Eberhard Kenntner sagt Lebewohl Pfarrer lässt sich gern hängen

RHEINBACH · Probleme sitzt Eberhard Kenntner nicht aus, er tritt ihnen im Wortsinn aufrecht gegenüber. Folge-richtig versinkt der evangelische Pfarrer für die Büroarbeit nicht im Stuhl eines Schreibtischs, er ist am Stehpult zu finden - wie Geheimrat Goethe weiland.

 Pfarrer Eberhard Kenntner hört nach 34 Jahren in Rheinbach am Sonntag auf. Jetzt hat er mehr Zeit für seine großen Leidenschaft Bergwandern.

Pfarrer Eberhard Kenntner hört nach 34 Jahren in Rheinbach am Sonntag auf. Jetzt hat er mehr Zeit für seine großen Leidenschaft Bergwandern.

Foto: Axel Vogel

Den Grund, aufrecht statt sitzend zu arbeiten, hat der langjährige Superintendent des Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel schnell erklärt: "Ich bin Kletterer", sagt der 63 Jahre alte Rheinbacher. Das Erklimmen von hohen Hängen und sich zwischendurch auch mal am Haken hängen zu lassen, um den nächsten Schritt planen zu können, ist sein liebstes Hobby. Oder wie der promovierte Theologe es nennt: "Klettern ist immer wie ein seelische Sauna." Zeit für Hobbys und die Familie hat Kenntner ab Sonntag zuhauf - zumindest theoretisch. Nach 34 Jahren in der Glasstadt als Gemeindepfarrer entpflichtet ihn Superintendent Mathias Mölleken morgen im Gottesdienst.

Nach fast dreieinhalb Jahrzehnten seelsorgerischen Wirkens in Rheinbach befüllt Kenntner derzeit noch manche Umzugskiste. Ihn zieht es mit seiner Frau Antje, langjährige Religions- und Englischlehrerin am Gymnasium St. Joseph, an die Südliche Weinstraße nach Edenkoben in der Pfalz. Dorthin hatte ihn seine erste Jugendfreizeit als junger Pfarrer geführt. "Herr, tue meine Lippen auf" ist auf jeder Freizeit die gregorianisch gesungene Bitte am Morgen - ob ins Kletterparadies der Seiser Alm in Südtirol, in Villeneuve les Avignon oder beim beliebten Wandern "von Jugendherberge zu Jugendherberge".

Es war der 28. August 1981, als die Kenntners mit fünfmonatiger Verspätung - das Pfarrhaus war noch nicht fertig - nach Rheinbach zogen. "Als ich kam, war die Gemeinde relativ aufgewühlt", erinnert sich der in Köln aufgewachsene Pfarrerssohn.

Diese Aufgewühltheit nutzt der junge Theologe, um wichtige Langzeitprojekte zu realisieren: So setzt er sich für die Einführung von Abendmahlfeiern mit Kindern ein, was Änderungen in der Konfirmandenarbeit mit sich bringt. So wurde Rheinbach zu einer der ersten Gemeinden, in der das Kinderabendmahl gehalten wurde. "Gott sagt: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid", sagt Kenntner, der nicht einsehen will, dass Kinder ausgeschlossen sein sollen. Er promoviert sogar zu diesem Thema. "Das hat mich dazu bewogen, nicht an der Uni zu bleiben, sondern das Thema in die Praxis umzusetzen." Ebenso führte er die Albe, das evangelische Priestergewand, in Weiß ein - mit Stola in den Farben des Kirchenjahres. "Weiß symbolisiert die Auferstehung Christi."

Nach zwölf Jahren in Rheinbach zieht es ihn 1993 zum Kurzstudium nach Heidelberg, um "Kraft und neue Einsichten zu sammeln", wie er sagt. "Ich habe damals in einem Benediktinerkloster gelebt, was mich sehr bereichert hat." Diese Auszeit bewegt ihn 1997 dazu, den Aufbau einer ökumenischen Hospizarbeit voranzutreiben. "Die war damals weitgehend unbekannt." 15 Jahre ist er Vorsitzender der Hospizbewegung. "350 Begleitungen habe ich in dieser Zeit erlebt und das stets als Bereicherung empfunden."

Die Kommunikation auf Augenhöhe ist ihm wichtig. Die Menschen seiner Gemeinde hätten ihn immer "davor bewahrt, pastorales Gehabe zu entwickeln." Lobend berichtet er über die Arbeit mit dem Presbyterium. "Wir waren längst nicht immer einer Meinung, haben aber, wenn in der Sache gerungen wurde, geschwisterlich argumentiert, sodass inzwischen gewachsenen Freundschaften nicht gefährdet wurden". Da Kenntner begeisterter Karnevalist ist, bekommt die Tradition der Gemeinde, die Weihnachtsfeier ins Frühjahr zu verschieben, ihren ganz eigenen Charakter, der sich im Namen "Christliches Chaos" manifestiert. "Wir haben uns gegenseitig freundschaftlich durch den Kakao gezogen." Zur Belustigung aller.

In der Gnadenkirche hinterlässt er mit den Bildern von Andreas Felger nachwirkende Spuren. "Predigt für die Augen" nennt er diese Art des geistlichen Anstoßes. Als Superintendent ist er von 2001 bis 2014 nur noch als "Viertelpfarrer" in Rheinbach tätig, "was meine Kollegen aber mehr als wettgemacht haben". So spricht er am Ende von dreieinhalb Jahrzehnten in Rheinbach vor allem von Dankbarkeit.

Neue Hobbys - neben Klettern und Radfahren - will sich Eberhard Kenntner nicht mehr suchen: "Ich sehne mich nach einem leeren Terminkalender."

Die Gemeinde verabschiedet sich von Antje und Eberhard Kenntner im Gottesdienst am Sonntag, 26. April, 10 Uhr in der Rheinbacher Gnadenkirche. Anschließend ist ein Empfang im Gemeindehaus vorgesehen.

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