Windkraft im Siebengebirge Neue Fakten, alter Zwist

RHEINBREITBACH · Es liegt nicht einmal 100 Tage zurück, da dürfte selbst der Bürgermeister kurz gestutzt haben, als er den ersten Infoabend in Erpel eröffnete: Ein Windpark wird geplant - und niemand protestiert?

Karsten Fehr musste nicht hellsehen können, um zu wissen: Dieser Donnerstag, dieser zweite Infoabend, wird stürmischer, kontroverser und vermutlich auch emotionaler als der vorherige. "Ein Abend, an dem sich alle einig sind, ist ein verlorener Abend", zitierte er Albert Einstein deshalb gleich zu Beginn und hoffte auf "einen gewinnbringenden Abend". Der ist es geworden - denn einer Meinung waren sie sich erwartungsgemäß auch nach vier Stunden nicht.

In sieben Vorträgen erhielten die Bürger Informationen aus erster Hand. Karsten Fehr nahm zuallererst aber Dampf aus dem Kessel: "Wir sind noch in der Schlaumach-Phase. Es ist noch rein gar nichts entschieden. Wir sind noch immer Herr des Verfahrens. Aber uns geht Gründlichkeit vor Eile."

Sollte nur eines der neun in Auftrag gegebenen Gutachten negativ ausfallen, wäre der Windpark vom Tisch. Doch was passiere, wenn die Gutachten einem Windpark nicht entgegenstehen, der Bürgerwille aber ein derartiges Projekt verhindere, fragten die Gegner. "Wenn wir freiwillig von dem Vertrag abweichen wollen, müssen wir uns mit der EVM zusammensetzen", sagte Fehr. Eine Bürgerbefragung, so der Verbandschef, sei aber nicht vorgesehen.

Hannes Mörtel von der Firma Enova stellte den aktuellen Stand vor: So seien nicht mehr 18, sondern maximal 16 Windräder im äußersten Fall zu realisieren. Es werde aber intern nur noch mit fünf bis zehn geplant. Für jedes Windrad müssten dann 2000 Quadratmeter Wald gerodet werden.

Zudem nahm er den Anwohnern die Furcht vor störenden Geräuschen und Schattenschlag. Jedes Haus, so Mörtel, dürfe vom Gesetzgeber nur acht Stunden pro Jahr den Schattenwurf sehen. Zudem sieht die aktuelle Planung vor, mehr Platz zu den angrenzenden Gemeinden - zum Beispiel 1450 Meter bis zur Breiten Heide - zu lassen.

Erstmals legte die Verbandsgemeinde Fotomontagen aus verschiedenen Perspektiven vor. Das beauftragte Planungsbüro erarbeitete "sachkundig erstellte Impressionen", die bei den Windpark-Gegnern jedoch für heftige Kritik sorgten. Bis Ende 2014 sollen sie - wenn es nach der EVM und der VG Unkel geht - dort stehen.

Doch die ausstehenden Gutachten und Genehmigungsverfahren (siehe Info-Box) lassen eine spätere Realisierung vermuten. "2015 ist für uns kein K.o.-Kriterium, sondern mindert nur die Wirtschaftlichkeit", sagte EVM-Sprecher Christian Schröder. Es war eine meist sachliche Debatte.

Doch zwischenzeitlich kochten auch die Emotionen über. Das emotionalste Plädoyer hielt Cilly Adenauer, die als Erpeler Ortschefin und vermeintliche Antreiberin des Windparks im Laufe des Abends immer wieder in die Kritik geriet: "Wer mag es uns als Gemeinde mit leerer Kasse verübeln, über diese Möglichkeit nachzudenken?" Die Antwort aus dem Publikum folgte unmittelbar: "Wir."

Am Ende gaben sich beide Lager höflich die Hand. Klaus Beydemüller, Sprecher der Bürgerinitiative "Pro Naturpark pur", sagte, er sei zwar ein wenig schlauer, aber nicht zufriedener geworden: "Es bleiben noch viele offene Fragen, in erster Linie: Ist unser Gebiet dafür geeignet? Unsere Natur hat es verdient, dass wir auf Nummer sicher gehen." Eine Antwort darauf werden letztlich die ausstehenden Gutachten geben.

Warum gerade hier? Wie Befürworter und Gegner argumentieren

Der Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern geht weiter. Ihre Argumente haben beide Seiten längst ausgetauscht. Der GA fasst sie noch einmal - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zusammen.

Das sagen die Befürworter:

  • Teilhabe an der Energiewende: Bis 2020 soll der Strombedarf jedes fünften deutschen Haushaltes mit erneuerbarer Energie gedeckt werden. Die VG Unkel will sich an diesem Ziel aktiv beteiligen und argumentiert: Allein mit dem gewonnenen Strom aus den geplanten Windrädern könnten 20.000 bis 30.000 Tonnen des Klimagases Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Das entspricht dem Ausstoß von bis zu 15.000 Autos.
  • Gewinne für die Gemeinde: Ein Windpark wäre wie ein Jackpot für die klamme Verbandsgemeinde. Ein sechsstelliger Euro-Betrag dürfte jährlich in die Kassen gespült werden, garantiert auf 20 Jahre. Zudem locken hohe Einnahmen aus der Gewerbesteuer.
  • Rendite für Bürger: Die Bürger können sich nach Ansicht der Bürgerinitiative "Unsere Wind-Energie" als Genossenschaft an den Windrädern beteiligen und profitierten schließlich durch finanzielle Einlagen. Versprochen wird eine beachtliche Rendite.

Das sagen die Gegner:

  • Verschandelung des Landschaftsbildes Siebengebirge: Eines der schönsten Naturwunder Deutschlands drohe optisch zerstört zu werden. Das würde sich, so die Windpark-Gegner, vor allem auf den Tourismus und auf die Ernennung zum Unesco-Weltkulturerbe auswirken.
  • Natur- und Tierschutz: Ob Gelbbauchunke, Schwarzstorch oder gerodeter Wald - die Windparkgegner sorgen sich um die Natur und Tierwelt.
  • Negative Auswirkung für die Anwohner: Lärm, Schattenwurf, sinkende Immobilienwerte - all das droht insbesondere den Anwohnern in den umliegenden Gemeinden.
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