Landesgartenschau in Oelde Ludger Junkerkalefeld: "Es war eine goldrichtige Entscheidung"

Bad Honnef · Ludger Junkerkalefeld, mitverantwortlich für die Landesgartenschau 2001 in Oelde, über Fördertöpfe und den Wert der Bürgerbeteiligung.

Mit 2,23 Millionen Besuchern toppte die Landesgartenschau 2001 in Oelde in Westfalen sämtliche Erwartungen und ging als erfolgreichste aller bis heute ausgerichteten 14 Landesgartenschauen in Nordrhein-Westfalen in die Geschichte ein. Ludger Junkerkalefeld war einer der Macher der Schau "Blütenzauber und Kinderträume", die die Familien ins Zentrum stellte. Mit dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Landesgartenschau-GmbH und heutigen Leiter des städtischen Eigenbetriebes "Forum" in Oelde sprach Claudia Sülzen.

Wie ging es damals los mit der Landesgartenschau in Oelde?
Ludger Junkerkalefeld: Die Stadt kam eher zufällig zum Zuge. Oelde hatte sich bereits einmal beworben, vergebens, und sich dann zwischenzeitlich sehr auf die Stadtentwicklung konzentriert. Dann kam ein Anruf aus Düsseldorf und wir wurden gefragt, ob wir unsere Bewerbung aufrecht erhalten würden.

Das heißt, Oelde hatte schon ein integriertes Stadtentwicklungskonzept?
Junkerkalefeld: Ohne dass es damals schon so geheißen hätte. Aber ja: Die städtebaulichen Ziele - Renaturierung, Ökologie, Hochwasserschutz, Stadtentwicklung Richtung Autobahn, ökologisch wertvolle Anbindung von Gewerbe und Wohnen - waren definiert. Die Voraussetzungen waren bei uns natürlich andere als etwa in Ruhrgebietsstädten. Dort galt es, wenn Sie so wollen, aus brauner Erde grüne Erde zu machen - bei uns aber war die Welt, was das angeht, in Ordnung. Und auch städtebauliche Probleme wie die Entwicklung ehemaliger Industriequartiere gab es nicht - aber eben diesen heruntergewirtschafteten Stadtpark. Den haben wir zur Keimzelle unserer Machbarkeitsstudie gemacht. Hinzu kamen weitere 20 Hektar. Nur der Park, das wäre zwar schön gewesen, aber es ging ja auch um die städtebaulichen Aspekte.

Das heißt, bei Oelde stand am Anfang die Stadtentwicklung, die Landesgartenschau kam on top?
Junkerkalefeld: Ja. Wie gesagt, von integrierten Stadtentwicklungskonzepten, wie es sie heute gibt, war damals noch nicht die Rede. Aber wir hatten unsere Prioritäten gesetzt, über die Flächennutzungsplanung, über Stadtentwicklungs- und Verkehrsinfrastrukturvorhaben, über das Credo einer Stadt für Familien. Worum es uns jetzt ging, war, und das ist ein ganz wichtiges Stichwort, nachhaltig die Entwicklung der Stadt voranzubringen, ein grünes Band durch die Stadt zu legen. Und das sozusagen implementiert in eine sowieso vorhandene Prioritätensetzung, die es ja gab. Im Normalfall hätte man diese Prioritäten über Jahre abgearbeitet, einiges davon vielleicht erst in zehn oder mehr Jahren.

Mit der Landesgartenschau geht so etwas schneller?
Junkerkalefeld: Ganz sicher sogar. Durch die Landesgartenschau und die damit verbundene städtebauliche Förderung - und die ist ja erst das Salz in der Suppe - bestand die Chance, Dinge viel zügiger anzugehen als es sonst der Fall gewesen wäre. Das ist der ganz, ganz große Vorteil einer Laga: Sie machen es dann auf den Punkt. Sie haben, und so war es in Oelde ja auch, ein festes Eröffnungsdatum: Sie sind dann fertig, weil Sie fertig zu sein haben.

