Heimat zum Anfassen Haus Kessenich und der Bahnhof erzählen Witterschlicker Geschichte

Witterschlick · In der globalisierten Welt mit immer mehr und schnelleren Informationen fällt es oft schwer, innezuhalten, einen Anker zu finden. Umso mehr konzentrieren sich Menschen wieder auf ihre Herkunft.

 Kleinod: Der Förderverein Witterschlicker Heimatkultur um Wolfgang Pfister kümmert sich um das Haus Kessenich.

Kleinod: Der Förderverein Witterschlicker Heimatkultur um Wolfgang Pfister kümmert sich um das Haus Kessenich.

Foto: Wolfgang Henry

"Heimat ist, wo ich mich mit Menschen und alltäglicher Lebensweise heimisch fühle", sagt Wolfgang Pfister vom Verein Witterschlicker Heimatkultur.

Der Förderverein arbeitet die Geschichte und das kulturelle Erbe des Ortes auf. Außerdem kümmern sich die Mitglieder um die Pflege und Instandhaltung des Hauses Kessenich, gemeinsam mit der Gemeinde Alfter. Die ehemalige Hofanlage wurde Ende des 18. Jahrhunderts errichtet.

Nach mehreren Besitzänderungen trägt sie seit 1905 den Namen von Ferdinand Kessenich. Dessen Erben verkauften das Haus um 1960 an die Gemeinde Witterschlick, die es bis zur kommunalen Gebietsreform als Rathaus nutzte. "Bis 2006 wohnten Mieter im Haus, nach einer Renovierung schloss die Gemeinde Alfter mit dem Förderverein Witterschlicker Heimatkultur einen Nutzungsvertrag", sagt Pfister.

Im Obergeschoss ist die Dauerausstellung "Vom Bauerndorf zum Industrieort" zu sehen. Sie wurde zur Eröffnung 2008 von Helmut Fuhs, langjähriger Leiter der Witterschlicker Grundschule, und dem Künstler Erich Beck zusammengestellt. "In thematischen Blöcken werden historische Aufnahmen zu Tonabbau, Schule, Kirche sowie Arbeit und Leben gezeigt, ergänzt durch einige Exponate zum Tonabbau", erklärt Wolfgang Pfister, der seit 1988 in Witterschlick wohnt.

"Jetzt zeigen wir die zweite Dauerausstellung 'Witterschlick im Wandel der Zeit'. Zu 22 ausgewählten Fotos, zwischen 1890 und 1950 entstanden, hat Erich Beck 2011 vom selbigen Standpunkt aus fotografiert, wie es heute in Witterschlick aussieht."

Die historischen Fotos und erhaltenswerte Gegenstände erhält der Förderverein von Bürgern des Ortes zur Bewahrung. Die Ausstellungen im Haus Kessenich werden von den Witterschlickern rege besucht. "Und gelegentlich können wir uns auch über einen Besuch von ehemaligen Witterschlickern freuen", so Pfister. Damit auch die Kleinsten in die Heimatpflege einbezogen werden, sind die heimatkundlichen Ausstellungen im Lehrplan der Grundschule Witterschlick integriert.

"Das Haus Kessenich ist durch seine Lage ein prägendes Element für die Optik des Ortes. Durch die Aktivitäten des Fördervereins ist es für die Bürger zum Leben erweckt worden", sagt Pfister. Sonderausstellungen zu Vereinsjubiläen, die seit 2009 im jährlichen Wechsel erfolgten Ausstellungen zum "Witterschlicker Jugendkunstpreis" und zu "Witterschlicker Künstlern" spiegeln das aktuelle kulturelle Leben. Und im historischen Backes wird die "Witterschlicker Holzofenkruste" hergestellt.

Als attraktives Angebot hat sich seit April 2012 das "Hofcafé im Haus Kessenich" etabliert. "Einmal im Monat gibt es jahresbezogene gastronomische Angebote verbunden mit einem kleinen Kulturprogramm. Hier treffen sich dann junge und alte, eingesessene und neue Witterschlicker."

Für die Geschichte des Ortes steht aber auch ein weiteres Kleinod: der Bahnhof Witterschlick. Er wurde 2004 von der Deutschen Bahn verkauft - an Albert und Annette Söhngen. "In diesem Moment stimmte für uns einfach alles. Es war für uns der optimale Zeitpunkt, etwas Neues anzufangen", sagt der frühere Fahrdienstleiter im Witterschlicker Bahnhof.

"Die Ideen sprudelten nur so. Seit 2005 haben wir das Gebäude Stück für Stück umgebaut. Aber jetzt sind wir fertig", sagt der gebürtige Witterschlicker. Das Gebäude aus der Kaiserzeit wird für Veranstaltungen genutzt.

Zum 8.8.2008 hatten die Söhngens dann eine neue Idee: Die historische Güterhalle sollte zur Außenstelle des Standesamtes der Gemeinde Alfter werden, in der sich Paare trauen lassen können. "Daraus wurde eine unerwartete Erfolgsgeschichte. Jetzt, im Oktober, erwarten wir die 150. Trauung, danach ist die Saison für dieses Jahr zu Ende."

Für Hochzeiter ist das 75 Quadratmeter große Gebäude, zu dem eine Empore und ein Innenhof gehören, inzwischen kein Geheimtipp mehr. Anfragen kämen aus ganz NRW. "Bei uns schätzen die Leute, das Persönliche und dass sie sich Zeit nehmen können. Wir wollen keinen Fließbandbetrieb und sagen deshalb auch schon einmal ?Nein', wenn der Kalender zu voll wird."

Das jüngste Projekt der beiden Beamten ist das Stellwerkmuseum. Im August eröffnet, können die Besucher dort den ehemaligen Betrieb in einer typischen dörflichen Bahnhofsanlage hautnah erleben. Ein echtes Stück Heimat, zeitgemäß zum Leben erweckt.

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