Peter Scholl-Latour Der Welterklärer aus Rhöndorf

BERLIN · In Berlin flanierte er gern über den Kurfürstendamm und saß im Kempinski. Einmal erzählte er dort, dass er stets deutsche Hartwurst mit auf seine Reisen nehme, die bekomme man ja sonst nirgendwo. Das war das Deutscheste an ihm.

 Autor und Weltreisender: Peter Scholl-Latour signiert eines seiner vielen Bücher (2008). 1997 war Scholl-Latour Programmdirektor des WDR. Im Jahr 1973 geriet er in die Hände der Vietcong.

Autor und Weltreisender: Peter Scholl-Latour signiert eines seiner vielen Bücher (2008). 1997 war Scholl-Latour Programmdirektor des WDR. Im Jahr 1973 geriet er in die Hände der Vietcong.

Foto: dpa

Der polyglotte Reporter, sein Vater war Saarländer, die Mutter stammte aus dem Elsass - weshalb Peter Scholl-Latour neben dem deutschen auch einen französischen Pass besaß -, wurde 1924 in Bochum geboren. Er war unermüdlich unterwegs, seine mehr als 30 Bücher handeln von Konflikten, Krisen und Kriegen in Afrika und Asien, vor allem in der arabischen Welt. 1,2 Millionen Mal wurden sie verkauft. Mit seinen Berichten prägte er auch das Weltbild der Deutschen. Er war der berühmte Kriegsreporter.

Am Samstag ist Scholl-Latour nach kurzer schwerer Krankheit in seinem Heimatort Bad Honnef-Rhöndorf gestorben, er wurde 90 Jahre alt. Der "Spiegel" hatte ihn einmal zum "letzten Welterklärer" ernannt, das wird dem nicht uneitlen Journalisten gefallen haben. Er ging in jede Talkshow, ließ kein Interview aus und trug in letzter Zeit statt der Krawatte lieber ein Tuch im Hemdausschnitt.

Sämtliche Gefahren, denen er sich aussetzte, überstand er. Schon seine Mutter, die nach Hitlers Einmarsch in Frankreich der Deportation knapp entgangen war, soll eine kühne Frau gewesen sein. Den Sohn schickten die Eltern auf ein Jesuitenkolleg im Schweizer Fribourg. 1945 hatte die Gestapo Scholl-Latour noch in Haft genommen, nach Kriegsende trat er einer französischen Elite-Einheit bei und nahm als Fallschirmspringer am Indochina-Krieg teil. Seit 1950 arbeitete er als Journalist für französische und deutsche Zeitungen. 1954/55 gab es ein Zwischenspiel als Sprecher des Saarlandes. In den 1960er Jahren war Scholl-Latour ARD-Korrespondent für Afrika.

In den beiden Jahrzehnten danach lebte er vorwiegend in Frankreich, leitete erst das ARD-, dann das ZDF-Studio in Paris. Als Sonderkorrespondent geriet er 1973 im Vietnamkrieg in Vietcong-Gefangenschaft, wurde wieder freigelassen. Sein Buch "Der Tod im Reisfeld" (1979) war sein erfolgreichstes.

Danach richtete sich sein Interesse mehr auf die arabischen Länder. Mit den Mudschaheddin zog er durch das zerklüftete Afghanistan. Scholl-Latour gehörte zu den wenigen Journalisten, die den iranischen Revolutionsführer Ruhollah Chomeini im Flugzeug in seine Heimat begleiten durften, er führte mit ihm mehrere Interviews. Als Chefredakteur des Magazins "stern" hielt er es nur kurze Zeit aus, lieber schrieb er seriell seine Sachbücher und machte Fernseh-Features. Seine journalistischen Schilderungen, die komplexe historische Zusammenhänge und Entwicklungen vereinfacht erklärten, erregte auch Widerspruch. Scholl-Latour überging die Kritik.

Mehr als 60 Jahre war er Journalist, stets engagiert und auskunftsfreudig, gern legte er sich mit Andersdenkenden an.

Er hatte eine Mission, er wollte aufklären. Noch in den letzten Wochen empörte er sich über die Berichterstattung zur Ukraine, sie sei "mediale Massenverblödung". Es war ihm zu flach, was in den Nachrichten mitgeteilt wurde, zu glatt in der Darstellung. Der Empfänger zahlreicher Preise - Bambi, Goldene Kamera, Henri-Nannen-Preis - warf seinen Kollegen Naivität und zu geringe Sachkenntnis vor. Er war ein grimmiger alter Mann.

Sein Verlag Propyläen bezeichnete ihn in einer Erklärung als "einen der großen Reiseschriftsteller unserer Zeit, eine geglückte Mischung aus Marco Polo und Ernest Hemingway".

Darüber hätte sich Peter Scholl-Latour zweifellos amüsiert. Im September erscheint sein letztes Buch: "Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient."

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