Flüchtling in Bad Honnef Auf dem Weg in ein neues Leben

BAD HONNEF · Die Biografie des 19-jährigen Barry steht für die vieler Flüchtlinge. Seine Zukunft will er selbst gestalten.

 Beim Besuch in der Redaktion: Henning Spohr, Barry und Camilla Heynen. Gemeinsam setzen sie sich für mehr Flüchtlingshilfe ein.

Beim Besuch in der Redaktion: Henning Spohr, Barry und Camilla Heynen. Gemeinsam setzen sie sich für mehr Flüchtlingshilfe ein.

Foto: Frank Homann

Freundlich erwidert der junge Mann die Begrüßung. Sein Händedruck ist fest, sein Blick offen. Beim Gang in den Garten der Redaktion lässt er den anderen den Vortritt - Höflichkeit, man merkt es gleich, ist eine Selbstverständlichkeit für den hoch aufgeschossenen 19-Jährigen.

Weniger selbstverständlich sind seine Biografie und die Art, wie er in seinem neuen Leben Fuß fasst: Barry ist Flüchtling. Mehr als 2000 Jahre nach den biblischen Asylsuchenden Maria und Josef gehört Barry zu den Abertausenden, die in der Fremde um Herberge und Unterstützung nachsuchen müssen.

Barry will sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Seinen Lebensunterhalt verdienen, wie er es schon in der Heimat getan hat, am liebsten als Mechaniker, erzählt er. Auch ist es ihm ein Bedürfnis, zu helfen, andere von seinen Erfahrungen profitieren zu lassen. Letzteres ist seine Triebfeder, trotz aller verständlichen Zurückhaltung zum Interview zu kommen. Ob er dafür sensibilisieren will, dass Flüchtlingen noch mehr geholfen wird? Ein heftiges Nicken ist die Antwort.

Gemeinsam mit Camilla Heynen, Vorstandsmitglied des Vereins Ausbildung statt Abschiebung (AsA), und Henning Spohr ist er in die Redaktion gekommen. Heynen und Spohr, seit zehn Jahren in Bad Honnef eine Säule der Freiwilligenagentur, gehören zu den Menschen, die Barry unterstützen. Heynen: "Sein Leben sinnvoll zu gestalten und selbstbestimmt, das geht nur mit einer Ausbildung."

Über sein Leben vor der Flucht und die Flucht selbst zu sprechen fällt Barry schwer. Geboren in Guinea, lebte er danach an der Elfenbeinküste. Die Familie war politisch verfolgt und, wie er selbst auch, inhaftiert - bruchstückhaft gibt Barry ein wenig von dem preis, was so oder ähnlich viele Asylsuchende erleben mussten. Das Schicksal seiner Angehörigen, seiner Freunde? Ungewiss. "Ich weiß es nicht", sagt er schlicht.

Lebendiger werden seine Schilderungen, wenn es um jenen Lebensabschnitt geht, der im Juli 2013 im Auffanglager in der Bundesrepublik begann und ihn schließlich nach Bad Honnef geführt hat. Er ist, wenn man so will, Autodidakt. "Er wurde selbst initiativ. Und er ist ein Musterbild an Zuverlässigkeit und Höflichkeit. Ich finde das bewundernswert", sagt Heynen. Barry erfuhr von AsA, machte sich alleine auf den Weg nach Bad Godesberg. Sein unbedingter Wunsch: Deutsch lernen. "Das war mir sehr wichtig", sagt er. Und er hat es schon sehr weit gebracht.

Die pensionierte Lehrerin Heynen, die seit vier Jahren ehrenamtlich bei AsA tätig ist und acht der 140 AsA-Schüler betreut, wurde dort seine Deutschlehrerin. Als Volljährigem - Barrys genaues Geburtsdatum konnte wegen fehlender Papiere nicht nachgewiesen werden und wurde von Amts wegen auf den 31. Dezember festgelegt - steht Barry nicht automatisch ein Schulplatz zu. "Es gibt halt auch zu wenige Plätze", so Heynen. Vor allem: Barry brauchte Deutsch-Unterricht.

Die AsA-Lehrerin nahm Kontakt nach Bad Honnef auf, wo Ehrenamtliche etwa der Kirchen, von amnesty international, der Caritas oder der Arbeiterwohlfahrt (Awo) segensreich wirken und die Freiwilligenagentur wichtige Nahtstelle ist. Viel mehr noch wäre möglich, auch im Kleinen, sagt sie: "Hilfe beim Einkauf etwa. Vielen Betroffenen sind selbst die hiesigen Lebensmittel unbekannt, sie wissen nicht einmal, was sie dem Baby geben dürfen."

Oder beim Gang zum Amt wie im Falle einer jungen, traumatisierten Mutter, auf die Barry Heynen aufmerksam machte mit den Worten: "Sie braucht dringend Hilfe." Ergebnis: Das Kind kann bald in den Kindergarten gehen. Oder, im Falle Barrys, die Hilfe einer Königswinterin, die Spohr durch Vermittlung der Adventsgemeinde fand und die mit Barry nun die Grundrechenarten paukt.

Auch ein Raum wäre hilfreich, für Unterricht oder "um zusammenzusitzen und einen Tee zu trinken", so Heynen. "Wir sind immer ansprechbar, für jeden", sagt Spohr. Sein Motto: "Handeln statt Reden. Jeder kann helfen."

Für Barry ging es voran: Er will seine Zukunft gestalten. Ein Schritt ist ein Praktikum. Nachdem Thomas Bock von der Honnefer Stadtinfo einen Raum für einen Deutschkursus zur Verfügung gestellt hatte, stellte er auch den Kontakt zu einer Autowerkstatt her.

In den Ferien absolvierte Barry dort ein zweiwöchiges Praktikum. Spohr: "Er hat ein Super-Zeugnis gekriegt", sogar eine Ausbildungsstelle sei in Aussicht gestellt. Er wünscht sich für Barry einen Platz im Sportverein: "Fußball oder etwas anderes. Das wäre toll."

Hürde vor der Berufsausbildung: Dafür braucht Barry den Hauptschulabschluss. Den will er anstreben nach dem Abschluss der internationalen Förderklasse am Berufskolleg Bonn, die er dank ehrenamtlichen Einsatzes mittlerweile besucht. Sein Traum? "In Deutschland bleiben, eine Ausbildung machen, Geld verdienen." Halt wieder ganz auf eigenen Füßen stehen.

Ausbildung statt Abschiebung

Die Abkürzung AsA steht für Ausbildung statt Abschiebung. Der Verein setzt sich dafür ein, dass minderjährige Flüchtlinge mindestens bis zum Abschluss ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben können. Die durch AsA betreuten Jugendlichen sind zur Hälfte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, also ohne Familie in Deutschland, die übrigen junge Volljährige ohne Familie.

AsA bietet kostenlose und intensive Förderung parallel zu Schule, Praktikum, Ausbildung und Beruf. Im Beratungszentrum findet Asylberatung statt, im Bewerbungszentrum die Schullaufbahnberatung. Das Angebot wird weitgehend von Ehrenamtlichen umgesetzt.

Die AsA-Geschäftsstelle, Godesberger Straße 51, 53175 Bonn, ist montags bis freitags von 13 bis 19 Uhr geöffnet. Kontakt: Telefonnummer 0228/9691816 (Zentrale und Beratungszentrum), 9659283 (Bewerbungszentrum), 9659485 (Lernzentrum), E-Mail: geschaeftsstelle@asa-bonn.org. Mehr Informationen: www.asa-bonn.org.

Freiwilligenagentur im Rhein-Sieg-Kreis

Die Freiwilligenagentur im Rhein-Sieg-Kreis ist eine Einrichtung des Diakonischen Werkes im Evangelischen Kirchenkreis an Sieg und Rhein. Gegründet wurde sie vor zehn Jahren. Sie ist eingebettet in ein breites Netzwerk an Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

Die Agentur wird gefördert durch den Rhein-Sieg-Kreis. Neben einer hauptamtlichen Sozialarbeiterin und einer Verwaltungskraft des Diakonischen Werkes arbeiten bei ihr rund 20 Ehrenamtliche. Sie koordinieren Projekte, betreuen die Kontaktstellen, vermitteln in Engagements und mehr.

Laufend werden Freiwillige gesucht, unter anderem als Begleiter von Senioren, als Patengroßeltern, Gesundheitslotsen für Migranten, Flüchtlinge. Ansprechpartner sind Henning Spohr und Beate Schaaf. Kontakt: Telefonnummer 02224/184231, E-Mail: freiwilligen-agentur@bad-honnef.de, oder Telefonnummer 02224/6175, E-Mail: hs@henningspohr.de. Sprechzeit: donnerstags von 10.30 bis 12 Uhr im Bad Honnefer Rathaus, Rathausplatz 1.

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