Hat man es einfacher, wenn es um Fördergelder geht?
Junkerkalefeld: Zunächst einmal hat man nicht diese elendig langen Planungsprozesse. Wie gesagt: Es gibt einen Eröffnungstermin, dann muss die Sache stehen. Und natürlich hat eine Stadt einen ganz anderen Zugang zur Förderkulisse, sie ist beim Land ganz anders gelistet als die anderen 392 und noch was Kommunen, die irgendwann irgendwie irgendetwas machen wollen. Das war auch für uns eine Riesenchance, und die haben in Oelde unisono alle gesehen. Auch, weil es ohnehin unserer perspektivischen Planung entsprach. Der ein oder andere meinte schon, lass uns die Sache zeitlich ruhiger angehen, nicht alles auf einmal. Aber inhaltlich gab es überhaupt keine Fragezeichen.

Wenn es schon Prioritäten in der Stadtentwicklung gab, was hat es dann der Stadt gebracht?
Junkerkalefeld: Wir haben immer gesagt: Auch wenn wir es nicht werden - alleine diese intensive Beschäftigung mit der mittleren Zukunftsperspektive, die wir seinerzeit sofort schon im Rahmen der Machbarkeitsstudie mit der Bevölkerung gestartet haben, bringt die Stadt voran. Anders gesagt: Jede Stadt, die sich bewirbt, gewinnt. Klar gab es da kritische Nachfragen, aber insgesamt wurde das auch in der Bevölkerung positiv gesehen. Das hat man uns damals vom Land gesagt: Ganz wichtig ist eine positive Grundhaltung in der Bevölkerung. Und natürlich im Rat. Also, wenn wir eine Abstimmung gehabt hätten so 17 zu 15, ich glaube, das wäre schwierig geworden.

Warum?
Junkerkalefeld: Das Land unterstützt die Sache enorm, nicht alleine mit fünf Millionen Euro pauschal für die Durchführung, sondern aus vielen Fördertöpfen. Und das sind schließlich Steuergelder. Ich verstehe, auch aus der Sicht des Landes, dass man die Bürger im Boot haben will. Transparenz ist darum sehr wichtig. Ein Beispiel: Als der Wettbewerb ausgeschrieben war, kamen sieben Planungsbüros für 14 Tage nach Oelde, um dort zu arbeiten. Was haben wir gemacht? Wir haben die Teams in Schaufenster gesetzt, so dass jeder sehen konnte, wie sich die Sache entwickelt. Und bei Übergabe des Bewilligungsbescheides? Da waren 400, 500 Bürger dabei. Wir haben es gemacht wie immer in Westfalen, bei Bratwürstchen und Bier. Ganz bodenständig. Es ist wichtig, die Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt mitzunehmen. Dass uns das gelungen ist, zeigt auch, dass der Laga-Förderverein fast aus dem Stand 1000 Mitglieder hatte. Unsere Botschaft war: Unsere Bürger sind die allerwichtigsten Sponsoren. Kirchen, Imker, Landfrauen, Agenda 21, alle waren dabei. Darauf sind wir stolz, das war unser größtes Pfund.

Kritik kommt immer wieder wegen des Geldes, sprich: dem Eigenanteil der Kommune. Wie sah es mit den Finanzen in Oelde aus?Junkerkalefeld: Das Investitionsvolumen belief sich auf 18 Millionen Euro, davon flossen gut zwölf Millionen Euro aus Fördertöpfen, zwischen fünf und sechs Millionen hat die Stadt geschultert. Förderquote also: gut 66 Prozent. Und für den Eigenanteil gilt: In den städtischen Investitionen enthalten war vieles, was wir sowieso hätten machen müssen, etwa der Bau eines Regenrückhaltebeckens für den Hochwasserschutz als Auensee oder auch das Radwegenetz und die gesamte Schulwegsicherung, die war uns sehr wichtig - und hätte im Zweifelsfall mehr gekostet. Zu sagen, man gibt das Geld nur aus, weil die Laga kommt, entspricht nicht der Realität. Hinzu kommt die zeitliche Relation: Bei einem jährlichen Investitionshaushalt von rund zehn Millionen Euro entfielen über die Laga-Jahre jährlich etwa eine Million Euro auf die Stadt - und ermöglicht wurden zusätzlich ganz viele Dinge, die wir ohne die Laga vielleicht nie hätten möglich machen können. Und Investitionen, die sind ja hernach nicht weg. Natürlich gab es auch Kritik. Dazu gilt: Es muss immer Plus- und Minuspol geben, sonst fließt kein Strom. Im Ergebnis waren alle positiv bei der Sache.

Und die Durchführung?
Junkerkalefeld: Der Etat betrug insgesamt 7,5 Millionen Euro, wovon 5,5 Millionen Euro durch Eintrittsgelder wieder hereingekommen sind. Wir haben uns, was die Durchführung angeht, an der ein oder anderen Stelle verhauen. 'Schuld' daran waren die enorm guten Besucherzahlen. Dadurch gab es auch Mehrkosten, und es hat an der ein oder anderen Stelle schon mal gehakt. Aber, auch hier gilt: Man darf die Gelder nicht nur über ein Jahr rechnen, sondern über die gesamte Zeit von der Vorbereitung über die Durchführung bis zur Abwicklung. Wichtig war uns: Wir haben die GmbH fast durchweg mit eigenen Leuten gestemmt, die aus der Verwaltung dafür abgestellt waren, etwa aus dem Bürgerbüro und anderen Fachdiensten. Da kann es dann sein, dass an anderer Stelle etwas liegen bleibt. Aber es steigert auch die Identifikation, davon bin ich überzeugt. Ganz wichtig: Noch während der Prozess läuft, muss man sich Gedanken über das Danach machen, was aus den Flächen wird, ob sie wieder offen sein sollen oder nicht. Das gehört unbedingt dazu.

Worin besteht für Sie der wirkliche Gewinn einer Laga?
Junkerkalefeld: Wenn man die Bürger von Anfang an ganz intensiv mit einbezieht, gewinnt man große Akzeptanz, nicht nur für die Landesgartenschau, sondern für die Stadt insgesamt. Kriegt man dann die Landesgartenschau, ist das schön. Kriegt man sie nicht, hat man aber mit den Bürgern einen Dialog über die Zukunft der Stadt geführt, hat Perspektiven entwickelt über verkehrsberuhigte Bereiche, über Fußgängerzonen, über Naherholung, über Kulturangebote, über die ganze Palette kommunaler Identität. Nur aus der Teilhabe an politischen Prozessen gewinnt man Zustimmung, nicht zu 100 Prozent, um Gottes Willen, aber in der Mehrheit. Wichtiger noch: Man entwickelt eine Zukunftsperspektive. Es gibt doch keine besseren Sachverständigen, als die Einwohner einer Stadt. Entwickelt man mit denen eine Perspektive, dann ist das unbezahlbar, in jeglicher Hinsicht. Und dass sich Politik gemeinsam mit der Verwaltung öffnet, jenseits der Sitzungen im Planungsausschuss etwa, das ist ein ganz großer Vorteil einer Landesgartenschau. Ich mache ja nicht diese Event-Geschichte für 173 Tage, ich mache Stadtentwicklung. Und ich glaube, das ist es auch, worauf die Bürger eine Antwort erwarten. Nicht für die Ewigkeit, aber doch für einen gewissen Planungszeitraum.

Und doch bleibt die Frage nach dem lieben Geld?
Junkerkalefeld: Natürlich muss man die Dinge immer wieder überprüfen, wegen des Haushalts. Und dann gibt es auch Sonderentwicklungen wie jetzt die Flüchtlingsfrage. Aber das ändert doch nichts am gemeinsamen Ziel. Und noch etwas: Die Zufriedenheit der Bürger mit ihrer Stadt finden Sie in keinem Haushalt, die drückt sich halt nicht in Euro und Cent aus. Wie bei der Kultur. Wir hatten jetzt Bernd Stelter da, das war eben so kostendeckend. Aber die Leute hatten Spaß, sind mit einem Lächeln nach Hause gegangen, hatten einen schönen Abend in Oelde. Auch das macht Lebensqualität aus. Und das strahlt eine Stadt aus, es ist ein Standortfaktor. Wenn ich nur mit meiner Kostenrechnung komme, aber diese immateriellen Werte nicht dagegen setze, habe ich verloren. Eine Kommune hat einen völlig anderen Auftrag als ein gewerbliches Unternehmen. Am Ende eine schwarze Zahl, die hätte jede Kommune gerne. Kriegt sie aber nicht. Einen Ausgleich habe ich in der Zufriedenheit der Leute. Noch mal: Sich mit der Zukunft der Stadt zu beschäftigen, ist immer richtig.

Würden Sie wieder für eine Landesgartenschau plädieren?
Junkerkalefeld: Immer. Es war eine goldrichtige Entscheidung.

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