Interview mit Kinderbuchautor Jens Carl Priggemeier "Ich mache da viel aus dem Bauch heraus"

Bad Honnef · Eigentlich hätte Mira ins Ferienlager am Meer reisen sollen. Doch dann kommt alles anders: Mira wird krank, und statt mit anderen Kindern ans Meer geht es mit den Eltern auf einen Bauernhof. Was für Mira, Hauptfigur des Buches "Auf dem Sandsteinhof", eine völlig fremde Welt ist, ist für ihren geistigen Vater eine sehr vertraute, wuchs er doch auf einem Bauernhof auf. Mit Miras "Vater", dem Kinderbuchautor und Pädagogen Jens Carl Priggemeier, sprach Claudia Sülzen.

 Jens Carl Priggemeier liest aus seinem neuen Kinderbuch.

Jens Carl Priggemeier liest aus seinem neuen Kinderbuch.

Foto: Frank Homann

Was war Ihr liebstes Kinderbuch?
Jens Carl Priggemeier: Es ist aus heutiger Sicht schon komisch, aber eigentlich habe ich selbst als Kind gar nicht so gerne gelesen. Bilder waren mir zunächst viel wichtiger. Nein, ich war kein Bücherwurm - das kam erst als Teenager, nicht zuletzt auch durch das Theaterspielen. Dadurch bekam man natürlich einen besonderen Zugang zu den literarischen Stoffen, seien es nun klassische oder modernere.

Wann haben Sie begonnen zu schreiben?
Priggemeier: Da gab es in der Tat ein Schlüsselerlebnis. Der Wunsch bestand schon länger, aber als Jugendlicher schreibt man ja erst mal einfach los. Als ich dann mit der Schule fertig war, wollte ich austesten, ob mehr daran ist an diesem inneren Drang, zu schreiben. Ich setzte mich also an meine erste Kurzgeschichte, sie hieß "Das verrückte Leopardenschwein", und fand zufällig die Ausschreibung für einen Literaturwettbewerb. Also schickte ich die Geschichte ein. Wochen später, ich hatte die Sache längst abgehakt, klingelte es bei uns an der Tür und ein riesiges Paket wurde abgegeben - meine Mutter wollte es erst gar nicht annehmen, sie dachte, ich hätte irgend etwas bestellt. Der Inhalt: der erste Preis in dem Wettbewerb, eine Enzyklopädie. Das war schon toll. Noch viel besser aber war natürlich, dass meine Geschichte veröffentlicht wurde: die eigene Geschichte sehen, so richtig gedruckt. Von da an habe ich eigentlich immer geschrieben, auch experimentiert. Die Idee, etwas Längeres zu schreiben, reifte nach dem Studium.

Das taten Sie dann auch?
Priggemeier: Ja, ich habe nicht gleich das Referendariat begonnen, sondern mir die Zeit genommen, zu schreiben. Dann erinnerte ich mich an den Wettbewerb und den Verlag und habe mein Manuskript von "Im Kamillenwald" eingeschickt. Die Antwort kam an einem Tag, an dem ich besonders viel um die Ohren hatte und eigentlich den Kopf überhaupt nicht frei hatte für irgendwas: Mein Buch war angenommen. Ich habe mich natürlich irrsinnig gefreut.

[Die Lesung]Sowohl "Im Kamillenwald", als auch "Auf dem Sandsteinhof" sind besonders schön illustriert. Wie wichtig ist Ihnen das?
Priggemeier: Das ist für mich in der Tat etwas Besonderes. Es ist doch so: Man schreibt eine Geschichte, hat eigene Bilder im Kopf. Und erfährt dann, welche Assoziationen die eigenen Bilder, wenn Sie so wollen, in den Köpfen eines anderen hervorrufen. Das ist spannend und anregend zugleich, es entsteht ein sehr intensiver Dialog über die Geschichte, über die eigenen Ideen und die des anderen. Und die Geschichten werden durch die Illustration natürlich noch viel besser.

Wie entstand die Idee zu "Im Kamillenwald"?
Priggemeier: Man sucht sich eine Geschichte nicht aus, sie kommt vielmehr zu einem. So war es auch beim Kamillenwald. Ich war damals nach Hause gefahren, sah das Kamillenfeld - und da war sie, meine Geschichte.

Mit Mäusen in den Hauptrollen. Eine Art Fabel?
Priggemeier: Schon, ein Stück weit. Am Ende ist es für mich aber nicht entscheidend, ob die Protagonisten Tiere sind oder Menschen. Entscheidend ist, dass es prägende Charaktere sind.

"Auf dem Sandsteinhof" spielt auf einem Bauernhof. Kindheitserinnerungen?
Priggemeier: Es ist eine Mischung aus Erfahrung und Vorstellung. Natürlich hatte ich den Hof vor Augen, auf dem ich aufgewachsen bin. Für uns Kinder war das ein riesiger Abenteuerspielplatz. Man ist dadurch geprägt, da sind die Wurzeln. Und auch wir hatten, wie die Kinder in meinem Buch, eine Bande, auch wenn wir nicht "Die Sandflöhe" hießen. Die heimliche Hauptfigur meines Buches ist sowieso Fridolin, das Schwein - und das gab es bei uns wirklich. Es wurde bei uns auf dem Hof aufgepäppelt und war wohl das glücklichste Schwein der Welt. Wir hatten gleich danach nochmal einen Fridolin, also fast schon eine Art eine Fridolin-Tradition.

Wie wichtig sind Lesen und auch Vorlesen?
Priggemeier: Ich lese jeden Tag, und wenn ich es nicht tue, fehlt mir etwas. In meinem Freundeskreis wird viel gelesen und auch vorgelesen, und ich lese gerne auch vor und mit den Schülern. Wie wichtig Lesen ist für die Entwicklung, ist ja hinlänglich bekannt. Und die Begeisterung dafür entsteht eben gerade auch über das Vorlesen. Zudem erfordert das Zuhören auch Aufmerksamkeit, für das Buch aber auch für das Gegenüber, das liest - also soziale Kompetenz.

Ihre Geschichten sind nicht Geschichten "nur" für Kinder?
Priggemeier: Ganz sicher nicht. Es sind Geschichten für die ganze Familie.

Fällt es Ihnen als Lehrer leichter, für Kinder zu schreiben?
Priggemeier: Es ist sicher eine besondere Herausforderung, speziell Kinder anzusprechen, schon von der Sprache her. Aber eigentlich ist es so: Ich mache da ganz viel aus dem Bauch heraus. Trotzdem, mein Beruf und das Schreiben für Kinder, das passt schon.

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