Hans Schulze aus Ramershoven Chemiker unterstützt die Grundschule Oedekoven

RHEINBACH/ALFTER · Und er fährt doch. Stolz beobachten Sawjan (9), Nina (10) und Aniki (10) ihren selbst gebauten Traktor bei seiner Probefahrt durch den Mint-Raum der Gemeinschaftsgrundschule Oedekoven. Das Ziel, innerhalb einer Schulstunde ein Fahrzeug aus den Elementen des Lego-Technikbaukastens zu konstruieren, haben die drei locker erreicht.

Hundertprozentig zufrieden sind die Viertklässlerinnen mit dem Ergebnis ihrer Arbeit aber noch nicht. Der Traktorfahrer fehlt. Und eine Bank für den Traktorfahrer. Und eine Lehne für die Bank, damit der Traktorfahrer bequem sitzen kann.

Schmunzelnd beobachtet Hans Schulze das Szenario. Seit vergangenen Oktober ist der 70-Jährige aus Rheinbach-Ramershoven als Senior Experte an der Oedekovener Grundschule aktiv.

In dieser Funktion unterstützt er die Mädchen und Jungen der vierten Klasse im Bereich Naturwissenschaften und Technik. Zweimal zwei Stunden pro Woche tüftelt er mit Kleingruppen von drei bis vier Schülern und macht dabei so wenige Vorgaben wie möglich.

"Es ist wirklich verblüffend. Die Fahrzeuge, die die Kinder in den Stunden bauen, sehen tatsächlich jedes Mal anders aus", sagt der promovierte Chemiker, der sich als Forscher bei den Bayer-Werken in Leverkusen mit oberflächenaktiven Substanzen beschäftige. Seit 2005 genießt er den Ruhestand - der seit seinem Einstieg als Senior Experte 2012 gar nicht mehr so ruhig ist.

"Über einen Bekannten bin ich auf den Senior Experten Service (SES) aufmerksam geworden. Irgendwann fragte der SES an, ob ich Interesse an dieser Form der ehrenamtlichen Tätigkeit habe." Der Gedanke, der hinter dem SES steht, ist ebenso einfach wie genial: Fach- und Führungskräfte im Ruhestand geben ihre Berufs- und Lebenserfahrung weiter - zum Beispiel an Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch an die junge Generation in Deutschland.

Dabei sind die Experten nicht nur an Schulen im Einsatz, sondern unterstützen junge Menschen auch in der Phase der Berufsfindung und der Ausbildung. Die Initiative VerA (Verhinderung von Abbrüchen und Stärkung von Jugendlichen in der Berufsausbildung) hilft jungen Menschen, die in der Ausbildung auf Schwierigkeiten stoßen und mit dem Gedanken spielen, ihre Lehre abzubrechen.

"Win-win-Situation für alle Beteiligten"

Neben seinem Engagement als VerA-Ausbildungsbegleiter arbeitet Schulze sehr gerne mit den Grundschülern und steht in engem Kontakt mit den Lehrerinnen der jeweiligen Fachbereiche.

"Der SES bietet eine Win-win-Situation für alle Beteiligten", ist Schulleiterin Erika Khaliji überzeugt. "Die Schüler kommen in den Genuss einer besonderen Förderung, die Fachlehrer werden unterstützt, und der Senior Experte kann sein Wissen weitergeben", ergänzt die stellvertretende Schulleiterin Gabriele Pfeiffer, deren Schwerpunkt die Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind. Dabei hat der Senior Experte gegenüber den Lehrerinnen den Vorteil, sich intensiv mit einer kleinen Schülergruppe beschäftigen zu können.

Versuch und Irrtum, das Äußern von Vermutungen und deren Überprüfung am Modell - dies ist im "normalen" Unterricht mit mehr als 20 Grundschulkindern oft nicht möglich. "Bevor Hans Schulze bei uns anfing, stand der Lego-Technikkasten lange Zeit ungenutzt herum", erzählt Gabriele Pfeiffer. Nun soll mit Unterstützung des Fördervereins weiteres Material angeschafft werden. Der Förderverein macht die Finanzierung des SES überhaupt erst möglich.

Pfeiffer: "Die 20 Euro pro Monat plus Fahrtkosten sind gut investiertes Geld." Neben Hans Schulze ist mit Regina Schmitt-Ott eine weitere Senior Expertin an der Grundschule tätig. Sie unterstützt Kinder beim Erlernen der deutschen Sprache. Der promovierte Chemiker hat sichtlich Spaß an seiner Aufgabe. Auch wenn er - wie bei Manuel (10) und Julian (9) - eine Schulstunde lang beinahe arbeitslos ist.

Das Rennauto, dass die beiden Schüler der Klasse 4d bauen wollen, ist binnen weniger Minuten fertig. Karosserie, Zahnrad und Antrieb sind für die beiden Jungs offensichtlich keine Fremdwörter. "Man erlebt schon riesige Unterschiede", weiß Schulze zu berichten.

"Aber das ist ja gerade das Spannende." Ähnlich wie ihre Klassenkameradinnen Sawjan, Nina und Aniki gehen Manuel und Julian nach dem Fahrtest an die Feinarbeit. Von wegen Traktorfahrer. Das Männchen mit der roten Kappe ist ein Rennfahrer. Und ein Rennfahrer gehört angeschnallt. Woraus könnte man bloß einen Gurt basteln?

Info

Senior Experten Service, Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH, Gemeinnützige Gesellschaft, Zentrale: Buschstraße 2, 53113 Bonn;

Internet:www.ses-bonn.de

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