Mit 85 Jahren noch Messdiener Da setzte es in der Mette eine Ohrfeige

ROMMERSDORF · "Ich fühle noch heute die wunderbare Seide!" Es ist 70 Jahre her, als Karl-Josef Jakobs eine besondere Mission zu erfüllen hatte. Als Messdiener war er dazu ausersehen, die Schleppe von Joseph Kardinal Frings zu tragen. Der legendäre Kölner Erzbischof zelebrierte in den Kriegsjahren, als er eine Zeit lang in Rommersdorf neben der Anna-Kapelle wohnte, ein Hochamt im Krankenhaus Sankt Johannes.

 Mit vollem Ernst bei der Sache: Karl-Josef Jakobs (rechts) dient auch mit 85 noch gern in der Kirche. Das Bild zeigt ihn mit Pfarrer Herbert Breuer bei der Segnung der Krippe im Anna-Dom.

Mit vollem Ernst bei der Sache: Karl-Josef Jakobs (rechts) dient auch mit 85 noch gern in der Kirche. Das Bild zeigt ihn mit Pfarrer Herbert Breuer bei der Segnung der Krippe im Anna-Dom.

Foto: Frank Homann

"Die Schleppe war drei, vier Meter lang, ich hielt sie, während der Kardinal vom Wagen bis zum Portal ging", erinnert sich Jakobs.

Eine Schleppe muss der 85-Jährige nicht mehr tragen. Aber Messdiener ist er immer noch. Und er versieht seine Aufgabe ausgerechnet in jenem kleinen Gotteshaus, dessen Geschichte auch mit Kardinal Frings verbunden ist: dem Anna-Dom. An diesem Wochenende feiern die Rommersdorfer ihre Anna-Kirmes. Bei der Festmesse am Sonntag wird Jakobs Rektor Herbert Breuer zur Hand gehen. Wie seit 20 Jahren.

Vorausgegangen war die erneute Benediktion der Anna-Kapelle durch Kardinal Meisner im Mai 1993 nach einer Restaurierung. Bald darauf begann quasi Jakobs' "zweite Laufbahn" als Messdiener. Er übernahm die Aufgabe bei den Freitagabendmessen, beim Hochamt zur Kirmes und am Dreikönigstag, ebenso bei Hochzeiten oder Taufen. Mittlerweile ist er auch Lektor. Und: "Der Dom-Chef hat mir das Küsteramt übertragen." Jakobs hängt das Gewand heraus, stellt die Kelche und den Wein parat und zündet die Kerzen an. Mit der Rentnerband des Bürgervereins hält er den Platz rund um die Kapelle in Ordnung.

Vom Weinkelch zu nippen - das hat ein Messdiener in seinem Alter nicht mehr nötig. "Aber auch als Jugendlicher habe ich nie Messwein getrunken." Trotzdem wurde dem Jungen eines Tages eine harte Strafe auferlegt. Es war zu einer Weihnachtsmette während des Krieges. "Wir hatten uns zu dritt oder viert hinter dem Altar auf die Stufen gesetzt. Aber Messdiener-Kaplan Helmut Müller bemerkte die Lücke. Es setzte noch während der Mette eine Ohrfeige, was gerechtfertigt war. Aber danach zeigte er uns in der Sakristei die Rote Karte: sechs Wochen Messdienersperre."

Also: 42 Tage länger schlafen? Von wegen! "Hätte ich meinen Eltern den Vorfall erzählt, hätte ich wohl noch mehr einstecken müssen. Ich habe mir also nichts anmerken lassen und bin, wie üblich, jeden Morgen zur Kirche und habe mich dort versteckt. Es hat keiner bemerkt."

Nach der Sperre trat er wieder wochentags um 6 Uhr seinen Dienst in der Frühmesse an. Sonntags begann sie um 7 Uhr, aber um 10 Uhr musste er bereits mit dem Hochamt weitermachen, und um 14 Uhr war noch Christenlehre. Dabei kletterte Karl-Josef Jakobs die Leiter in der "Hierarchie der Messdiener" nach oben: vom Kerzen- über den Weihrauchfassträger bis zum Verantwortlichen für die Kerzenleuchter. "Ich habe das mit großer Freude gemacht. Mir fiel auch nie das frühe Aufstehen schwer."

Selbst dann nicht, als er während des Krieges im Krankenhaus seinen Dienst versah, wo bereits um 5.30 Uhr die Andacht begann. "Nach jeder Messe gab es einen Pott Malzkaffee und ein Brot." Als er seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Ford in Köln aufnahm, wo er 37 Jahre als Leiter der Kostenbuchhaltung und der internen Revision tätig war, diente das Mitglied der Sankt-Sebastianus-Schützenbruderschaft auch bei Schützenfesten oder Beerdigungen.

"Diese Aufgabe hatten wir bereits als Kinder und erfuhren so schon sehr früh auch viel Leid. Wir begleiteten die Seelsorger ebenso zur letzten Ölung von Schwerkranken." Jakobs: "Dieses Engagement als Messdiener gibt mir Erfüllung. Ich habe Disziplin gelernt. 40 Jahre bin ich nach Köln zur Arbeit gefahren, rund 1,3 Millionen Kilometer, ohne Protokoll, ohne Unfall. Ohne Gottes Schutz und Segen läuft eben gar nichts."

Einsatz als Hans Muff

Nie vergessen wird Karl-Josef Jakobs seinen Einsatz mit Heimatdichter Franzjosef Schneider im Krankenhaus: als Hans Muff an der Seite des Freudeblömche, der als Nikolaus alle Kranken aufsuchte. "Ich trug schwarze Garderobe, eine Kette um den Bauch und einen Sack. Der französische Kriegsgefangene René hatte mir aus einem Ast aus der Krankenhaus-Apfelplantage eine einen Meter lange Rute gemacht. An jedem Bett fand das Freudeblömche die passenden Worte. Die Rute war am Schluss 20 Zentimeter kürzer durch das viele Schlagen. An dem Abend gab es im Krankenhaus keine Kranken mehr, alle waren heiter."

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