Interview mit Ursula Voll "Natürlich bin ich für die Frauenquote"

BAD HONNEF · Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) an Sankt Johann Baptist in Bad Honnef wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Alev Dogan sprach über die Veränderungen und die Bedeutung der kfd heute mit der Vorsitzenden Ursula Voll.

 Immer auf Achse: Vor Weihnachten überbringen die Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft um ihre Vorsitzende Ursula Voll (2.v.r.) beispielsweise Blumengrüße.

Immer auf Achse: Vor Weihnachten überbringen die Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft um ihre Vorsitzende Ursula Voll (2.v.r.) beispielsweise Blumengrüße.

Foto: Frank Homann

Frau Voll, wofür braucht man diese Frauengemeinschaft im 21. Jahrhundert?
Ursula Voll: Die kfd ist eine bundesweit agierende Gemeinschaft mit 550 000 organisierten Frauen. Wenn sich so viele Frauen gebündelt engagieren, hat das natürlich auch eine Wirkung. Als Frau von der Leyen Familienministerin war, haben wir es zum Beispiel geschafft, 200 200 Unterschriften an sie zu schicken, mit dem Ziel, Müttern, die vor 1992 Kinder geboren haben, eine Rente zu gewähren. Eine ähnliche Aktion mit 140 000 Unterschriften haben wir auch an die Deutsche Bischofskonferenz gesendet, mit dem Ziel, Geschiedene und Wiederverheiratete zu den Sakramenten zuzulassen.Wir sind eine bestens organisierte Plattform, um die Interessen der Frauen in unserer Gesellschaft zu vertreten.

Was war der Anlass, im Jahr 1964 überhaupt diese Gemeinschaft in Honnef zu gründen?
Voll: Es gab einen echten Bedarf an einem Frauenverein mit sozialem Aspekt. So gab es beispielsweise im Gründungsjahr einen erheblichen Personalnotstand in den Krankenhäusern. Wer wurde um Hilfe gebeten? Wir. Unsere Frauen von der kfd haben das Krankenhaus unterstützt, indem sie in der Waschküche arbeiteten. Wir haben auch in den Altersheimen ausgeholfen, haben die Menschen bei Haushaltsauflösungen unterstützt, haben einen Telefondienst in Bad Honnef gegründet, um einsamen und kranken Menschen eine Anlaufstelle zu bieten. Sie müssen sich vorstellen, die 60er Jahre waren die Zeit des großen Frauenaufbruchs. Und das hat sich natürlich auch in Bad Honnef gezeigt. Mit Weihnachtsaktionen und ähnlichen Veranstaltungen haben wir schon zur Zeit der Gründung nicht nur zur Kirche hin gearbeitet, sondern uns für unsere kommunale Gemeinde eingesetzt.

Gab es im Laufe der Vereinsgeschichte eine Verlagerung der Ziele oder der Tätigkeitsfelder?
Voll: Unser Engagement auf dem gesellschaftspolitischen Parkett hat an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile geht es nicht mehr nur darum, unsere Gemeindemitglieder zu unterstützen, indem wir Weihnachtsgeschenke an Bedürftige spenden oder Gemeindeinstitutionen unterstützen. Wir schauen stärker über den eigenen Kirchturm hinaus. Außerdem hat sich mit dem Wandel des Frauenbildes auch unser Anspruch geändert. Wir Frauen dürfen nicht mehr nur die Putzfrauen der Kirche sein. Wir wollen mitwirken und Ämter übernehmen. Wir sind auch an großen Demonstrationen beteiligt, zum Beispiel gegen Zwangsprostitution oder gegen ungleichen Lohn und gegen die Altersarmut der Frauen. Wo in unserer Gesellschaft Missstände herrschen, da drückt die kfd ihren Finger drauf.

Sie sprechen immer über "Wir" oder "unsere Frauen". Was sind das für Frauen, die Mitglied der kfd sind?
Voll: Das sind aufgeschlossene, fröhliche und lebensbejahende Frauen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und auch Konfessionen. Wir haben Familienmütter, Alleinerziehende, Geschiedene, Wiederverheiratete und Lesbische. Alle sind sie engagiert. Und natürlich gehört auch das Spirituelle dazu. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, wenn Sie so wollen.

Sie sind seit 24 Jahren Mitglied, seit 20 Jahren Vorsitzende. Haben sich die Frauen der kfd geändert? Haben sie neue Wünsche?
Voll: Es tut weh, mit ansehen zu müssen, wie unsere Frauen, gerade die mit Familie, immer gestresster sind vom Leben. Sie müssen mittlerweile so viel Zeit in Beruf und Familie investieren, dass ich einen viel höheren Grad an Anspannung in unseren Veranstaltungen bemerke. Gesellige Festivitäten werden fast nur noch von unseren Senioren besucht. Wenn jüngere Mitglieder erscheinen, gucken sie alle fünf Minuten auf die Uhr.

Was ist Ihr persönlicher Ausblick auf die Arbeit der kfd?
Voll: Ich als Vorsitzende wünsche mir, dass unsere Gemeinschaft noch lange Zeit erhalten bleibt und wir uns für unsere Mitglieder und unsere Gesellschaft weiterhin engagieren können.Wir stehen dafür, dass sich die Lebensqualität und Lebensentfaltung unserer Frauen - dazu gehören Bildung und Ausbildung - erhöhen. So wird sich die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands entwickeln. Auch wenn sie nicht jeder braucht, für viele ist sie trotzdem wichtig!

Welche - vielleicht neuen - Herausforderungen sehen Sie in Ihrer Tätigkeit für die Frauengemeinschaft?
Voll: Die größte Herausforderung ist es wohl, unsere Frauen mit Familie und Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Eine Familienmutter zu sein, soll auch ohne Karriereknick möglich sein. Wie viele von uns müssen sich nach dem ersten Kind mit Minijobs oder Halbzeittätigkeiten abgeben? Wenn man sich scheiden lässt und der Mann geht, dann ist oft Armut programmiert. Das aktuelle Scheidungsrecht benachteiligt nämlich erheblich Frauen mit kleinen Kindern, das sage ich Ihnen!

Sind Sie denn auch für die Frauenquote?
Voll: Aber natürlich bin ich für die Frauenquote! Qualifizierte Frauen gehören in alle Positionen unserer Gesellschaft. Dafür muss man etwas tun.

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