Inklusion Lehrer ohne Berührungsängste

RHEIN-SIEG-KREIS · Rund 60 Grundschulen und 46 weiterführende Schulen bieten im Rhein-Sieg-Kreis gemeinsames Lernen an. Zwei Mütter von Kindern mit Förderbedarf berichten von ihren Erfahrungen.

 Kinder mit Förderbedarf gehören inzwischen an vielen Regelschulen dazu.

Kinder mit Förderbedarf gehören inzwischen an vielen Regelschulen dazu.

Foto: dpa

Stephanie Pollert aus Buisdorf hat das Gefühl, ihr Sohn ist an der richtigen Schule angekommen. Seit fast zwei Jahren geht Jean-Luc Huff, 15 Jahre, auf die Gesamtschule in Menden - trotz seiner Autismus-Spektrum-Störung, auch Asperger Autismus genannt.

"In seiner Klasse war er der erste Schüler mit Förderbedarf", erzählt Pollert. Zuvor hatte Jean-Luc bereits einige Zeit in Förderschulen und an der Realschule in Hennef verbracht. "Wir wollten unbedingt, dass er auf eine Regelschule geht, weil er für seine berufliche Zukunft dann mehr Chancen hat." Doch das war für die Familie nicht immer leicht. "Wir waren kurz davor, uns damit abzufinden, dass er auf einer Förderschule bleiben muss."

Inzwischen ist für Kinder mit Förderbedarf vieles einfacher: Seit einem Jahr haben sie in NRW einen Anspruch auf einen Platz an einer Regelschule. Festgeschrieben ist das im neunten Schulrechtsänderungsgesetz. Für viele Schulen im Rhein-Sieg-Kreis war das Thema im vergangenen Jahr aber nicht neu: Sie haben auch vorher schon Inklusion betrieben. Rund 60 Grundschulen und 46 weiterführende Schulen bieten laut dem Schulamt für den Kreis gemeinsames Lernen an. </p><p><a href="internal:/article/1714758" id="01b6de2a-0219-4128-b7d2-35431484eb50">Das sagen Schulleiter zur Inklusion

Für die Gesamtschule Menden und Jean-Luc bedeutet das: Ein Sonderpädagoge und ein Betreuer vom Jugendamt stehen dem 15-Jährigen im Schulalltag zur Seite, helfen ihm, sich zu organisieren, übersetzen die Aufgaben, die die Lehrer stellen. Damit seine Mitschüler von vornherein wussten, was auf sie zukommt, erklärte ein Sonderpädagoge, was mit Jean-Luc los ist. "Er hat Probleme, sich zu konzentrieren und braucht seine Rituale", sagt Pollert. "Es ist irre, was die Schule alles leistet."

Mit einer der ersten Schüler mit speziellem Förderbedarf an seiner Schule war auch Mio Veehmayer. Der Zwölfjährige geht in die siebte Klasse der Gesamtschule Siegburg und hat eine Sehbehinderung, einen kongenitalen Nystagmus. Das heißt: Er hat lediglich 20 Prozent Sehvermögen und ist deshalb auf Hilfsmittel wie einen Laptop mit Tafelkamera angewiesen. Zwei bis drei Stunden pro Woche wird er von einem Betreuer der Förderschule Sehen aus Köln unterstützt. "Er schaut, wie Mio zurecht kommt und ob er an der richtigen Position in der Klasse sitzt", sagt seine Mutter Mascha Veehmayer.

Auf eine Förderschule ist der zwölfjährige Mio nie gegangen. "Für uns war wichtig, dass er auf eine normale Schule geht und nicht auf eine Förderschule. Die braucht er nicht", sagt Veehmayer. Denn für Mios Augen ist zwar alles etwas anstrengender, mit dem Schulstoff hat er aber keine Probleme.

Zwei Gesamtschulen hatte die Familie sich angeschaut, damit Mio neun Jahre Zeit hat bis zum Abitur. Schwierigkeiten habe es im Gegensatz zur Wahl der Grundschule nicht gegeben, so Mascha Veehmayer. Sie ist begeistert, wie die Siegburger Gesamtschule ihren Sohn aufgenommen hat. "Mio geht wahnsinnig gern dort zur Schule. Die Lehrer machen jede Kopie groß und machen ganz viel über das normale Maß hinaus." So hätten sie sich sogar mit einer Brille schulen lassen, die Mios Sehvermögen simuliert. "Die Lehrer hatten keine Berührungsängste", sagt Veehmayer. "Es war ein guter Start und ist für alle Normalität geworden."

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