Ortsverband Bad Honnef im Deutschen Amateur-Radio-Club wird 60 Jahre alt Für Funker ist die Welt ein Dorf

BAD HONNEF · Ein Buch mit sieben Siegeln. Für Laien strotzt der Jahresbericht des Ortsverbands Bad Honnef im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) nur so vor Fachchinesisch, ebenso der "Funkeralltag". Beispiel gefällig? Vy 73 es 55 awdh. "Das heißt 'Viele Grüße und Erfolg. Auf Wiederhören'. Bei Frauen kommt eventuell die 88 dazu: Küsschen", sagt Hans Eckhard Krüger: "Das versteht jeder Funker rund um den Erdball." Die Welt ist ein Dorf für die Funker.

Nicht zuletzt das begeistert Krüger, der seit 1962 nicht ohne sein Hobby auskommt, und Bad Honnefs DARC-Vorsitzenden Stefan Scharfenstein. "Es gibt kein anderes Hobby, das so international, so völkerverbindend ist", sagen beide. Kontakte, sogar Freundschaften entstünden über alle Staats- und Sprachbarrieren hinweg. Ihre Begeisterung teilen Scharfenstein und Krüger mit 54 weiteren Aktiven im Ortsverband (OV), der in diesem Jahr 60 Jahre alt wird.

Die Truppe versteht es auch, andere zu begeistern: Vorträge, Seminare, eine Fachschriftenreihe, der Newsletter, Schul-Projekte, nicht zuletzt der Amateurfunklehrgang als Vorbereitung auf die Prüfung bei der Bundesnetzagentur, die alleine 2014 fünf Teilnehmer ablegten - der Verein ist weit mehr als ein Zusammenschluss Gleichgesinnter.

Er ist eine Wissensbörse, noch dazu anerkannt als Träger der freien Jugendhilfe, eine Besonderheit. Auch gehört der DARC Bad Honnef im Distrikt Köln zu den wenigen OVs mit Mitgliederzuwachs. Das älteste Mitglied ist 80 Jahre alt, das jüngste 13. Mit neun Frauen ist zudem der weibliche Anteil am männlich geprägten Hobby groß.

Es ist Montag, 19 Uhr. Scharfenstein, Krüger und Engelbert Buhren bilden die Vorhut im Turm der Erzbischöflichen Realschule Sankt Josef. Es klingelt - Krüger: "Auch das geht bei uns per Funk" -, und innerhalb kürzester Zeit füllt sich der Raum. Seit 2001 hat der DARC hier eine Heimat, "dafür sind wir sehr dankbar", sagt Scharfenstein. Montagabend, das ist ein unverrückbarer Termin.

Es wird gefachsimpelt, geplant, natürlich gefunkt. Und "gebastelt", sagt der promovierte Nachrichtentechniker Krüger, legt schmunzelnd Kupferdraht und Buchsen auf den Tisch: Mal schauen, wie daraus eine Antenne wird.

Technik ist Trumpf. Und das Hobby geht mit der Zeit: Vom Morsen, früher noch Bestandteil der Amateurfunklizenz, bis zum Echo-Link, einer Verbindung aus Funk und Internet, reicht die Bandbreite. Computerbildschirme sind selbstverständlich, gesammelt werden Funkkontakte auch im Computer-Logbuch.

Der klassische Nachweis besteht fort: Bestätigungskarten, die über Dachverbände wie den bundesweiten DARC in alle Welt verschickt werden, zeigen oft eine Fotoansicht aus der Heimat des Funkpartners, immer das Rufzeichen des Gegenübers. Übrigens gilt: Kontakte mit politischem oder wirtschaftlichem Hintergrund sind verboten, Verschlüsselung sowieso. Die Sprache muss immer ganz offen sein.

Die Rufzeichen sind so etwas wie eine eigene Identität der Funkamateure. Sie gehen über in Fleisch und Blut, wie ein Blick in den Bericht 2014 beweist. Dort heißt es unter anderem: Beim G 09-DXer-Wettbewerb 2014 - einer Neuerung im Ortsverband (G 09), bei dem die Mitglieder jeden Monat ihre weiteste Funkverbindung einreichten - gelangen DJ8EI, DJ0TF, DK2YA und DJ5KX elf Mal Kontakte über mehr als 18 000 Kilometer.

Und natürlich wissen Insider, dass DJ8EI für Krüger steht und DJ5KX für Scharfenstein. Ein Rufzeichen wird mit der Lizenz verliehen, auf Lebenszeit. Verständigungsprobleme gibt es auch sonst nicht im Äther. Scharfenstein: "Alle Abkürzungen gehen zurück auf die Anfänge, das Morsen. Möglichst viel Information in kurzer Zeit vermitteln, dafür brauchte es eine Sprache, die global verstanden wird."

Wer nun denkt, man setzte sich einfach ans Gerät, drücke auf den Knopf, und schon sei jeder Kontakt in jedes Land der Welt möglich, der irrt. "Das wäre auch weit weniger spannend", sagt Krüger. Know-how und Geduld sind gefragt. Jahreszeit, Klima, Stand der Gestirne: Die Ausbreitung der Funkwellen - die Frequenzen sind international geregelt, einige dem weltweiten Notfunkverkehr vorbehalten - unterliegt vielen Einflüssen. "Und wenn dann das Gegenüber in Australien gerade schläft, nützen die besten Funk-Bedingungen nichts", so Scharfenstein.

Unnötig zu sagen, dass es immer wieder Funkamateure sind, die bei Katastrophen wie dem Oder-Hochwasser helfen, wenn jede andere Infrastruktur zusammenbricht.

Dass nur Technik-Könner einen Draht zum Funken haben, stimme nicht. "Vorwissen braucht man nicht. Und für den Einstieg reicht ein Handfunkgerät", so Scharfenstein. Dann kann es losgehen mit dem Hobby, das nebenher die ganze Welt in die eigenen vier Wände bringt.

Oder hätten Sie gewusst, wo Amsterdam Island liegt? Die Funkamateure wissen es. Kollegen bauten dort im Indischen Ozean vorübergehend eine Station auf. Aus Liebe zu ihrem gemeinsamen Hobby, dem Funken.

Aus der Historie

Der Bad Honnefer Ortsverband im DARC wurde am 12. Juli 1955 ins Leben gerufen. An der Gründungsversammlung im "Vierkotten" nahmen 16 Funkamateure teil.

Zunächst traf man sich in verschiedenen Vereinslokalen, seit 2001 nutzt der Ortsverband einen Raum in der Realschule Sankt Josef. Ein Höhepunkt 2014: Die Honnefer waren beteiligt an einem Projekt am Siegburger Gymnasium Alleestraße, das mit Astronaut Alexander Gerst auf der ISS Kontakt aufgenommen hatte. Weitere Informationen und Ansprechpartner unter www.darc.de/g09.

Jahresprogramm

  • Im Zentrum des Jahresprogramms 2015 des DARC-Ortsverbandes Bad Honnef steht die Eröffnung einer Jubiläums-Ausstellung am 6. Juni im Foyer des Rathauses. Teilnehmen wird auch Gründungsmitglied Heinz Bachem, heute wohnhaft im Hunsrück.
  • Anfang August findet wieder der "Fieldday" statt. Dazu bauen die Aktiven in Aegidienberg ihr Zeltlager und ihre Anlagen auf.
  • Darüber hinaus bietet der Ortsverband ab November einen neuen Lehrgang an, der auf die Prüfung bei der Bundesnetzagentur vorbereitet.
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