Zusammenarbeit im Katastrophenfall Experten aus zwölf Nationen trainieren in Bad Honnef

BAD HONNEF · Ganz Deutschland steht unter Wasser. Und den Köln-Bonner Raum erschüttert noch zusätzlich ein Erdbeben. Die (angenommene) Ausgangslage ist dramatisch, aber Hilfe naht auch aus dem Ausland. Im Tagungshotel Commundo in Bad Honnef-Selhof findet derzeit die europäische Katastrophenschutzübung "ModTTX 5" statt.

Wer nun an Sirenengeheul, Blaulicht-Gewitter, zum Einsatzort rasende Hilfsfahrzeuge oder an Männer und Frauen des Technischen Hilfswerks oder der Feuerwehr aus unterschiedlichen Nationen denkt, die im Geröll oder Schlamm bis zur Erschöpfung arbeiten, liegt falsch. Lediglich ein THW-Mobil steht auf dem Parkplatz des Hotels. Die fünftägige Übung findet "im Trockenen" statt - am Computer .

Experten des Europäischen Katastrophenschutzes aus elf Nationen trainieren in Selhof die Zusammenarbeit mit deutschen Rettungsorganisationen. Geleitet wird das Training für den Ernstfall von Mitarbeitern der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) in Bonn unter dem Titel "Modules Table Top Exercise" (ModTTX 5).

Es ist die fünfte Übung einer ganzen Reihe, die aus Mitteln der Europäischen Union finanziert wird. Die Leiter der Einsatzmodule planen bei dieser Stabsrahmenübung ihre Einsätze im Zusammenspiel mit den örtlich zuständigen Rettungsorganisationen. Simuliert wird der Einsatz von Search- und Rescue-Teams, also von Bergungs- und Rettungsmannschaften, sowie eines Hochleistungspumpenmoduls und eines mobilen Krankenhauses zur Versorgung von Verletzten.

Susanne Wacht vom THW: "Ausgegangen wird von einem Erdbeben, wie es 1784 tatsächlich stattgefunden hat in der Region Köln, Aachen, Jülich, Bad Münstereifel. Die Stärke des Erdbebens haben wir für unsere Übung etwas erhöht - auf 6,4." Ein Blick in die Geschichtsbücher: Im Mai 1784 wurde der Übungsstandort Selhof bei einem großen Dorfbrand zur Hälfte vernichtet, im Frühjahr gab es am Rhein ein verheerendes Hochwasser, und in jenem Jahr wurden auch die Selhofer mehrfach durch Erdbeben in Schrecken versetzt. Die "ModTTX 5" greift quasi das 230 Jahre zurückliegende Naturereignis in der Region auf. Damals hätten die Menschen allerdings von solch einer Unterstützung nur träumen können.

Wie bedeutsam eine straff organisierte Hilfeleistung über Grenzen hinweg ist, zeigen aktuelle Beispiele von Naturkatastrophen. "Die schweren Überschwemmungen in Bosnien-Herzegowina und Serbien, bei denen Einheiten aus vielen verschiedenen EU-Staaten Hilfe leisten, zeigt, wie wichtig die gemeinsamen Übungen im Vorfeld von Großkatastrophen sind", betonte Klaus Buchmüller, Leiter des Auslandsreferates des THW.

Volker Strotmann, Abteilungsleiter "Einsätze" in der THW-Zentrale in Bonn, kommt aus Selhof und ist als Beobachter bei der Übung dabei. Er berichtet: "Im Februar dieses Jahres hatten wir in Slowenien Stromausfall nach einem Starkregen. Da habe ich dann dieselben Leute getroffen wie vorher bei einer Übung dort." Auch Jochen Stein, der Leiter der Bonner Feuerwehr, ist da und trägt wie Strotmann die grüne Armbinde mit der Aufschrift "Observer". Farblich unterschiedliche Streifen signalisieren, wer welche Aufgaben hat. An Stellwänden ist die Lage dargestellt, Trainer beobachten alles.

Ein vierköpfiges EU-Expertenteam unterstützt die Koordinierung der Arbeiten der europäischen Einsatzteams und ist für die Abstimmung mit den deutschen Behörden verantwortlich. Susanne Wacht: "Das Team der EU-Koordination bildet den Kontaktkopf zu den Behörden des Bundeslandes und stellt dem Land mundgerecht die Hilfeleistung zur Verfügung." Und: Heute werden die Rettungskräfte nach Borken geschickt. Dort gab es ein schweres Nachbeben.

Experten aus elf Ländern zu Gast

20 Katastrophenschutzexperten aus Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, Rumänien und Tschechien sind bei der Übung dabei. Von deutscher Seite beteiligen sich das Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen, die Feuerwehren aus mehreren NRW-Städten, darunter Köln und Bonn, sowie Vertreter des Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums (GMLZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Weitere Hilfsorganisationen werden über die Übungssteuerung eingespielt. Das Unionsverfahren zum Katastrophenschutz vereint seit 2001 die Ressourcen der 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Bei Katastrophen erhalten die betroffenen Staaten schnelle Hilfe. Für Deutschland koordiniert die GMLZ Hilfeersuchen.

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