zug kommen", erklärt Organisatorin Johanna Knoppik, die an diesem Abend in die Rolle der Ida Melos geschlüpft ist. Spannend, anschaulich und humorvoll will man dem Nachwuchs Lokalhistorie vermitteln - aus dem Klassiker im Repertoire des Geschichtsvereins ist Publikumsliebling Unkulus, verkörpert von Elmar Kanschik, daher kaum mehr wegzudenken.

Denn Geister treiben nunmal Schabernack, und auch der neckische Stadtgeist kann sich das gelegentliche Späßchen nicht verkneifen - sehr zur Freude der kleinen Entdecker. "Die Ida hat einen Lover", raunt die freundliche Spukgestalt den Kindern zu, als sich alle, in Laternenlicht getaucht, gemeinsam um eine Parkbank sammeln. "Wisst ihr, was das ist?" Ida seufzt, die Kleinen kichern, Unkulus grinst schelmisch.

Als erstes treibt es den Entdeckertrupp zum Herresdorfschen Haus - an diesem Abend ausnahmsweise eine waschechte "Burg Unkel", denn hier lädt ihre Majestät, Königin Richeza von Polen (Silke Pesau), einst um das Jahr 1000 Fronherrin von Unkel, zur royalen Audienz.

Kein Wunder, dass die jungen Gäste zunächst etwas schüchtern wirken. Doch bevor es hineingeht in die Burg, muss zunächst höfisches Gebaren einstudiert werden. "Wie begrüßt man eine Königin?", fragt Lehrmeister Unkulus in die Runde. Ganz genau: "Rechtes Bein nach vorne, linke Hand vor die Brust, den rechten Arm nach oben, und dann verbeugen."

Über den Friedhof geht es weiter zur Kirche St. Pantaleon, zu später Stunde noch hell erleuchtet. Drinnen wartet, ganz in schwarz gekleidet, Katharina Eschenbrender (Elsbeth Bovy), vor knapp einem halben Jahrhundert in Unkel ansässig, und erzählt voller Stolz von ihren sechs Kindern. Besonders angetan ist sie von ihren beiden Söhnen Andreas und Gottfried: Der eine wurde Domkapitular und damit der Ratgeber des Erzbischofs von Köln, der andere diente drei Jahrzehnte lang als Unkeler Pfarrer.

"Und er hat dieser Kirche den riesengroßen Altar geschenkt", schwärmt die Mutter sichtlich gerührt. Dann geht es die enge Wendeltreppe hinauf in den Gefängnisturm, wo Anton Kühlwetter (Piet Bovy), das letzte Opfer der Todesstrafe in Unkel, in seiner Zelle auf die Vollstreckung im Morgengrauen wartet - als Strafe für ein paar stibitzte Hemden und eine Doppelehe.

Er ist außer sich, krakelt, rasselt mit den schweren Eisenketten. "Keine Angst, Kinder", beschwichtigt Unkulus, "der arme Kerl kann euch nichts tun." Trotzdem lieber schnell weiter. "Halt!" - Am Corneliaweg wird der Trupp auf einmal von einem Nachtwächter (Norbert Knoppik) angehalten, der die Passanten misstrauisch beäugt. Zum Glück ist alles in Ordnung, Unkulus und sein Gefolge dürfen passieren - zuvor müssen sie dem rätselnden Nachtwächter allerdings erklären, was es mit all den "breiten Pferden mit vier Rädern" auf den Straßen auf sich hat. "Das sind Autos", erbarmt sich ein Junge beinahe mitleidvoll.

Und da ist sie auch schon beinahe vorbei, die Führung durch Unkels bewegte Historie. Die Tour endet nach anderthalb Stunden im Alten Rathaus, wo Bürgermeister Gerhard Hausen die Kinder zurück in der Gegenwart empfängt. Die Kleinen strahlen: Toll war's. Denn Geschichte macht besonders dann Spaß, wenn sie - im wahrsten Sinne des Wortes - lebendig ist.

Bei den Stadtführungen für Kinder werden zwei Euro Teilnehmerbeitrag pro Kind erhoben. Infos unter Tel. 0 22 24/93 14 10 oder per E-Mail an geschichtsverein@unkel.org.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort