IUBH-Studenten Mit den Augen einer Fremden - Unterwegs mit einer Inderin

BAD HONNEF · Die Deutschen, sie laufen viel, hupen selten, rauchen oft, trinken Bier, viel Bier. Und, sie halten Händchen, küssen sich öffentlich, mitten in der Innenstadt. Sie vereinbaren Termine. Selbst dann, wenn sie sich nur mit Freunden treffen. Sie sprechen schlecht bis gar nicht englisch, helfen behinderten und älteren Menschen und tolerieren homosexuelle Paare.

 Aarti Menik (27) ist seit sieben Monaten Master-Studentin an der Internationalen Universität Bad Honnef (IUBH). Der GA ging mit ihr durch die Stadt und bat sie um eine Einschätzung. All das, was ihr auffiel, fotografierte sie.

Aarti Menik (27) ist seit sieben Monaten Master-Studentin an der Internationalen Universität Bad Honnef (IUBH). Der GA ging mit ihr durch die Stadt und bat sie um eine Einschätzung. All das, was ihr auffiel, fotografierte sie.

Foto: Frank Homann

Am Anfang war der Kulturschock. Aarti Menik, 27, kommt aus Punjab im Norden Indiens. Sie spricht fließend englisch, sagt oft "wow" oder "shocked", wenn sie von ihrer neuen Wahlheimat Bad Honnef erzählt. Je nachdem, ob sie begeistert oder abgeschreckt ist. Der Stadtrundgang hat noch gar nicht begonnen, da steht fest: Die Studentin könnte schon jetzt, nach gerade einmal sieben Monaten in Deutschland, eine Masterarbeit über kulturelle Unterschiede aus dem Ärmel schütteln.

Doch darum geht es an diesem Nachmittag nur am Rande. Das neue Semester an der Internationalen Hochschule Bad Honnef (IUBH) hat gerade begonnen. Wieder sind hier viele ausländische Studenten heimisch auf Zeit geworden. Wir wollten wissen: Wie sehen sie diese Stadt zwischen Insel und Bergen? Wie empfinden sie das Stadtbild, die Menschen, das Leben hier?

Aarti Menik ist noch keine Woche in Bad Honnef, da erhält sie von einer anderen ausländischen Studentin folgenden Tipp: Wenn es dir gut geht, geh' in die Fußgängerzone - da pulsiert das Leben. Es sei, so die Tippgeberin, der einzige Ort, wo Studenten tagsüber hingehen. Wenn es dir jedoch schlecht geht, du Heimweh hast, geh' an den Rhein, auf die Insel Grafenwerth, wo du im Sommer die Hasen flitzen sehen kannst. Aarti Menik geht es gut an diesem Tag, der dem Spätsommer alle Ehre macht. Also gehen wir in die Fußgängerzone.

Die Tische vor der Eisdiele sind fast alle belegt, Bad Honnef zeigt sich von seiner Schokoladen(eis)-Seite. "Wow", sagt Menik. "Ich wünschte, bei uns könnte man draußen sitzen, Kaffee trinken und Eis essen." Aber Cafés bieten das in Indien nicht an: zu heiß sei es draußen. Trotzdem gingen die Leute hier selten vor die Tür, sei ihr aufgefallen. Es sei denn, es ist so warm wie heute. Eine Kugel Eis könnte sich ein Inder hier nicht leisten. "Mit 80 Cent kaufen Inder Essen für eine Woche", sagt sie.

Auf dem benachbarten Spielplatz drängeln sie sich auf das Klettergerüst. "Ach, hier gibt es so viele blonde Kinder, wow", stößt Aarti Menik freudig aus und hält sofort wieder inne, als im Hintergrund die Kirchenglocke von Sankt Johann Baptist läutet. "Das Geräusch erinnert mich an meine Heimat. Da gibt es so viele Tempel", sagt die Hinduistin. Es sei eine so hübsche Kirche, nicht zu vergleichen mit dem Kölner Dom ("wow"), natürlich nicht, aber für eine kleine Stadt wie Bad Honnef ein Hingucker. "Aber", sagt sie schließlich ernst, "ich bin schockiert gewesen, als ich erfahren habe, wie wenige Menschen in Deutschland noch an Gott glauben und in die Kirche gehen."

Sie selbst betet vor jedem Essen und vor dem Schlafen. Apropos Essen: "Überall gibt es Fleisch und Brot, überall. Die heimische Vielfalt von Gerichten fehlt mir in Bad Honnef", sagt sie. Wenn Aarti Menik die Verbundenheit mit ihrer neuen Wahlheimat beschreibt, zerlegt sie diese in vier Phasen. Phase eins: Hallo Deutschland. Phase zwei: Warm werden mit Deutschland. Phase drei: Das Land lieben. Phase vier: Es als die eigene Heimat betrachten. Sie sei nun in Phase zwei angekommen, sagt sie. Seit März dieses Jahres studiert Menik an der IUBH Internationales Management, vor zwei Wochen ist sie vom Studentenwohnheim in eine internationale Wohngemeinschaft umgezogen.

Wir kommen an einem Juwelier vorbei, edlen Schmuck gibt es hier zu kaufen, als die Inderin erzählt: "Hier ist Swarovski großer Luxus. In meiner Heimat kaufen sie Gold und Diamanten, wenn die Frau einen Mann heiratet." Oder besser: heiraten soll oder sogar muss. Eine Art Mitgift an den Bräutigam, der fortan für sie sorgen muss.

Zurück nach Bad Honnef. Aus architektonischer Sicht ist Aarti Menik von der Rheinstadt angetan. Die guten Straßen, die Spitzdächer ("Bei uns gibt es nur flache Dächer. Aber bei uns schneit es ja auch nicht"), die Geschäfte.

Wobei letztere ihr erst gar nicht ins Auge fielen: "Die sehen von außen aus wie normale Wohnhäuser. Das hat mich anfangs irritiert", sagt sie.

Als die 27-Jährige vor sieben Monaten in Frankfurt landet, trifft sie zufällig eine andere Inderin, die bereits einige Zeit in Deutschland verbracht hat. Sie sagte ihr: "Erwarte nicht, Freund eines Deutschen zu werden. Es braucht ewig, bis sie dir vertrauen." Heute resümiert Menik: Ihre Landsfrau hatte Recht. "Die Menschen sind kühl, sie sprechen deutsch, wenn ich daneben sitze, obwohl sie wissen, dass ich sie noch nicht verstehe. Wir tun in Indien alles, damit sich unser Gast wohl fühlt." Im Gegensatz dazu schwärmt sie vom Respekt, den sich die Menschen hier gegenseitig zeigen. Niemand hupt. Sie helfen Älteren in den Zug. Sie akzeptieren, wenn sich Homosexuelle öffentlich zeigen. "Deutschland ist ein freies Land", sagt sie. Und schiebt noch ein Wort begeistert hinterher: "Wow."

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