Rhein-Sieg-Kreis Hilfsorganisationen fürchten EU-Vorgabe

RHEIN-SIEG-KREIS · Die Rettungsdienstleister Malteser, Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Johanniter Unfallhilfe (JUH) sehen die Jobs von rund 300 ihrer Mitarbeiter in Gefahr.

Der Grund: Der Rhein-Sieg-Kreis bereitet derzeit eine neue, europaweite Ausschreibung der rettungsdienstlichen Leistungen vor. Deshalb sammelten sie innerhalb weniger Wochen mehr als 1500 Unterschriften. Diese wollen sie am Freitagmorgen im Jugendhilfezentrum in Meckenheim an Landrat Frithjof Kühn übergeben und so ihre Angst zum Ausdruck bringen.

Demgegenüber steht die Befürchtung von Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe des Kreises. Andere Anbieter könnten klagen, da sie das Wettbewerbsrecht verletzt sehen. Die unterschiedlichen Annahmen basieren auf einer möglichen öffentlichen und europaweiten Ausschreibung der rettungsdienstlichen Leistungen. Noch lässt sich die Geschichte im Konjunktiv erzählen. Doch wenn sie wahr wird, dann nimmt sie für die bisherigen Rettungsdienstleister Malteser, DRK und JUH nach eigenen Aussagen kein gutes Ende.

Zu ihren Aufgaben gehören im Kreis die Notfallrettung, der Notarztdienst, der Krankentransport und der Rettungsdienst. Genau diese Aufgaben hat der Kreis auch in seinem Rettungsdienstbedarfsplan im vergangenen Jahr fortgeschrieben. Bisher wurden diese Leistungen freihändig vergeben, also nach Verhandlungen mit den Bewerbern, und nicht nachdem die Übernahme der Leistungen ausgeschrieben wurde.

Dieses Verfahren bewertete der Europäische Gerichtshof 2010 im Hinblick auf die europäischen Vergaberichtlinien als nicht rechtmäßig. Da es bei der Vergabe der Leistungen um öffentliche Mittel geht, sieht eine EU-Richtlinie eine öffentliche und europaweite Ausschreibung vor. Den Zuschlag bekommt der günstigste Anbieter.

Denkbar sind dann Anbieter, deren günstiges Angebot sich in den Löhnen der Mitarbeiter niederschlägt. So geschehen in Bonn: Ein Dienstleister überweist nach GA-Informationen seinen Rettungssanitätern in Vollzeit monatlich rund 500 Euro weniger. Anders als Malteser, DRK und Johanniter orientiert sich der Anbieter nicht am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Wenn die Rettungsdienste im Kreis nicht wie bisher die rettungsdienstlichen Leistungen zu erfüllen haben, werden sie mehr Personal beschäftigen als sie brauchen. Die Konsequenzen wären Kündigungen.

Aktuell habe der Rhein-Sieg-Kreis noch keine Ausschreibung vorgenommen, erklärte Rita Lorenz, Sprecherin des Kreises auf Anfrage. Die Verwaltung befinde sich in den vorbereitenden Arbeiten zur Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens. "Es geht bei dieser Thematik nicht darum, was sich der Kreis von einer Ausschreibung verspricht, sondern darum, dass der Kreis verpflichtet ist, eine Ausschreibung durchzuführen", so Lorenz weiter.

Ende 2013 soll ausgeschrieben, im Sommer 2014 soll das Verfahren abgeschlossen sein und ab dann soll alle vier Jahre ausgeschrieben werden. Die Hilfsorganisationen blicken derweil in eine ungewisse Zukunft. Neben dem Arbeitsplatz-Verlust befürchten sie Qualitätseinbußen für die Patienten im Rettungsdienst, benennt Alexander Kerkow (Malteser), Ansprechpartner für die Unterschriftenaktion der drei Hilfsorganisationen, die Ängste. Der leitende Lehrrettungsassistent und stellvertretende Wachleiter aus Rheinbach zeigt weitere Konsequenzen auf: "Wenn ich einen Mitarbeiter langfristig nicht weiter beschäftigen kann, muss ich überlegen, ob ich dann auch in Fortbildungsmaßnahmen investieren kann." Befristete Arbeitsverhältnisse wären dann wohl die Regel. "Erprobte Strukturen könnten durch das Verfahren komplett zerstört werden", befürchtet Kerkow.

Die Verantwortlichen im Rhein-Sieg-Kreis befürchten, dass sie nicht anders können. "Wir haben Verständnis für die Anliegen der Hilfsorganisationen, aber wir müssen uns an Recht und Gesetz halten", erklärte Landrat Frithjof Kühn in einer Pressemitteilung.

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