Musikalische Inklusion Hinter dem Notenständer sind alle gleich

BAD HONNEF · Wie klingt eigentlich musikalische Inklusion? "Schließen Sie die Augen", rät Antonia Schwager. "Sie werden keinen Unterschied zu anderen Orchestern hören."

 Gemeinsam musizieren Bad Honnefer Musikschüler und "Bonner Stadtmusikanten".

Gemeinsam musizieren Bad Honnefer Musikschüler und "Bonner Stadtmusikanten".

Foto: Homann

Denn Musik ist eine Sprache, die jeder spricht - das zu vermitteln, liegt der Honnefer Musikschulleiterin am Herzen. Am Wochenende trafen sich ihre Schüler mit den "Bonner Stadtmusikanten" zu einem bislang einmaligen Workshop im Ratssaal des Rathauses. Das Besondere: Die Stadtmusikanten sind ein Ensemble aus 15 Menschen mit geistigen Behinderungen. Beim gemeinsamen Abschlusskonzert am Sonntagabend zeigte sich dann eindrucksvoll: Musik verbindet. Ganz gleich, was die eigene Lebensgeschichte ist - hinter dem Notenständer sind alle gleich.

Das Projekt war für alle Beteiligten Neuland - von Zögern jedoch keine Spur. Denn: "Es ist immer eine gewisse Sehnsucht meiner Musiker gewesen, mit Menschen ohne Behinderung zu spielen", erzählt Udo Seehausen. "Das sind Gelegenheiten, die sich nicht allzu oft ergeben." In über drei Jahren als Leiter der Bonner Stadtmusikanten sei die Resonanz des Publikums stets überwältigend positiv gewesen. "Alle hier haben die Musik förmlich im Blut", schwärmt er.

Auch Schwager fand für den Workshop nur lobende Worte. Selbstverständlich sei solch ein Projekt mit einem gewissen Aufwand verbunden - mal müsse darauf geachtet werden, dass jemand seine Medikamente einnehme, mal müsse beim Essen geholfen werden. "Aber letztlich ist das ein schöner Aufwand."

Die beiden musikalischen Leiter waren sich einig: Inklusion muss in der Freizeit stattfinden, völlig vorbehaltlos. Dass das Vorhaben dann gelänge, dafür sei das gemeinsame Frühlingskonzert das beste Beispiel. Den gesamten Samstagnachmittag lang wurde fleißig geprobt, dabei stand der persönliche Kontakt genauso sehr im Mittelpunkt.

Anfangs gestaltete sich die Annäherung zwar noch zögerlich, aber spätestens, als die mit sehnsüchtigen Blicken bedachte Pizza endlich auf dem Mittagstisch landete, kamen die ersten Gespräche zustande. "Der Kontakt braucht immer ein bisschen Zeit", weiß Seehausen. "Die Schüler müssen sich trauen, aufeinander zuzugehen, das bahnt sich erst langsam an." Gelungen sei es bisher aber noch immer.

Über ein Dutzend Stücke, stolze 35 Musiker und eine Riesenauswahl an Instrumenten - das Abschlusskonzert konnte sich sehen lassen. Von Querflöte über Cello, Schlagzeug und Saxofon bis hin zu Raritäten wie Chalumeau, Melodika und Djembe waren alle denkbaren Klangwelten vertreten.

Auch das Programm ließ keine Wünsche offen: Ob mit Vivaldis "La Primavera" und Beethovens "Freude schöner Götterfunken" der Klassik Tribut gezollt, mit Beatles-Evergreens à la "Let it Be" in Nostalgie geschwelgt oder bei "He's a Pirate" aus "Fluch der Karibik" ordentlich Adrenalin gepumpt wurde - alle hatten einen Heidenspaß. Gemeinsam und ohne Vorbehalte.

Genau darauf kam es an: "Ich schaue immer in die Augen der Musiker", resümiert Schwager. "Und wenn ich dann sehe, dass alle zusammen Spaß haben, dass die Musik beide Schülergruppen verbindet und Behinderungen dabei keine Rolle mehr spielen, bin ich glücklich." Das sei ohne Zweifel gelungene Inklusion.

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